Handwerk in Bremen - Handwerkskammer Bremen

NAMEN & NOTIZEN
Seine Sammlung
alter
mechanischer
Waagen zeigte
Siegfried Austel
vor einiger Zeit
im Schloss
Schönebeck.
Buten und binnen – wagen un winnen“,
so steht es über dem Eingang
des Schütting und zugleich für bremische
Lebensart. Siegfried Austel,
Mechanikermeister in Bremen-Walle, hat
das Motto für sich und sein Leben ein
wenig abgeändert und ist damit im jetzt
vierten Jahrzehnt glücklich und zufrieden.
Das „Draußen und Drinnen“ ist bei
ihm der Hafen, sind Einzelhandelsgeschäfte,
Apotheken, Fleischereien, Bäckereien
– und seine kleine Werkstatt
zuhause in der Helgolander Straße. Beim
„Wagen und Gewinnen“ hat er ein „a“
hinzugefügt, denn Waagen sind Siegfried
Austels eigentlicher Lebensinhalt.
„Ich habe bei Bizerba gelernt“, erzählt er,
„dem Mercedes unter den Waagen.“
Nach Lehre und Gesellenzeit in den
1970er Jahren kam die Meisterausbildung
in Oldenburg, die Austel im Kreis
von Schlosser- und Mechanikermeistern
in der Sparte Waagenbauer absolvierte.
Schnell folgte die Selbständigkeit und
der Start mit dem eigenen Geschäft.
Damit hatte sich Siegfried Austel
dann auch seinen Lebenstraum erfüllt.
„Zuhause arbeiten zu können, sich seine
Zeit einzuteilen und für den Erfolg
selbstverantwortlich zu sein, war mein
Ziel“, sagt er. In den über drei Jahrzehnten
von der Firmengründung bis heute
hat sich einiges geändert. „Die größte
Veränderung war dabei die Einführung
der elektronischen Waagen“, sagt Austel.
Die leuchtend bunten Ziffern auf den
Displays dieser Waagen läuteten des
Ende der Mechanik im Waagenbau ein.
Doch war das nicht das Ende für Sieg-
32 | Handwerk in Bremen 2/2010
WAAGEN UND WINNEN
Siegfried Austel ist einer der letzten Waagenbauer. Der Mechanikermeister
aus Bremen-Walle beschäftigt sich auch in der Freizeit mit Waagen.
fried Austels Betrieb: „Zu reparieren gibt
es immer noch genug“, sagt er und zeigt
auf die Personen- und Lebensmittelwaagen,
die in der Werkstatt stehen, um
repariert zu werden. Ebenso gibt es eine
Reihe von Baumwoll- und Kaffeeewaagen
im Hafen, die von Austel regelmäßig
gewartet oder vor Ort repariert werden.
„Der Hafen ist mir ein weiteres Zuhause
geworden“, berichtet Austel und fügt
während er an seiner Pfeife zieht hinzu:
„ich bin sogar der Einzige, der im Hafen
rauchen darf“.
Noch bis vor kurzem gehörte die
große mechanische Hafenwaage, mit der
ein- und ausfahrende LKW gewogen
wurden, zu den von Austel betreuten
Waagen. Doch inzwischen ist sie stillgelegt
und von einer neuen, elektronischen
abgelöst. „Da gibt’s dann nicht mehr viel
zu reparieren, da reicht es, ein Bauteil
auszuwechseln, wenn mal was nicht
funktioniert.“ Das wird von Siegfried
Austel zwar auch gemacht, doch kann es
ebenso von jedem anderen durchgeführt
werden. Bei den alten mechanischen
Waagen dagegen „muss man alt aussehen“,
sagt Austel und meint: einen Berg
an Erfahrung haben. Die hat er, womit
sich denn auch der letzte Teil des Sinnspruchs
erklärt, das Gewinnen. „Ich will
zwar nicht reich werden, aber mein Auskommen
haben“, sagt Siegfried Austel.
Und das hat beim Meister der mechanischen
Waagen immer noch für ein zufriedenes
Leben gereicht.
Die Arbeitswelt von Siegfried Austel
spielt sich im Bereich der wenigen Milligramm
einer Apothekerwaage und den
bis zu 50, 60 Tonnen einer Fahrzeugwaage
ab. Dazwischen liegen Personenwaagen,
die er für Arztpraxen und Krankenhäuser
repariert, und die vielen
mechanischen Waagen, die in kleinen
Betrieben, auf Märkten und in Lagern
stehen. Manche haben ganz spezielle
Aufgaben, wie etwa die Münzwaagen,
die früher von Banken zum Geld zählen
eingesetzt wurden und heute nur noch
äußerst selten sind. Bei den Personenwaagen
nutzt Austel einen Trick, mit
dem er die Funktion auf einen Blick
erkennt: „Ich bin 1,75 Meter groß und 75
Kilogramm schwer, und das seit Jahren
unverändert, da brauch’ ich mich nur kurz
auf die Waage zu stellen, um zu sehen, ob
sie funktioniert.“ Ganz genau wird dann
die Waage mit Eichgewichten justiert.
„Und meine Eichgewichte muss ich
regelmäßig wie ein Auto beim TÜV, beim
Eichamt überprüfen lassen.“
Auch nach Feierabend lassen die Waagen
Siegfried Austel nicht los. Da baut er
kleine Tafelwaagen als Schmuckstück für
den Wohnzimmerschrank und beschäftigt
sich mit seiner inzwischen recht
umfangreichen Sammlung alter mechanischer
Waagen. „Ich hatte zuletzt eine
Ausstellung mit meinen Waagen im
Schloss Schönebeck“, berichtet er, „und
habe dort auch Vorträge über Waagen
gehalten.“ Demnächst steht eine Ausstellung
im Bremer Hafenmuseum an.
Es gibt also auch neben der eigentlichen
Arbeit genug zu tun. Und wenn
doch einmal nicht, dann geht Siegfried
Austel auf den Fußballplatz. Er ist in seiner
Freizeit nämlich auch noch Trainer
beim Rotenburger SV.