funktional bis formelgleich – in verschiedenen Erzähltexten – wiedergegeben, was das nächste Kapitel dieser Arbeit deutlich macht. Hoffmann beherrscht aber auch das Gegenteil. So lebt beispielsweise der Beginn des „Majorats“ enorm von einer Häufung bekannter, staffierender Schauerelemente – und bleibt trotzdem nicht ohne Wirkung! Vgl. S. 63. 63 Vgl. Miller, 1978, S. 51 und 53. Nach Momberger ist die Verstörung, der Bruch selbst in den Märchen, z.B. am Schluss des „Goldenen Topfes“ noch präsent, wenn der Erzähler zugibt, keine Worte für die Umschreibung von Atlantis zu finden. Es handelt sich nicht um ein ‚herkömmliches’ Märchen, wo das oben von Miller genannte geschlossene System einer zweiten Wirklichkeit vorherrscht, sondern um eines, wie Hoffmann es selbst betitelt, ‚der neuen Zeit’, eines, in dem gar das Bruchstückhafte anwesend ist und die geschlossene, vollkommene Illusion einer ‚höheren’ Welt verhindert wird (Vgl. Momberger, 1986, S. 84). Unter diesen Gesichtspunkten könnte die These der vorliegenden Arbeit des unheimlichen Textkonstrukts selbst für die Hoffmannschen Märchen nutzbar gemacht werden. 64 Mayer, 2000, S. 60. 65 Momberger, 1986, S. 141f. Die zitierte „Sandmann“-Passage mit den verschiedenen Anfängen der Geschichte, die der Erzähler durchprobiert hat, weisen den Text klar als „poetische Maschinerie“ aus (Vgl. Momberger, 1986, S. 143). 66 Momberger, 1986, S. 143. 67 Momberger, 1986, S. 143. Vgl. mit Gilles Deleuzes Definition: „Le simulacre est précisément une image démoniaque, dénuée de ressamblance; [...] S’il produit un effet extérieur de ressamblance, c’est comme illusion, et non comme principe interne; il est lui-même construit sur une disparité, il a intériorisé la dissimilitude de ses séries constituantes, la divergences des ses points de vue, si bien qu’il montre plusieurs choses, raconte plusieurs histoires à la fois.“ (Différence et répétition, S. 167 zitiert nach Momberger, 1986, Anm. 30 S. 252) Einschneidend hierzu sind auch Mombergers Ausführungen zum ‚Serapiontischen Prinzip’ Hoffmanns und zu seinem letzten poetologischen Text „Des Vetters Eckfenster“, der im Übrigen von der Forschung oft als Hinwendung zu einer realistischen Schreibweise gewertet wurde. Ganz anders Momberger: Der Blick des todkranken Vetters auf den Marktplatz „ist nicht der Blick der Romantik, der die Erscheinung, das Sensible, zu durchdringen sucht, um das Intelligible zu fassen. Aber auch nicht der Blick des Realismus, der die Dinge in ihrer Objektivität zu erfassen sucht. [...] Es ist ein Blick, der nach Willkür das Gewimmel durchschneidet, ein Blick, der zunächst frei über das tableau schweift, um sich dann an irgendeinem Detail festzumachen. Jedes Ereignis, jede Person, jede Einzelheit ist diesem Blick gleich viel wert; er sucht nicht die Ordnung des Ganzen, sondern den möglichen Effekt der Teile. [...] Der Blick des Vetters betrachtet das Marktgewühl als eine Ansammlung von Zeichen, aus denen er bestimmte Dinge (Signifikanten gleichsam, die von ihren Signifikaten abgelöst sind) herausnimmt, um sie neu zusammensetzen. [...] Es ist so in der Tat ein Blick der Simulacren schafft: er ist nicht bloss rezeptiv, sondern produktiv, konstruierend.“ (Momberger, 1986, S. 176) Das konstruierte Geschaute, das im Serapiontischen Prinzip Hoffmanns die Grundvoraussetzung zur Dichtung bildet, „das innere Gebilde, das phantasma, ist seinem Wesen nach bereits Zeichen, Schrift; [...] Der Akt des Schreibens und der daraus resultierende Text sind der eigentliche Ort des Simulacrums.“ (Momberger, 1986, S. 175). 68 Vgl. Momberger, 1986, S. 165. 69 Momberger, 1986, S. 172. 70 Pollet, 1998, S. 122. 71 An dieser Stelle könnte wiederum, aufgrund der Namensverwirrung, auch ‚Franz’ stehen (Vgl. Kaiser, 1990, Anm. 159,30 S. 364). 72 Vgl. Kaiser, 1990, Anm. 160,26 S. 364. 73 Lieb, 2002, S. 62. 74 Eine solche Moral sei „- aus der Tradition der aufklärerischen Gespenstergeschichte des 18. Jahrhunderts gesehen – nicht ungewöhnlich“. In dieser werde „ein ‚Fall’ [...] vorgetragen in der Absicht, seine Wahrscheinlichkeit in Frage zu stellen oder die Sache als Betrug blosszustellen.“ Der zu Beginn des Kapitels zitierte erste Satz des Rahmengesprächs des „Öden Hauses“ würde jedoch „bereits einen anderen Inhalt der „Moral““ andeuten: „die Erzählung steuert nicht auf die ‚natürliche’ Erklärung seltsamer Erscheinungen zu, die allein beweist, was von Anfang an bewiesen werden soll, sondern sucht die Bedingungen der Erkenntnis und die Kriterien von Wahrheit und Irrtum.“ (Kanzog, 1976, S. 50). Kriterien, denen sich in gleicher Weise der Leser in der Begegnung mit dem Text stellen muss. 75 Deterding, 1999, S. 214. 76 Deterding, 1999, S. 214f. 77 Segebrecht, Wulf: E. T. A. Hoffmanns Auffassung vom Richteramt und Dichterberuf. In: Jahrbuch der deutschen Schiller-Gesellschaft 11 (1967), S. 135 zitiert nach Kanzog, 1976, S. 56f. 78 Hillebrand, 1999, S. 24. 79 Momberger, 1986, S. 104. 80 Miller, 1978, S. 48. 81 Deterding, 1999, S. 293. 82 Hillebrand, 1999, S. 22. 83 Hillebrand, 1999, S. 22. 84 Vitt-Maucher, 1992-93, S. 175. Quelle: enthalten in: Lizentiatsarbeit der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich: „Kunstvollkuenstliche Textkonstrukte: Zum Unheimlichen der Erzähltechnik E. T. A. Hoffmanns in den „Nachtstücken“ von Thomas Meyer, Fachbereich Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Deutsches Seminar, Universität Zürich, 2006 (2007). 24
5. „Klein Zaches, genannt Zinnober“ 25