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Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange

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Von diesem Urgroßvater hat Kreffel erst mehr erfahren, als er kürzlich einen<br />

späteren runden Geburtstag feierte und eine Verwandte ihm einen Nachruf auf den<br />

Vorfahren schickte samt einem Lebensbild der Witwe und einem gedruckten<br />

Vortrag des Verewigten vor einem Lehrerbildungsseminar – über das Problem der<br />

Willensfreiheit. Der Nachruf auf den Vorfahren hat Kreffel mehr interessiert als<br />

der Vortrag vom Fach. Der Vorfahre war am Ende des ersten großen Krieges<br />

gestorben, aber nicht am Krieg, sondern an den Folgen einer Tumoroperation. Der<br />

Nachruf hat diesen Tod doch mit dem Krieg in einen Zusammenhang gerückt – der<br />

große Schnitter sei eben unersättlich und ernte auch an der Heimatfront. Der<br />

Nachrufer, der so begann, fuhr unter anderem so fort: Wer noch Sinn hatte für<br />

kindliche Reinheit des Gemüts, für Pflichtbewusstsein und Redlichkeit der<br />

Gesinnung, habe sich dem Zauber der Persönlichkeit des Verewigten nicht<br />

entziehen können. Als ein einfacher Mensch, einfach von Herkommen,<br />

Lebensweise und Art; als ein aufrechter Mensch, gerade in Haltung, Gesinnung<br />

und Tat; als ein guter Mensch, warmherzig in Familie, Leben und Amt: So steht<br />

der Geliebte vor uns, so bleibt er in uns leben ewiglich. Er sei ein Segen für viele<br />

geworden, weil ihm mit der Berufung in das Amt eines Geheimen Rates bei der<br />

Schulaufsicht ein großer Wirkungskreis gegeben worden sei – da habe sich seine<br />

gottgeschenkte Kraft gezeigt. Mit den Prüfungsordnungen für seine Lehrfächer<br />

habe er der Oberrealschule Grundlage und Wert geschaffen; der gesamten Jugend<br />

vor allem durch die Pflege der Turnspiele und Wanderungen genützt. Auch er<br />

selber habe noch als Staatsbeamter in Reih und Glied an deutschen Turnfesten<br />

teilgenommen. Bei einer Schulweihe habe der Verewigte ausgeführt, der Geist der<br />

Straffheit, des rastlosen Fleißes und der unbedingten Zuverlässigkeit vor allem<br />

solle in den geweihten Räumen heimisch sein – daneben aber auch die Liebe zu<br />

einer reichen Innenwelt hoher Gedanken und freundlicher Gefühle. Außerdem<br />

betonte der Nachrufer mehrfach die unbeugsame vaterländische Gesinnung des<br />

Verewigten, der den Sieg seines Landes im großen Völkerringen auch deshalb<br />

herbeisehnte, weil man sich doch einmal vorstellen möge, was mit der deutschen<br />

Schule geschehe, falls die Engländer siegen würden. Neben dieser Eulogie nahm<br />

sich das Lebensbild der Witwe für Kreffel ein wenig blass aus. Nur dass bei einer<br />

Turnfahrt in den Sachsenwald die fröhliche Schar in Begleitung des Verewigten<br />

vom kaiserlich zwangspensionierten eisernen Reichskanzler Bismarck empfangen<br />

wurde und es ein Höhepunkt in seinem Leben wurde, dass er Hand in Hand und<br />

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