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Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange

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egann mit einer Sonate in h-moll von Domenico Scarlatti und dieses Stück aus<br />

dem Klaviernachmittag des berühmten Pianisten (neben einer Reihe anderer, nicht<br />

aller – einige blieben zu schwer) hat er zuerst spielen gelernt. Er spielte für sein<br />

Leben gern, aber es war und blieb für ihn rätselhaft, warum eigentlich. Nun konnte<br />

er sich nachdenkend klar machen, dass für eine Handlungsweise zu sagen, man<br />

vollziehe sie, weil man sie gerne mache, ein Ende der Begründung bedeutete –<br />

mehr lässt sich begründend nicht sagen und weitere Auskünfte elaborieren die<br />

Begründung nur in verschiedenen Hinsichten. Aber es lässt sich natürlich fragen,<br />

woran denn im Einzelnen es liegt, dass man es gern macht – das ist eine Frage<br />

nach Erklärungen, nicht Begründung. Und darauf bezog sich die Rätselhaftigkeit.<br />

Ein neues Stück auf dem Klavier zu studieren, ließ Kreffel oft stundenlang ganz<br />

konzentriert übend beschäftigt sein, er vergaß die Zeit darüber (und hatte hinterher<br />

oft ein schlechtes Gewissen darüber, so viel Zeit damit verbracht zu haben). Die<br />

taktile und manuelle Erfahrung, den Text des Stücks in geordnete, geschmeidige<br />

Bewegungen der Finger, Hände, Arme und Rücken zu transformieren, so dass sich<br />

ein befriedigender Klang ergibt, war etwas, das schwer genauer zu beschreiben<br />

war, worüber man sich aber mit anderen Klavierspielern durch wenige<br />

Andeutungen leicht und schnell verständigen konnte. (Man spielt Klavier mit dem<br />

ganzen Körper, nicht nur mit den Fingern – das war falsch an der beiläufigen<br />

Formulierung seines philosophischen Lehrers, Klavierspielen sei ein Tanz der<br />

Finger; nur mit den Fingern spielt man Klavier schlecht. Aber wenn der Akzent<br />

des Gleichnisses auf dem Wort ‚Tanz’ liegt und an die enorme<br />

Bewegungsdisziplin von Tänzern, deren Anstrengung im Ausüben ihrer Kunst<br />

unsichtbar wird, zu denken ist, dann ist an dem Gleichnis sehr viel richtig). Wenn<br />

die Hände, Finger, Arme und Körperhaltung durch hinreichendes Üben beweglich<br />

und geschmeidig, aber auch kräftig genug geworden sind, und rechte und linke<br />

Hand voneinander unabhängig genug, kann man bei Berührung der Tasten die<br />

Vibration der Saiten nach Auslösung der die Töne erzeugenden Filzhämmer der<br />

Klaviermechanik spüren und diesen rückkoppelnden Reiz zur Formung des Klangs<br />

ex ante anzielen und ausnutzen – das Geheimnis klangschönen Klavierspiels<br />

(‚kantabel’ war der Ausdruck des ersten ganz großen Klavierkomponisten dafür)<br />

ist der indirekte Anschlag, d.h. die Auslösung der Taste erst nach gewonnener<br />

Berührung mit der Tastenoberfläche, so dass der Ton nicht eigentlich<br />

angeschlagen, sondern durch sanften Druck ausgelöst wird, auch wenn das in sehr<br />

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