Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange
Kreffels Ruminationen - Ernst Michael Lange
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Stücke wohl vor allem ein Fall von und ein Ausdruck für Freude an der Betätigung<br />
eigener Fähigkeiten (aber auch die Freude auszudrücken muss nicht der Grund für<br />
ihre Ausübung sein). Den Klang zu genießen ist vermutlich nicht der Grund für<br />
das selbst Spielen, denn man hört sich selbst als Spieler nicht, wie man andere hört<br />
und im Hören anderer Klang und Musik genießt. Auch die Vorstellung, dass einem<br />
zugehört wird und dass man für sein Spiel Anerkennung erwirbt, kann, muss aber<br />
nicht der Grund sein – für das Spiel von Dilettanten ist er das sehr oft nicht. Sie<br />
machen es gerne, auch wenn sie niemand anderen zuhören lassen wollen, weil sie<br />
wissen, dass sie es nicht gut genug tun, um anderer Aufmerksamkeit zu<br />
beanspruchen. Gerade als Dilettant (eigentlich ein unpassender Ausdruck, weil er<br />
sich durch seinen Gegensatz zum ‚Kenner’ definierte und geübte Klavierspieler als<br />
Nichtprofessionelle doch durchaus ‚Kenner’ sind, eben kennende, kundige<br />
Dilettanten) wird man aus Liebe (Freude am Dasein) der Klaviermusik oft auch<br />
solche hören und die avancierte Technik der Tonaufzeichnungen macht es ja<br />
möglich, die Besten des Fachs immer wieder hören zu können. Im Verhältnis zu<br />
dieser Erfahrungsmöglichkeit ist das selbst Spielen (einiger) der Stücke, die man<br />
so viel besser gespielt hören kann, ein viel genaueres kennen Lernen der Stücke.<br />
Außerdem nimmt man an einer von vielen geübten Kunstpraxis teil und hat so<br />
auch die Erfahrung der Gemeinsamkeit mit diesen vielen durch Einordnung in die<br />
von allen geübte Praxis. Das ist das Moment, das oft die Entmutigung durch die<br />
Makellosigkeit der professionellen Einspielungen der Klavierliteratur<br />
konterkarieren kann und muss. Seine Liebe zur Musik hat Kreffel auch die<br />
Bekanntschaft und Nähe von professionellen Musikern suchen lassen – und dass<br />
diese oft die reine Freude am Spielen verloren haben, weil es bei ihnen<br />
Arbeitscharakter haben muss, was sich ihm daran zeigte, dass sie eben nicht mehr<br />
zum Vergnügen spielen, in ihrem Urlaub beispielsweise kein Instrument sehen<br />
wollen und ihre Mitspieler meiden, war ein Trost über die bleibende eigene<br />
Unvollkommenheit als Spieler. Dass ihm sein georgischer letzter Klavierlehrer<br />
(der schon als Kind im Rundfunk seines Landes Konzerte des berühmtesten<br />
Klavierwunderkindes der Musikgeschichte gespielt hatte und doch als<br />
Klavierlehrer seinen Unterhalt verdienen musste) einmal gestanden hat, wenn er<br />
noch einmal wählen könnte, würde er es eher wie Kreffel machen wollen mit der<br />
Musik, war ein weiterer großer Trost. Der größte Trost aber war stets die Musik<br />
selbst – wenn Kreffel morgens nach dem Frühstück ein bis zwei Stunden Klavier<br />
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