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»feine adressen – finest« Düsseldorf Edition I/2024

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46 a | finest health<br />

LONGEVITY<br />

Prof. Dr. med Dietrich Baumgart<br />

Vor 100 Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung<br />

bei ca. 50 Jahren. Heute liegt die Lebenserwartung dagegen<br />

bei knapp 90 Jahren, Tendenz steigend. Die bessere<br />

Hygiene und medizinische Versorgung der Bevölkerung<br />

hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Menschen älter<br />

werden und auch eine bessere Lebensqualität erleben. Die<br />

Erfahrung zeigt also, dass der Lebenszyklus des Menschen<br />

positiv von außen beeinflusst werden kann. Dies gilt aufgrund<br />

moderner medizinischer Erkenntnisse heute mehr<br />

denn je.<br />

In den letzten Jahren haben sich zunehmend mehr seriöse<br />

Forscher mit den Ursachen des Alterungs-Prozesses<br />

befasst und mehr und mehr Mechanismen aufgedeckt,<br />

die das Altern der Zelle positiv oder negativ beeinflussen.<br />

Der Alterungsprozess ist nicht nur ein Prozess der<br />

die Vitalität einschränkt, sondern auch über verschiedene<br />

Mechanismen zu chronischen Erkrankungen wie Herz-<br />

Kreislauferkrankungen, Krebs, Alzheimer-Demenz oder<br />

Diabetes führt. Tierversuche haben bereits vor Jahren<br />

den positiven Effekt der Kalorienreduktion im Sinne des<br />

Fastens auf die Lebenserwartung von Nagern gezeigt.<br />

Eine Kalorienreduktion um 60 % hatte eine Zunahme<br />

der Lebenserwartung um bis zu 50% zur Folge. Selbst eine<br />

Reduktion um 30% führte zu einem ca. 20% verlängerten<br />

Leben dieser Tiere (Miller Aging Cell 2005).<br />

Die Lebenserwartung ist durch die kürzere Lebensspanne der<br />

Tiere zwar ein klarer Messparameter in der Tierforschung<br />

<strong>–</strong> wenn wir allerdings den Alterungsprozess beim<br />

Menschen besser verstehen und messen wollen, dann<br />

brauchen wir leistungsfähige Biomarker, die uns verlässlich<br />

den Alterungsprozess anzeigen. Unser genetischer<br />

Code ist individuell in unserer DNA festgelegt und damit<br />

der Bauplan für unsere persönlichen Merkmale und<br />

Organstrukturen <strong>–</strong> ähnlich dem Architektenplan bei<br />

einem Hausbau. Darüber hinaus geht von dem festgelegten<br />

Bauplan auch eine Funktionalität aus, indem genetische<br />

Abschnitte zeitweise aktiviert oder abgeschaltet werden.<br />

Diese Funktionalität der Gene wird als Epigenetik bezeichnet.<br />

Wir sind heute in der Lage, die epigenetische Funktion<br />

zu erfassen. Einer der vielversprechendsten Biomarker<br />

in dieser Hinsicht ist die Messung der sog. Methylierung<br />

von Genabschnitten. Die DNA Methylierung ist ein epigenetischer<br />

Mechanismus, der eine wichtige Rolle bei der<br />

Regulation der Genexpression, bei der Organentwicklung<br />

und bei der Entwicklung von Krankheiten spielt (Cavalli<br />

Nature 2019). Der Alterungsprozess beinhaltet zwei wesentliche<br />

Veränderungen: 1. Der epigenetische Drift, bei dem sich<br />

die genetische Funktion im Laufe der Zeit durch innere und<br />

äußere Einflüsse mit dem Alter teils zufällig verändert und<br />

zu einer veränderten Zellarchitektur und Zellkomposition<br />

führt und 2. die epigenetische Uhr, bei der der Grad der<br />

Methylierung das biologische Alter anzeigt, welches durchaus<br />

in positiver wie auch in negativer Richtung vom chronologischen<br />

Alter abweichen kann.<br />

Die »epigenetische Uhr« ist ein attraktiver Biomarker, der in<br />

verschiedenen humanen Geweben angewendet werden und<br />

der vor allem durch positive und negative Einflüsse verändert<br />

werden kann. Solch eine biologische Altersbestimmung<br />

kann heute durch eine einfache Blutentnahme oder einen<br />

Speicheltest von spezialisierten Laboren geleistet werden. In<br />

der Zwischenzeit sind eine große Zahl von Alters-assoziierten<br />

und Umwelt-assoziierten Veränderungen (Methylierungen)<br />

identifiziert worden. Einer der offensichtlichen Schädigungen<br />

des menschlichen Organismus ist das Rauchen. Heute ist es<br />

durch die epigenetische Analyse möglich, die Schädigung<br />

des Rauchens an den Genstrukturen durch die Messung der<br />

oben genannten Methylierung zu messen und die genauen<br />

Mechanismen der weiteren Zellschädigung zu erfassen. Diese<br />

Messungen zeigen, dass die Schädigung des Rauchens individuell<br />

unterschiedlich sein kann. Wenn Menschen aufhören zu<br />

rauchen, kann die Schädigung im besten Fall nur 5 weitere<br />

Jahre oder auch Jahrzehnte anhalten.<br />

So wie die genetische Funktion durch äußere Einflüsse geschädigt<br />

werden kann, so kann die genetische Funktion auch<br />

durch gesunde Maßnahmen, sowie durch Medikamente und

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