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atw International Journal for Nuclear Power | 04.2020

Title atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2020 Description Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

Title

atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2020


Description

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information.

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<strong>atw</strong> Vol. 65 (2020) | Issue 4 ı April<br />

c) Niedersachsen<br />

In einer Antwort auf eine mündliche<br />

Anfrage im niedersächsischen Landtag<br />

2015 41<br />

verwies der damalige<br />

Umweltminister Wenzel auf die Pflicht<br />

der örtlich zuständigen öffentlichrechtlichen<br />

Entsorgungsträger, also<br />

im Wesentlichen der Landkreise, den<br />

Bauschutt aus Kernkraftwerken anzunehmen.<br />

Systematische Bemühungen<br />

wie in Baden-Württemberg und in<br />

Schleswig-Holstein, die Beteiligten –<br />

ggf. unter Zugeständnissen in Form<br />

zusätzlicher Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen<br />

– zu einem Konsens<br />

über die Entsorgung zu bewegen, sind<br />

aus Niedersachsen bislang nicht bekannt<br />

geworden.<br />

d) Sachsen<br />

Der Blick auf den Freistaat Sachsen<br />

öffnet eine andere Perspektive:<br />

Sachsen hat selbst keine Kernkraftwerke,<br />

war jedoch „Empfängerland“<br />

für Bauschutt. Die StrlSchV sieht<br />

ausdrücklich die Möglichkeit einer<br />

Verwertung bzw. Beseitigung freigegebener<br />

Reststoffe in einem<br />

anderen Bundesland vor; §§ 39 und<br />

40 StrlSchV enthalten entsprechende<br />

Vorgaben zur Abstimmung zwischen<br />

den beteiligten Behörden. Bauschutt<br />

aus dem KKW Stade in Niedersachsen<br />

sollte auf Grundlage entsprechender<br />

privatrechtlicher Verträge ab 2014<br />

auf zwei sächsischen Deponien<br />

entsorgt werden; das sächsische Umweltministerium<br />

hatte nach dem (damaligen)<br />

§ 29 Abs. 2 S. 6 StrlSchV<br />

(heute § 39 Abs. 1 StrlSchV) das Einvernehmen<br />

erteilt. 42<br />

Daraufhin kam<br />

es jedoch zu örtlichen Protesten, die<br />

trotz einer Transparenzoffensive des<br />

sächsischen Ministeriums anhielten. 43<br />

Letztlich verzichteten die beteiligten<br />

Deponien 2015 auf eine Verlängerung<br />

der Verträge. 44<br />

In diesem Zusammenhang wurde<br />

auch thematisiert, ob es eine Verpflichtung<br />

gibt, Rückbaumassen im<br />

eigenen Bundesland zu entsorgen.<br />

Dass die StrlSchV Regelungen gerade<br />

für die länderübergreifende Entsorgung<br />

trifft, ist bereits erwähnt worden;<br />

eine Rechtspflicht zur Entsorgung<br />

im eigenen Bundesland gibt es<br />

daher eindeutig nicht. Von Sachsen<br />

wurde jedoch geltend gemacht, auf<br />

der 83. Umweltministerkonferenz am<br />

24. Oktober 2014 in Heidelberg hätten<br />

sich die Umweltminister auf einen<br />

entsprechenden politischen Grundsatz<br />

geeinigt. 45 Das wird aus anderen<br />

Bundesländern bisher nicht bestätigt.<br />

Der „Abschlussbericht“ aus Schleswig-<br />

Holstein von 2018 kennt eine solche<br />

Vereinbarung nicht, kommt hinsichtlich<br />

des Verbringens in andere Bundesländer<br />

aber zu einer abgewogenen<br />

Bewertung: Rechtlich stehe es den<br />

Betreibern der kerntechnischen<br />

Anlagen in jedem Fall frei, auch<br />

Deponien außerhalb Schleswig-<br />

Holsteins zu nutzen, soweit sich hier<br />

annahmebereite Deponien fänden;<br />

da an solchen Standorten aber<br />

möglicher weise die lokale Akzeptanz<br />

durch die Empfindung gemindert<br />

würde, hier wolle ein anderes Bundesland<br />

sein Entsorgungsproblem abwälzen,<br />

sei dies „keine primäre Option“. 46<br />

3 Bewertung und Ausblick<br />

Die rechtlich bestehende Annahmepflicht<br />

der zuständigen und geeigneten<br />

Deponien öffentlich-rechtlicher<br />

Entsorgungsträger ist von den Aufsichtsbehörden<br />

bislang nicht gegen<br />

örtlichen Widerstand durchgesetzt<br />

worden. Eine Vollziehung des geltenden<br />

Rechts in dieser Hinsicht als<br />

ultima ratio könnte sich letztlich<br />

als unumgänglich herausstellen. 47<br />

Allerdings ist es auch eine empirische<br />

Tatsache, dass politische Entscheidungsträger<br />

sich schwertun, eine<br />

Einlagerung gegen den Widerstand<br />

der örtlichen Bevölkerung und der<br />

jeweiligen Kommunen durchzusetzen.<br />

Natürlich ist es wünschenswert,<br />

dass es gelänge, eine weitgehende<br />

Akzeptanz seitens der Bevölkerung<br />

und der Kommunen herzustellen.<br />

Klare und transparente In<strong>for</strong>mation,<br />

wie sie in vielen Fällen von Kernkraftwerksbetreibern<br />

und Behörden zur<br />

Verfügung gestellt wird, ist hierfür ein<br />

wichtiger Baustein. Das Ziel, Akzeptanz<br />

zu gewinnen, liegt auch dem<br />

Ansatz der baden-württembergischen<br />

„Handlungsanleitung“ und der Vorzugsvariante<br />

„Deponie plus“ des<br />

„ Abschlussberichts“ aus Schleswig-<br />

Holstein zugrunde: durch zusätzliche<br />

Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen<br />

soll das Vertrauen in den Freigabeprozess<br />

und damit auch die Akzeptanz<br />

der Entsorgung freigegebener Abfälle<br />

auf Deponien gestärkt werden. Grundsätzlich<br />

ist es zu be grüßen, dass einige<br />

Landesregierungen hier initiativ<br />

geworden sind; auch ist der verfolgte<br />

Ansatz aller Ehren wert. Ob er zielführend<br />

ist, dazu stellen sich jedoch<br />

bei näherer Betrachtung und Überlegung<br />

und angesichts der bisherigen<br />

Erfahrungen Zweifel ein.<br />

Das Dilemma bei einem solchen<br />

Vorgehen besteht zunächst unausweichlich<br />

darin, dass damit die bestehenden<br />

Regelungen tendenziell als<br />

nicht ausreichend hingestellt werden.<br />

Das ist nicht gutzuheißen, denn die<br />

dichten und restriktiven Regelungen<br />

der StrlSchV gewährleisten sehr wohl<br />

die Einhaltung des Bagatellwerts von<br />

zehn Mikrosievert, der gesundheitlich<br />

unbedenklich ist; das ist bei den Vorarbeiten<br />

zur Strahlenschutzverordnung<br />

mit viel Aufwand bedacht und<br />

nachgewiesen worden. Es steht auch<br />

zu befürchten, dass Zusatzmaßnahmen<br />

zu einem Standard werden,<br />

hinter dem andere Akteure nicht<br />

zurückstehen können, obwohl sie es<br />

nach geltendem Recht dürften.<br />

Hinzu kommt: der erhoffte Vorteil,<br />

für den dies alles in Kauf genommen<br />

wird, tritt möglicherweise gar nicht<br />

ein; der Wunsch, durch die zusätzlichen<br />

Maßnahmen Vertrauen und<br />

Akzeptanz zu stärken, scheint sich in<br />

der Praxis nicht unbedingt zu erfüllen.<br />

Die fehlende Überzeugungskraft<br />

erscheint dabei durchaus nachvollziehbar:<br />

je mehr Sicherheitsvorkehrungen<br />

und Kontrollen man zusätzlich<br />

freiwillig „anbietet“, desto<br />

mehr gewinnt der Unbeteiligte den<br />

Eindruck, die betreffenden Stoffe<br />

müssten doch sehr gefährlich sein.<br />

Ein anschauliches Beispiel für die<br />

Schwierigkeiten der Überzeugungsbildung<br />

bieten auch die Erfahrungen<br />

aus Sachsen. Nachdem das sächsische<br />

Umweltministerium die erste Anlieferung<br />

von Bauschutt aus dem KKW<br />

Stade zu einer sächsischen Deponie<br />

mit einer öffentlichen Kontrollmessung,<br />

zu der alle Bürger und die Presse<br />

eingeladen waren, begleitet hatte und<br />

die Messung eine Aktivität weit unterhalb<br />

der Freigabewerte bestätigte,<br />

wurde von der Bürgerinitiative unterstellt,<br />

man habe für diese Lkw-Ladung<br />

ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 215<br />

41 https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/antwort-auf-die-muendliche-anfrage-MA23-133701.html.<br />

42 Röller (Fn. 16), S. 150 f.<br />

43 Ebenda, S. 151 f.<br />

44 Siehe Mitteilung des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 17.07.2015: https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/<br />

antwort-auf-die-muendliche-anfrage-wo-soll-der-freigemessene-bauschutt-aus-dem-kkw-stade-hin--135541.html.<br />

45 So die Stellungnahme des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft vom 15.05.2018, https://kleineanfragen.de/sachsen/6/13160-neuerbauschutt-aus-atomkraftwerken-akw-in-sachsen.<br />

46 Abschlussbericht (oben Fn. 38), S. 10.<br />

47 So auch der „Abschlussbericht“ aus Schleswig-Holstein (oben Fn. 38, S. 14 unter dem Stichwort „Zuweisung (‚Rückfallvariante‘)“.<br />

Energy Policy, Economy and Law<br />

Disposal of Dismantling Materials from <strong>Nuclear</strong> Facilities – A Legal Inventory ı Christian Raetzke

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