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Materialiensammlung - Theater Marburg

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3. Romantik<br />

Die Romantiker bilanzieren die Ergebnisse der Aufklärung und der Großen Transformation als Ganzes. Dabei<br />

registrieren sie die zunehmende Fremdbestimmung des Menschen, also das Schwinden der bei den<br />

Aufklärern noch optimistischen Hoffnungen, dass der Mensch künftig sein Schicksal selbst in die Hand<br />

nehmen werde, sich von den Zwängen der Natur lösen könne und eine humane Welt hervorbringen<br />

werde. Die Vernunft des Menschen ist auf eine rein instrumentelle Vernunft regrediert, d.h., Nützlichkeit<br />

und Rentabilität sind als einzige Kriterien verblieben. Dabei gehen jene Ansprüche des Subjekts verloren,<br />

die nicht vollends unter die Logik der instrumentellen Vernunft subsumierbar sind (z.B. Gefühle,<br />

abweichendes, experimentelles Denken und Leben).<br />

Kritisiert wird der im Rahmen der instrumentellen Vernunft flächendeckend vorherrschende<br />

Materialismus: die Natur als Rohstofflager. Auch deren Erforschung dient letztlich nur deren Ausbeutung<br />

und Unterwerfung. Bei einer solchen Sichtweise gehen für die Romantiker die geforderte Einheit von<br />

Mensch und Natur verloren. Das Ziel der Romantiker ist die Synthese des Menschen mit der Natur zur<br />

All-Einheit. Um sie zu erreichen, muss jeder einzelne diese Einheit zuerst für und in sich selbst erfahren.<br />

Der Zugang zur All-Einheit erfolgt über mystische Erfahrungen, die in der Introspektion, d.h. in der<br />

Auseinandersetzung mit den eigenen Träumen und Phantasien, gefunden und gefühlt werden.<br />

Materialismus und zu naive Objektivierungen (=Distanzierungen, die in eine duale Objekt/Subjekt-<br />

Beziehung führen) entfernen den Menschen von diesem Ziel.<br />

In E.T.A Hoffmanns Kunstmärchen „Klein Zaches genannt Zinnober“ werden diese Argumentationen<br />

nochmals durchbuchstabiert, in ihren Extremen und Facetten dargestellt und kritisch hinterfragt<br />

Das Märchen avancierte zu einer der wichtigsten Gattungen der Romantik: neben die aus der mündlichen<br />

Überlieferung gewonnenen und mehr oder weniger bearbeiteten traten nach traditionellen oder exotischen<br />

Motiven erdichtete Märchen oder märchenhafte Erzählungen. Vor allem Wilhelm Hauff hinterließ mit seinem<br />

dreiteiligen „Märchenalmanach auf das Jahr 1826 [–1828] für Söhne und Töchter gebildeter Stände“ ein<br />

umfangreiches Œuvre, aber auch Brentano („Vom braven Kasperl und dem schönen Annerl“, 1817, sowie<br />

„Gockel, Hinkel und Gackeleia“ und „Märchen“), von Arnim („Isabella von Ägypten“, 1812), Friedrich de la<br />

Motte-Fouqué („Undine“, 1811) und Adelbert von Chamisso („Peter Schlemihls wundersame Geschichte“,<br />

1814) bereicherten dieses Genre, dem E. T. A. Hoffmann mit seinen satirischen Kunstmärchen (u. a. „Der<br />

goldene Topf“, 1815, „Nußknacker und Mäusekönig“, „Klein Zaches, genannt Zinnober“, 1819) eine neue<br />

Dimension hinzufügte. Hoffmann, der überdies wichtige musikkritische Schriften hinterließ und dessen<br />

Kompositionen es verdienten, größere Beachtung im Konzertbetrieb zu finden, war eine der beiden<br />

herausragenden Gestalten der Spätromantik. Sein erzählerisches Werk konzentrierte sich auf das<br />

Phantastische und auf das Unerklärliche, Verborgene, Bedrohliche – gewissermaßen als Fortsetzung der urromantischen<br />

Faszination für die Nacht, die ein allgemeines Interesse an paranormalen Phänomenen wie<br />

Magnetismus und Mesmerismus erregt hatte. Mit seinen den Nachtseiten von Mensch und Natur<br />

zugewandten Werken nahm er unter den Romantiker den größten Einfluss auf die außerdeutsche Literatur.<br />

Besonders in Frankreich gab es eine sehr intensive Rezeption seines Werks. Hoffmanns Erzählungen<br />

(„Fantasiestücke in Callots Manier“, 1814–15, der „Nachtstücke“ – darin „Der Sandmann“, 1816, „Das Fräulein<br />

von Scuderi“, 1820, „Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des<br />

Kapellmeisters Johannes Kreisler“, 1820–22) und sein Roman „Die Elixiere des Teufels“ (1815–16) bilden<br />

dabei ohne Zweifel einen unübertroffenen Höhepunkt der romantischen Prosa.<br />

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