Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange
Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange
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oft über seine Gedanken gesprochen. Mit einem von ihm ansonsten verabscheuten,<br />
skrupellosen Politiker war Kreffel in dem einig, was dieser zu einer seiner<br />
Lieblingsbeschäftigungen erklärte – mit der eigenen Frau zu ratschen. Seine Frau<br />
kannte also seine Gedanken im Großen und Ganzen. Wenn sie die Form, die<br />
Kreffel ihnen hier gab/gegeben hat, trotzdem interessant genug für eine<br />
Fortsetzung fand, dann hatte das nicht trotz, sondern wegen genauer Kenntnis auf<br />
Grund von Zuneigung Gewicht. Kreffel jedenfalls fühlte sich ermutigt und auch<br />
nicht behindert durch das eine Bedenken, das seine Frau geäußert hatte – es sei<br />
nicht ganz klar, ob er über seine Gedanken oder über sein Leben schreiben wollte<br />
– gerade im Blick auf die vor dem letzten . berichtete Absichtsäußerung. Er<br />
dachte: Wenn sein Leben wesentlich in seinen Gedanken bestand(en hatte), dann<br />
durfte er, über sie in der Form von Nachgedanken berichtend, auch über sein<br />
Leben schreiben, wenn er sich nicht völlig in Autobiographie verirrte. Den<br />
Kontext der Fassung seiner Gedanken auch hinsichtlich der kontingenten<br />
lebensgeschichtlichen Zustände und Vorgänge zu formulieren, schien ihm sogar<br />
ein probates Mittel gegen die Erzeugung des Anscheins einer der Ratifikation<br />
durch das selbst Nachdenken der Leser unbedürftigen Objektivität. Und außerdem<br />
fand Kreffel das Bedenken seiner Frau ein wenig unfair. Sie hatte nämlich,<br />
nachdem er seine Gedanken unter einem sozial für ihn gebräuchlichen Namen in<br />
anderer Form als hier / in der Form von Nachgedanken aufgeschrieben hatte,<br />
einzuwenden gehabt, das alles sei ja möglicherweise richtig und insofern schön<br />
und gut, aber nicht, wie beabsichtigt, auch außerhalb der Philosophie verständlich.<br />
Daher sollte Kreffel sich um eine verständlichere Form bemühen. Und eben das tat<br />
Kreffel hier – und nun sollte ihr das auch wieder nicht recht sein? Das sollte sie<br />
dann nach der Fortsetzung hier noch einmal sagen.<br />
Die beiden ‚Dinge’, die neben dem Nachdenken Kreffel sein Leben nicht nur<br />
annehmbar und insofern sinnvoll, sondern wünschens- und lebenswert haben<br />
werden lassen, waren die Beziehungen zu andern, insbesondere Frauen, und die<br />
Musik, insbesondere selbst gemachte. Die Frauen kamen zuerst. Auch zeitlich. Als<br />
kleiner Junge ist Kreffel vornehmlich unter drei Frauen aufgewachsen – seiner<br />
jungen, bei seiner Geburt 19jährigen Mutter, ihrer sieben Jahre älteren Schwester<br />
und deren beider Mutter, seiner Großmutter. Männer kamen in dem Haushalt der<br />
Frauen nur am Rande vor – der der Großmutter war tot (als politisch und ‚rassisch’<br />
Verfolgter von seinen Verfolgern nach sieben Jahre langer Haft mittels einer<br />
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