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atw International Journal for Nuclear Power | 04.2020

Title atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2020 Description Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

Title

atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2020


Description

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information.

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<strong>atw</strong> Vol. 65 (2020) | Issue 4 ı April<br />

zum konventionellen Abfallrecht<br />

( dazu siehe unten).<br />

dd) Freigabe im Einzelfall<br />

Die Freigabewerte für die uneingeschränkte<br />

und für die spezifische<br />

Freigabe sind für fast alle relevanten<br />

Nuklide in Anlage 4 StrlSchV festgelegt;<br />

sie beruhen auf abstraktgenerellen<br />

Berechnungen, die abdeckend<br />

für alle jeweils in Frage<br />

kommenden Varianten der Weiterverwendung,<br />

Verwertung oder Beseitigung<br />

angestellt wurden. In Fällen, in<br />

denen diese generellen Vorgaben<br />

nicht greifen (etwa weil ein bestimmter<br />

Entsorgungsweg bei der spezifischen<br />

Freigabe nicht berücksichtigt<br />

wurde oder weil für ein bestimmtes<br />

Radionuklid kein Freigabewert festgelegt<br />

wurde), kann der Betreiber die<br />

Freigabe im Einzelfall (§ 37 StrlSchV)<br />

beantragen. Hier muss er durch eine<br />

auf die spezielle Situation bezogene<br />

Berechnung darlegen, dass für die<br />

betroffenen Reststoffe das Dosiskriterium<br />

„im Bereich von 10 Mikrosievert<br />

im Kalenderjahr“ aus § 31<br />

Abs. 2 StrlSchV entweder für alle<br />

möglichen künftigen Nutzungen, Verwendungen<br />

etc. eingehalten ist (das<br />

ist die ausdrücklich in § 32 Abs. 4<br />

StrlSchV geregelte Freigabe im Einzelfall<br />

als uneingeschränkte Freigabe)<br />

oder dass das Dosiskriterium – analog<br />

zur spezifischen Freigabe – bei einem<br />

konkret vorgesehenen Verwertungsoder<br />

Beseitigungsweg eingehalten<br />

wird.<br />

Für Bauschutt aus Kernkraftwerken<br />

könnte die Freigabe im Einzelfall<br />

etwa relevant werden, wenn<br />

die Einlagerung auf einer Deponie<br />

geplant wird, die die Voraussetzungen<br />

in Anlage 8 Teil C StrlSchV nicht<br />

erfüllt, oder wenn der Bauschutt als<br />

Bergversatz (siehe unten) verwendet<br />

werden soll.<br />

2 Schnittstelle von Atomrecht<br />

und Kreislaufwirtschaftsrecht<br />

Wie bereits dargestellt, richtet sich die<br />

Entsorgung (Verwertung oder Beseitigung)<br />

von Reststoffen, die durch Herausgabe<br />

oder Freigabe aus dem Atomrecht<br />

entlassen wurden, nach dem<br />

Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG).<br />

Das ist im Prinzip klar und einfach.<br />

Höchst interessante und durchaus<br />

praxisrelevante Rechtsfragen ergeben<br />

sich aber für Fälle der spezifischen<br />

Freigabe aus dem Umstand, dass die<br />

betreffenden Stoffe und Gegenstände<br />

einerseits freigegeben und damit aus<br />

dem Atomrecht entlassen sind, dass<br />

das Atomrecht ihnen andererseits<br />

aber noch gleichsam ein „Vermächtnis“,<br />

nämlich die Bestimmung für eine<br />

spezifische Entsorgungsart, in ihr neues<br />

Dasein unter dem Kreislaufwirtschaftsrecht<br />

„mitgegeben“ hat.<br />

Hierfür trifft § 11 Abs. 3 AtG (die<br />

Norm ist in § 68 Abs. 2 StrlSchG im<br />

Wesentlichen wörtlich aufgegriffen)<br />

eine Regelung. Er bestimmt für die<br />

Fälle, in denen – wie hier – die Freigabe<br />

eine Beseitigung der betreffenden<br />

Stoffe nach den Vorschriften des<br />

KrWG vorsieht, dass die Stoffe nach<br />

dem KrWG nicht wieder verwendet<br />

oder verwertet werden dürfen. Hintergrund<br />

ist, dass das KrWG zwischen<br />

Abfällen zur Verwertung und Abfällen<br />

zur Beseitigung unterscheidet und der<br />

Verwertung grundsätzlich den Vorrang<br />

einräumt (§ 7 Abs. 2 KrWG). 13<br />

Diese Bewertung und Vorrangregelung<br />

darf natürlich dann nicht vorgenommen<br />

werden, wenn Stoffe vom<br />

Atomrecht ans Kreislaufwirtschaftsrecht<br />

mit der – strahlenschutzrechtlich<br />

begründeten – Maßgabe übergeben<br />

werden, sie auf einem bestimmten<br />

Wege zu entsorgen. Das Kreislaufwirtschaftsrecht<br />

muss sich dann an<br />

diese Vorgabe halten.<br />

Auch § 40 StrlSchV regelt die<br />

Schnittstelle zwischen Strahlenschutzrecht<br />

und Abfallrecht bei der<br />

spezifischen Freigabe, die auf ein bestimmtes<br />

Entsorgungsziel gerichtet<br />

ist. Hiernach dürfen bei der nach<br />

StrlSchV zuständigen Behörde keine<br />

Bedenken hinsichtlich der abfallrechtlichen<br />

Zulässigkeit des vorgesehenen<br />

Verwertungs- oder Beseitigungsweges<br />

bestehen; die abfallrechtlich für die<br />

jeweils vorgesehene Verwertungsoder<br />

Beseitigungsanlage zuständige<br />

Behörde ist zu in<strong>for</strong>mieren und kann<br />

sich in das Verfahren einschalten.<br />

Interessant und vieldiskutiert ist<br />

der denkbare Fall, dass Reststoffe<br />

zwar im Einklang mit diesen Vorschriften<br />

spezifisch freigegeben wurden,<br />

aber dann aufgrund des Eintritts<br />

außergewöhnlicher Umstände ihr<br />

Entsorgungsziel nicht erreichen. Das<br />

wäre zum Beispiel der Fall, wenn Bauschutt<br />

zur Deponierung freigegeben<br />

wurde, die betreffende Deponie aber<br />

kurzfristig geschlossen wird oder den<br />

Bauschutt doch nicht annimmt. Die<br />

neue Regelung in § 33 Abs. 4 StrlSchV,<br />

wonach der Freigabebescheid (unter<br />

anderem) mit einem Widerrufs- oder<br />

Auflagenvorbehalt versehen werden<br />

kann, beruht auf solchen Überlegungen.<br />

Das geht aus der Begründung zur<br />

StrlSchV hervor: wenn sich herausstelle,<br />

dass die „Freigabe nicht erfolgreich<br />

durchgeführt werden“ könne,<br />

müssten die freigegebenen Stoffe wieder<br />

der atom- und strahlenschutzrechtlichen<br />

Aufsicht unterworfen<br />

werden. 14 Das soll durch den Widerrufsvorbehalt<br />

ermöglicht werden.<br />

Richtig ist, dass sich die Stoffe nach<br />

der Freigabe und vor dem Erreichen<br />

des Entsorgungszieles in einer Art<br />

Zwischenzustand befinden, in dem sie<br />

das oben schon erwähnte atomrechtliche<br />

„Vermächtnis“ eines definierten<br />

Entsorgungszieles mit sich tragen, das<br />

aber nicht aus dem – jetzt eigentlich<br />

anwendbaren – Kreislaufwirtschaftsrecht<br />

stammt und dort nicht durchgesetzt<br />

werden kann. Dieses Grundsatzproblem<br />

wird durch eine mit dem neuen<br />

Strahlenschutzrecht eingeführte<br />

Änderung beim System der Freigabewerte<br />

noch stärker betont: das bisherige<br />

Prinzip der „Deckelung“, wonach<br />

die Werte der (nach der alten StrlSchV)<br />

zielgerichteten Freigabe niemals<br />

höher waren als die Freigrenzen, ist<br />

ent fallen. Da nunmehr die Werte der<br />

uneingeschränkten Freigabe und die<br />

abgesenkten Frei grenzen identisch<br />

sind, können die gleichgebliebenen<br />

Werte für die spezifische Freigabe<br />

durchaus höher liegen als die Freigrenzen.<br />

15<br />

Der Bauschutt, der im<br />

obigen Beispiel nicht an die Deponie<br />

abgeliefert werden kann, könnte also<br />

theoretisch eine Aktivität aufweisen,<br />

die über der Freigrenze liegt. Auch aus<br />

diesem Grund ist eine „Verlängerung“<br />

der atomrechtlichen Aufsicht sinnvoll.<br />

16<br />

Ob der Widerruf der Freigabe in<br />

Fällen, in denen das Entsorgungsziel<br />

vereitelt wird, hierfür der richtige<br />

Ansatz ist, erscheint aber zweifelhaft:<br />

dadurch würden die Stoffe umgehend<br />

wieder zu radioaktiven Stoffen – mit<br />

allen (teils widersinnigen) Konsequenzen,<br />

die sich aus dieser „Zurückverwandlung“<br />

ergeben. 17<br />

Plausibler<br />

erscheint die Ansicht, dass hinsichtlich<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 211<br />

13 Siehe die amtliche Begründung zu § 11 Abs. 3 AtG, der durch das Änderungsgesetz vom 3. Mai 2000 eingefügt wurde, BT-Drs. 14/2443, S. 12.<br />

14 BR-Drs. 423/18, S. 372.<br />

15 Zum Wegfall der „Deckelung“ siehe die amtliche Begründung zur StrlSchV von 2018, BR-Drs. 423/18, S. 368 und S. 500.<br />

16 So Röller, Freigabe und Erfahrungen bei der Entsorgung freigegebener Stoffe, in: Feldmann/Raetzke/Ruttloff (Hrsg.), Atomrecht in Bewegung, 2019, S. 145 (153).<br />

17 Kritisch zu einer solchen mehrfachen Änderung des rechtlichen Status, die der Rechtssicherheit entgegenstehe, Schirra/Nüsser, Freigabe radioaktiver Stoffe – Rechtsund<br />

Vollzugsfragen aus Betreibersicht, in: Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 265 (274 ff.), und Ulrike Feldmann, Das neue Strahlenschutzgesetz<br />

und die Freigabe: Alles neu macht der Mai, <strong>atw</strong> 2018, S. 296 (298).<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Disposal of Dismantling Materials from <strong>Nuclear</strong> Facilities – A Legal Inventory ı Christian Raetzke

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