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atw International Journal for Nuclear Power | 04.2020

Title atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2020 Description Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

Title

atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2020


Description

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information.

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<strong>atw</strong> Vol. 65 (2020) | Issue 4 ı April<br />

Die Entsorgung von Rückbaumassen<br />

aus kerntechnischen Anlagen –<br />

eine rechtliche Bestandsaufnahme<br />

Christian Raetzke<br />

I Einführung Aufgrund des gesetzlich angeordneten Kernenergieausstiegs sind die meisten deutschen<br />

Kernkraftwerke endgültig abgeschaltet worden; die sechs noch laufenden Anlagen sollen bis Ende 2022 folgen. Durch<br />

den Abbau dieser Anlagen – der gem. § 7 Abs. 3 S. 4 Atomgesetz (AtG) „unverzüglich“ zu erfolgen hat, was aber einen<br />

Zeitraum von ca. zwei Jahrzehnten umfasst – fallen erhebliche Rückbaumassen an. Nur ein kleiner Teil davon muss<br />

als radioaktiver Abfall entsorgt werden; die ganz überwiegende Menge kann einer Entsorgung (Verwertung oder<br />

Beseitigung) im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsrechts zugeführt werden.<br />

Die Entlassung dieser Reststoffe aus<br />

dem Atom- und Strahlen schutzrecht<br />

mittels der Instrumente „Heraus gabe“<br />

und „Freigabe“ ist rechtlich in einer<br />

Weise geregelt, die die An<strong>for</strong>derungen<br />

des Strahlenschutzes gewährleistet.<br />

Besonders die Freigaberegelungen,<br />

die mit der neuen Strahlenschutzverordnung<br />

(StrlSchV) vom 29.11.2018<br />

im Wesentlichen von der Vorgängerverordnung<br />

über nommen, aber teils<br />

auch ergänzt und abgewandelt<br />

wurden, sind stark ausdifferenziert<br />

und tragen verschie denen Reststoffund<br />

Entsorgungskategorien Rechnung.<br />

Interessante Fragen ergeben<br />

sich vor allem an der Schnittstelle<br />

zum Kreislaufwirtschaftsrecht, dem<br />

die Reststoffe nach der Freigabe<br />

unterfallen.<br />

Die Entsorgung der Rückbaumassen<br />

erweist sich allerdings auch<br />

als ein politisch-soziales und mediales<br />

Problem: die Rückbaumassen werden<br />

von der Öffentlichkeit oft als gefährlich<br />

und als „Atommüll“ angesehen,<br />

ihre Entsorgung etwa auf Deponien<br />

ruft Proteste und Widerstände hervor.<br />

In diesem Aufsatz sollen die rechtlichen<br />

Regelungen für die Entsorgung<br />

der beim Rückbau von Kernkraftwerken<br />

anfallenden Reststoffe – also<br />

nicht der radioaktiven Abfälle – beleuchtet<br />

werden. Dabei wird es auch<br />

darum gehen, inwieweit dieser rechtliche<br />

Rahmen bisher tatsächlich<br />

„ gelebt“ und umgesetzt wird. Zunächst<br />

sollen aber einige Hintergründe<br />

zum Anfall von Reststoffen<br />

erläutert werden.<br />

II<br />

Hintergrund und<br />

zeitlicher Rahmen<br />

1 Abschaltung und Rückbau<br />

Auf die endgültige Abschaltung eines<br />

Kernkraftwerks folgt der Rückbau der<br />

Anlagen, sofern einzelne Gebäude<br />

nicht nach Entlassung aus dem Atomrecht<br />

weiter verwendet werden sollen.<br />

Der direkte Rückbau ist für die vom<br />

gesetzlichen Ausstieg erfassten Kernkraftwerke<br />

seit 2017 gesetzlich vorgeschrieben:<br />

§ 7 Abs. 3 S. 4 AtG<br />

bestimmt, dass sie nach Beendigung<br />

des Leistungsbetriebs „unverzüglich<br />

stillzulegen und abzubauen“ sind. Die<br />

damit seither ausgeschlossene Option<br />

des sicheren Einschlusses, bei dem<br />

das Kernkraftwerk noch Jahrzehnte<br />

stehen bleibt und erst viel später rückgebaut<br />

wird, hatten die Energieversorgungsunternehmen<br />

in der Vergangenheit<br />

aber ohnehin nur selten,<br />

für einzelne Prototypreaktoren, gewählt;<br />

1 für die in den letzten drei Jahrzehnten<br />

stillgelegten Anlagen hatten<br />

sie sich stets für den direkten Rückbau<br />

entschieden.<br />

Allerdings dauert es auch nach der<br />

endgültigen Abschaltung eines Kernkraftwerks<br />

noch lange, bis wesent liche<br />

Rückbaumassen anfallen. Zunächst<br />

kann es sein, dass die Anlage jahrelang<br />

im sog. Restbetrieb gehalten werden<br />

muss, solange keine Still legungs- und<br />

Abbaugenehmigung (SAG) vorliegt;<br />

das war das Schicksal der acht „Moratoriumsanlagen“<br />

nach 2011 (siehe<br />

unten). Nach Vorliegen der (ersten)<br />

SAG kann mit dem eigentlichen Rückbau<br />

begonnen werden. Dabei findet<br />

ein Rückbau „von innen nach außen“<br />

statt. Zunächst werden die Systeme<br />

und Komponenten des Reaktors,<br />

wie etwa Kerngerüst, Reaktordruckbehälter,<br />

Rohrleitungen, Pumpen etc.<br />

ausgebaut. Diese Arbeiten dauern<br />

lange, da sie aufgrund der er<strong>for</strong>derlichen<br />

Strahlenschutzmaßnahmen<br />

zum Teil sehr anspruchsvoll sind, vor<br />

allem was die Komponenten des Reaktorkerns<br />

angeht. Die baulichen Strukturen<br />

bleiben in der Regel in dieser<br />

Phase erhalten; sie werden noch benötigt<br />

(Statik, Abschirmung, gefilterte<br />

Lüftung etc.) und selbst leergeräumte<br />

Baulichkeiten werden ggf. anderen<br />

rückbaubedingten Zwecken zugeführt<br />

(so wird z. B. das Maschinenhaus<br />

dann, wenn die Turbine entfernt ist,<br />

oft als Lagerfläche oder für die Bearbeitung<br />

von Reststoffen und Abfällen<br />

verwendet). Erst in der Schlußphase,<br />

also ab etwa anderthalb Jahrzehnten<br />

nach Genehmigungserteilung und<br />

dem entsprechenden Beginn der<br />

Arbeiten, werden dann die wesentlichen<br />

Baulichkeiten abgerissen.<br />

Stilllegung und Abbau eines Kernkraftwerks<br />

bedürfen der Genehmigung<br />

nach § 7 Abs. 3 AtG. In der<br />

Genehmigungspraxis wird nicht<br />

zwischen „Stillegung“ und „Abbau“<br />

unterschieden, sondern es ergehen in<br />

der Regel mehrere „Stilllegungs- und<br />

Abbaugenehmigungen“ (SAG). Im<br />

Zuge zunehmender Erfahrung hat sich<br />

dabei die Zahl der Genehmigungen<br />

verringert. Als „klassisches“ Vorgehen<br />

hat sich bei den acht 2011 stillgelegten<br />

Anlagen ein zweistufiges Modell herausgebildet.<br />

Mit der 1. SAG wird der<br />

Abbau bestimmter Komponenten und<br />

Systeme genehmigt; dabei werden<br />

die Gebäude (Außenwände, Dächer,<br />

tragende oder aussteifende Bauteile)<br />

teils ausdrücklich ausgenommen. 2 Die<br />

Genehmigung umfasst in der Regel<br />

207<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW<br />

1 So etwa für das Kernkraftwerk Lingen, das 1968-1977 in Betrieb war; 2015 wurde die erste Genehmigung für den Rückbau erteilt.<br />

2 Siehe etwa die Stilllegungs- und erste Abbaugenehmigung (1. SAG) für das Kernkraftwerk Philippsburg, Block 1 (KKP 1) der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK)<br />

vom 07.04.2017, S. 10 unter Ziffer 1.4; https://um.baden-wuerttemberg.de/de/umwelt-natur/kernenergie-und-radioaktivitaet/dokumente/genehmigungsverfahren/<br />

kkp/.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Disposal of Dismantling Materials from <strong>Nuclear</strong> Facilities – A Legal Inventory ı Christian Raetzke

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