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Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange

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Zunächst kann man die Unterscheidung dadurch schärfen, dass man Ereignisse als<br />

durch Veränderungen definiert auffasst. Dann kontrastiert ein Ereignis als die<br />

Veränderung von etwas mit einem Prozess als der unveränderten Dauer von<br />

etwas. Auf die mangelnde Trennschärfe der Unterscheidung führt dann die<br />

Überlegung, dass Veränderungen zwar manchmal plötzlich, zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt, erfolgen, oft aber ‚Zeit brauchen’, d.h. eine gewisse Zeit andauern. Auf<br />

der anderen Seite fangen viele Prozesse an (wie ein Leben in der Geburt) und<br />

enden auch wieder (wie ein Leben im Tod) und diese beiden formalen<br />

Rahmendaten von Prozessen, Anfang und Ende, sind Ereignisse/Veränderungen<br />

(der Anfang von einem Zustand ohne den Prozess in einen, in dem er vor sich<br />

geht; das Ende in einen Zustand, in dem der Prozess nicht mehr weitergeht).<br />

Diese Überlegung, dass Ereignisse auch Prozesse sein und jedenfalls solche<br />

begrenzen können, macht die Unterscheidung aber nicht überflüssig. Einen<br />

Aspekt der Unterscheidung hat zuerst der größte antike Philosoph in einem auf<br />

Handlungen und Tätigkeiten eingeschränkten Kontext getroffen in Form der<br />

Unterscheidung zwischen unvollendeten und vollendeten Bewegungen,<br />

Handlungen (poieseis) und Tätigkeiten (praxeis). Handlungen haben ein<br />

sinngemäßes Ende aus sich selbst – wenn ich ans andere Ufer schwimmen will,<br />

kann ich, am andern Ufer angelangt, nicht weiter schwimmen; wenn ich ohne ein<br />

Ziel schwimme, nur um mich körperlich zu ertüchtigen, dann hat das Schwimmen<br />

aus sich heraus kein schon bestimmtes zeitliches Ende. Angesichts der<br />

Unterscheidung zwischen Ereignissen und Prozessen anhand der Fragen ‚wann?’<br />

und ‚wie lange?’ erweist sich der Fund des antiken Großen als auf einer<br />

fundamentalen Dualität im Zeitbegriff beruhend. Als Prozesse bestimmen wir<br />

zeitliche Begebenheiten, wenn und indem wir von dem Umstand absehen, dass sie<br />

vielleicht einen Anfang gehabt haben und vermutlich ein Ende haben werden –<br />

das interessiert uns bei typischerweise als Prozessen bestimmten zeitlichen<br />

Begebenheiten nicht. Beispiele wären Regen in einem bestimmten Landstrich<br />

oder eine Krankheit. Auf der anderen Seite beachten wir an als Ereignissen<br />

aufgefassten zeitlichen Begebenheiten oft zunächst nicht, dass sie nicht plötzlich<br />

erfolgen, sondern prozessual ausgedehnt sind. Ein grammatisches<br />

Unterscheidungskriterium des antiken Großen für seine engere<br />

handlungstheoretische Unterscheidung liegt in dem verschiedenen Verhältnis der<br />

Tempora der Verben für unvollendete Bewegungen/Ereignisse/ Handlungen bzw.<br />

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