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Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange

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Gebote, manches auch nicht. War dann einfach alles, was geschah, erbeten oder<br />

nicht, und sogar das den Wünschen des Beters Zuwiderlaufende Gottes Wille<br />

(worauf Kreffel die Klausel ‚nicht mein, sondern dein Wille geschehe’ zu deuten<br />

schien)? Machte dann das Gebet überhaupt einen Unterschied? Kreffel erschien<br />

diese Überlegung nicht unfromm und vor allem nicht unrichtig. Unfromm nicht,<br />

weil die Selbstauskunft des Gottes der Religion auf die Frage, wer er denn sei,<br />

Kreffel genau darauf hinauszulaufen schien. Lautete sie doch: ‚Ich werde sein, der<br />

ich sein werde’ (Kreffel hatte sich belehren lassen, dass die Sprache, in der diese<br />

Selbstauskunft gegeben worden sein sollte, hier eher die Zukunftsform gebraucht<br />

als die Gegenwartsform des sprichwörtlichen ‚Ich bin, der ich bin’.) Mit der<br />

Zukunftsform schien sich Gott in seiner Selbstauskunft einfach mit dem<br />

weitergehenden Geschehen gleichzusetzen, mit allem Geschehen. Und das war ja<br />

auch als konsequent verständlich, wenn Gott alles Mögliche und damit auch, als<br />

Teil dessen, alles Wirkliche war. Dann aber mochte zwar Gottes Wille der Sinn<br />

der Welt und des Lebens sein, aber die Frage, sofern sie sich auch auf das<br />

tatsächliche Geschehen, nicht nur die Vorschriften für das Geschehen, Gottes in<br />

seinen Geboten ausgedrückten Willen bezog, war ja dann mit der Auskunft der<br />

Religion gar nicht beantwortet – worin besteht denn der Sinn von allem, was nach<br />

Gottes Willen geschieht? Das war nach wie vor eine offene Frage. Die Antwort,<br />

darin, dass es Gottes Wille ist, führte einen und also auch Kreffel gar nicht weiter<br />

und machte ihm klar, dass gar nicht klar war, wonach die Frage nach dem Sinn<br />

von allem fragte. Die Antwort der Religion auf diese Frage konnte also für Kreffel<br />

– und Kreffel dachte: nicht nur für ihn – jedenfalls nicht am Anfang stehen und ob<br />

sie in seinen Nachgedanken irgendwann am Ende stehen könnte, das ließ Kreffel,<br />

als er in seinen Nachgedanken bis an diesen Punkt gelangt war, erst einmal auf<br />

sich beruhen. Denn problematisch an Welt und Leben war nicht erst, was man<br />

ihren Sinn nennt, sondern schon, wonach gefragt wird, wenn nach dem Sinn von<br />

Welt und Leben gefragt wird. So kam Kreffel zu der Frage nach dem Sinn oder der<br />

Bedeutung von ‚Sinn’ in der Frage nach dem Sinn von Welt und Leben. Und diese<br />

Frage versuchte er durch Ausprobieren zu klären – indem er überlegte, was man<br />

sonst alles den Sinn von etwas nannte und inwiefern das auf den Sinn von Welt<br />

und Leben passte oder nicht passte.<br />

Kreffel fand grundsätzlich vier Möglichkeiten, vom ‚Sinn von etwas’ zu sprechen.<br />

Der Uhrzeigersinn ist ein Sinn – die Richtung, in der der Uhrzeiger läuft. Was<br />

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