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Eva-Maria Michel,<br />
Foto: WDR/Hajo Hohl<br />
ie Vorfälle rund um die Bavaria AG und ih-<br />
Dre Töchter haben das Thema Product Placement<br />
und Schleichwerbung in die öffentliche<br />
Diskussion gebracht. Product Placement ist einerseits<br />
zulässig, wenn das Vorzeigen eines Produkts<br />
aus dramaturgischen oder redaktionellen<br />
Gründen „unvermeidlich“ ist. Andererseits ist es<br />
verboten, wenn es <strong>als</strong> „unangemessener“ Hinweis<br />
auf ein Produkt eingesetzt wird. Die Grauzonen<br />
sind zahlreich, der rechtliche Rahmen ist<br />
kompliziert. Zur Aufklärung und zur Versachlichung<br />
der Debatte sprachen Peter Hanemann<br />
und Wolfgang Hippe mit Eva-Maria Michel. Sie<br />
ist seit 1997 die Justiziarin des Westdeutschen<br />
Rundfunks.<br />
Die Öffentlichkeit ist durch den Skandal<br />
rund um die Bavaria und ihre Töchter<br />
aufgeschreckt worden. Wenn man einem<br />
Teil der veröffentlichten Meinung<br />
glauben darf, gehört Schleichwerbung<br />
fest zur Medienbranche.<br />
Das ist uns auch immer wieder entgegen<br />
gehalten worden. Wir können das nicht bestätigen.<br />
Die Produzenten, die wir angeschrieben<br />
haben, haben uns ohne Einschränkung versichert,<br />
dass sie keine Schleichwerbung betreiben<br />
oder betrieben haben. Mit dieser Rückversicherung<br />
können wir mit diesen Produzenten<br />
auch in Zukunft zusammenarbeiten.<br />
Dennoch sehen sich Produzenten unter<br />
Generalverdacht gestellt. Der MDR<br />
z.B. hat bei über 300 Produktionsfirmen<br />
nachgefragt. Sind Sie auch so verfahren?<br />
Der WDR hat nicht alle Produzenten in<br />
NRW abgefragt, sondern nur die, mit denen er<br />
NRW in Finnland<br />
Noch bis zum Jahresende präsentiert NRW im<br />
Rahmen des Kulturdialogs NRW@Fi 2005 in<br />
Finnland die Vielfalt von Kunst und Kultur an<br />
Rhein und Ruhr. Die <strong>Filmstiftung</strong> NRW übernimmt<br />
es, das Bundesland im Rahmen des<br />
Helsinki Film Festiv<strong>als</strong> <strong>als</strong> internationalen<br />
Filmproduktionsstandort vorzustellen. So gibt<br />
es eine Case Study zu der europäischen Koproduktion<br />
„Dear Wendy” (s.a. S. 31), deren<br />
Entstehung ihre Produzenten erläutern. Außerdem<br />
werden u.a. Thomas Durchschlags<br />
Drama „Allein“ und die <strong>Dokument</strong>ation „Massaker”<br />
gezeigt. In Helsinki sollen bestehende<br />
Beziehungen intensiviert, neue Kontakte hergestellt<br />
und das Netz zwischen beiden Filmländern<br />
noch enger geknüpft werden. Das umfangreiche<br />
Programm von nrw@fi gibt es unter<br />
www.nrw.fi, das des Helsinki Film Festiv<strong>als</strong><br />
unter www.hiff.fi<br />
NRW@FI Koordination,<br />
ruohonen@helsinkifestival.fi<br />
<strong>Filmstiftung</strong> NRW, Tel. (0211) 930500;<br />
info@filmstiftung.de<br />
10<br />
Interview mit WDR-Justiziarin<br />
Eva-Maria Michel zum Thema Schleichwerbung<br />
„Es gibt klare Regeln“<br />
regelmäßig zusammenarbeitet. Der Schwerpunkt<br />
lag dabei bei den Produzenten von Ratgeber-<br />
und Service-Sendungen, die aus unserer<br />
Sicht besonders anfällig für Product Placement<br />
sind. Im Bereich Fiction waren es fünf Firmen,<br />
bei Ratgebern und Service 18. Ich verstehe<br />
im Übrigen die Aufregung nicht. Wir haben niemanden<br />
unter Generalverdacht gestellt, sondern<br />
uns wie ein vernünftiger Kaufmann verhalten,<br />
der nachprüft, ob man ihm faule Ware untergeschoben<br />
hat. Schließlich gibt es klare Regeln.<br />
Schleichwerbung ist eindeutig verboten,<br />
beim Placement von Waren und<br />
Themen ist es etwas komplizierter.<br />
Im Rundfunkstaatsvertrag ist eine Legaldefinition<br />
von Schleichwerbung enthalten, deren<br />
Handhabung bei den einzelnen Sendern<br />
durch konkrete Richtlinien ausgestaltet ist. Bei<br />
der ARD sind es die „Richtlinien zur Trennung<br />
von Werbung und Programm“, entsprechendes<br />
gibt es beim ZDF und bei den Landesmedienanstalten<br />
für die Privaten. Hinzu kommen Programmgrundsätze<br />
und Selbstverpflichtungen,<br />
die in Zweifelsfällen und Grauzonen helfen sollen.<br />
Aber man kann nicht alles regeln. Am Ende<br />
muss der Redakteur bei der Abnahme die<br />
Entscheidung treffen, ob diese Regeln verletzt<br />
sind oder nicht. Das können zum Teil schwierige<br />
Einzelfallentscheidungen sein.<br />
Haben die Vorfälle rund um die Bavaria<br />
den Blick geschärft?<br />
Natürlich. Im Einzelnen wird es immer wieder<br />
Fälle geben, die so oder so betrachtet werden<br />
können, je nachdem, ob man die Regeln<br />
extensiv oder eher restriktiv auslegt. Diese Spielräume<br />
werden wir sehr, sehr kritisch beobachten<br />
und im Zweifel nachfragen.<br />
Im Fernsehen ist in den ausgestrahlten<br />
Kinofilmen weiterhin Product Placement<br />
zu sehen. Wie verträgt sich das?<br />
Das Verbot der Schleichwerbung leitet sich<br />
aus dem Rundfunkstaatsvertrag ab und adressiert<br />
sich deshalb an die Fernsehveranstalter. Hintergrund<br />
dieser Regelung ist, dass der Gesetzgeber<br />
Rundfunk und Fernsehen <strong>als</strong> wesentlich für die<br />
öffentliche Meinungsbildung versteht. Für Kinofilme<br />
gibt es in Deutschland keine entsprechende<br />
medienrechtliche Auflage. Nach dem<br />
Wettbewerbsrecht darf aber auch ein Kinofilm<br />
keine getarnte Werbung enthalten. Etwaige Produktplatzierungen<br />
müssen im Abspann oder bei<br />
der Einführung aufgeführt werden. Sie kennen<br />
diese Listen mit Herstellerhinweisen.<br />
Die werden im Fernsehen nur bedingt<br />
zur Kenntnis genommen. Internationale<br />
Filme wie die häufig genannten<br />
„James Bond“-Titel finanzieren sich u.a.<br />
aus Schleichwerbung. Welche juristischen<br />
Argumente rechtfertigen ihre Versendung<br />
trotzdem?<br />
Der Gesetzgeber verlangt von uns nicht von<br />
vorn herein, auf diese Kinoproduktionen zu verzichten.<br />
Weil der WDR Rundfunkveranstalter ist,<br />
muss er aber natürlich alle Kaufproduktionen prüfen.<br />
Dabei steht das redaktionelle Interesse, einen<br />
solchen Spielfilm einzusetzen, der in dem Film<br />
eventuell enthaltenen Schleichwerbung gegenüber.<br />
Schon beim Einkauf müssen wir uns deshalb<br />
überlegen: Können wir den Film so ausstrahlen<br />
oder müssen wir darauf verzichten?<br />
In den USA gibt es keine gesetzlichen<br />
Regeln – Schleichwerbung, Placements<br />
usw. sind dort gang und gäbe...<br />
In der Tat. Wenn Sie amerikanische Filme<br />
newsletter@filmstiftung.de – Meldungen<br />
in Ihr Programm aufnehmen wollen, wäre es aus<br />
meiner Sicht völlig lebensfremd, das von der Frage<br />
der Schleichwerbung abhängig zu machen.<br />
Es wäre auch völlig unrealistisch, das von uns<br />
zu fordern. Unsere Entscheidung, einen solchen<br />
Film zu zeigen, ist nicht von den in die Produktion<br />
geflossenen finanziellen Zuwendungen beeinflusst.<br />
Es geht um ganz normale Lizenzverträge.<br />
Was ist, wenn das Product Placement<br />
überhand nimmt?<br />
Wenn zu viel Schleichwerbung drin ist,<br />
müssen wir versuchen, das Recht zur Nachbearbeitung<br />
zu vereinbaren. Bei amerikanischen<br />
Filmen und Paketverkäufen ist so etwas allerdings<br />
völlig illusorisch. Die US-Majors würden<br />
sich mit solchen Bedingungen nicht einverstanden<br />
erklären – nicht nur uns gegenüber.<br />
Einnahmen aus Placements sind<br />
auch für deutsche Produzenten möglich...<br />
Für Fernsehproduzenten gilt das nicht –<br />
das sind unterschiedliche Märkte. Aber deutsche<br />
Kinofilmproduzenten haben weit reichende<br />
Möglichkeiten. Allerdings müssen sie die Placements<br />
offen legen – so die Rechtssprechung<br />
des BGH.<br />
Und bei Koproduktionen mit dem<br />
Fernsehen?<br />
Hier gelten unsere ganz normalen Regeln.<br />
Es darf keine unzulässige Schleichwerbung geben.<br />
Entsprechendes steht auch immer in den<br />
Verträgen, egal ob der Film vor der Ausstrahlung<br />
in den Kinos läuft, wie es bei einigen Titeln der<br />
Fall ist, die wir – u.a. auch mit der <strong>Filmstiftung</strong><br />
NRW – koproduzieren.<br />
Ist Schleichwerbung eigentlich ein<br />
Straftatbestand?<br />
Nein, eine Ordnungswidrigkeit, die aber<br />
nur für die Privaten sanktionsbewehrt ist. Maßgeblicher<br />
Gesichtspunkt war, dass ein Bußgeld<br />
am Ende doch nur vom Gebührenzahler zu zahlen<br />
wäre. Der Gesetzgeber mag sich aber auch<br />
gesagt haben, dass den öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalten zunächst einmal zu unterstellen ist,<br />
dass sie sich an Recht und Gesetz halten.<br />
„Allein“ in Finnland:<br />
Thomas Durchschlags<br />
Film läuft im Rahmen<br />
von nrw@fi 2005<br />
in Helsinki.<br />
Foto: Lichtblick