Auf steigt das Gebet, hernieder steigt die Gnade. - Miteinander
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12<br />
3/2012<br />
I<br />
A<br />
D<br />
5 0 J A H R E Z W E I T E S V A T I K A N I S C H E S K O N Z I L<br />
„Ich bin Josef, euer Bruder“<br />
Für viele war der Mann, der sich mit <strong>die</strong>sen<br />
Worten vorstellte, ein Überraschungspapst,<br />
für einige nur ein Übergangspapst – und<br />
letztlich ging er in <strong>die</strong> Geschichte der Kirche<br />
als Konzilspapst ein: Johannes XXIII.<br />
(1958 – 1963).<br />
Indikator für <strong>die</strong> Beliebtheit eines Menschen<br />
in der Öffentlichkeit sind immer <strong>die</strong> Anekdoten,<br />
<strong>die</strong> sich um seine Person ranken. Über<br />
Angelo Roncalli, den späteren Papst Johannes<br />
XXIII., sind viele, ob wahr oder zumindest<br />
gut erfunden, im Umlauf. „Il Papa buono“<br />
nannten ihn <strong>die</strong> Italiener liebevoll – und <strong>das</strong><br />
war er wirklich, der gute Papst. Er war kein<br />
Mann des Protokolls und der Formalitäten,<br />
sondern ein grundgütiger Mensch, der sein<br />
Leben in „Frieden und Gehorsam“ und in<br />
Treue zur Kirche nach dem Willen Gottes ausrichtete.<br />
Der französische Ministerpräsident<br />
Robert Schuman meinte einmal über den damaligen<br />
Nuntius Roncalli: „Er ist der einzige<br />
Mensch in Paris, in dessen Gegenwart man körperlichen<br />
Frieden spürt.“<br />
Als Don Francesco, Pfarrer von Sotto il Mon-<br />
te, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von<br />
Bergamo, am 25. November 1881 <strong>das</strong> dritte<br />
Kind, den ersten Sohn, des Bauern Giovanni<br />
Battista Roncalli und seiner Frau Marianna<br />
auf den Namen Angelo Giuseppe taufte, konnte<br />
er nicht ahnen, <strong>das</strong>s er damit einen künftigen<br />
Papst in <strong>die</strong> Gemeinschaft der Kirche aufnahm.<br />
Der kleine Angelo wuchs in einer tieffrommen<br />
bäuerlichen Großfamilie auf. Seine<br />
einfache Herkunft prägte ihn und machte auch<br />
<strong>das</strong> Besondere seiner Persönlichkeit als Würdenträger<br />
der Kirche aus – einen erdverbundenen<br />
Bezug zum Leben, ein ungezwungenes Zugehen<br />
auf Menschen und eine gewisse Bauernschläue,<br />
welche ihm den richtigen Weg oft besser<br />
wies als alle angewandte „Diplomatie“.<br />
Der talentierte Bub besuchte <strong>das</strong> Gymnasium<br />
in Bergamo und trat schließlich in <strong>das</strong> Priesterseminar<br />
ein. In <strong>die</strong> Seminarzeit fiel der Be-<br />
Au<strong>die</strong>nz: Kardinäle bei Papst Pius XII., noch im<br />
Hintergrund Angelo Kardinal Roncalli<br />
ginn seiner „Geistlichen Tagebücher“, in denen<br />
er seine ganz persönlichen Gedanken –<br />
auch als Papst – niederschrieb. Sie geben einen<br />
tiefen Einblick in <strong>das</strong> Denken und Fühlen<br />
des Menschen Roncalli. Die nächsten Stationen<br />
im Leben des jungen Mannes waren:<br />
Theologiestudium in Rom, Priesterweihe am<br />
10.8.1904, Sekretär des Bischofs von Bergamo,<br />
Giacomo Maria Radini-Tedeschi, von<br />
1905 – 1914, Feldkaplan während des Ersten<br />
Weltkrieges und ab 1919 Spiritual am Priesterseminar<br />
in Bergamo. In Rom war man auf<br />
den tüchtigen jungen Priester bereits aufmerksam<br />
geworden. Im Jahre 1921 erfolgte<br />
seine Ernennung zum „Kaplan Seiner Heiligkeit“<br />
(Monsignore), und Papst Benedikt XV.<br />
übertrug ihm als Nationalpräsidenten <strong>die</strong> Leitung<br />
des Päpstlichen Werkes der Glaubens-<br />
„ Nur für heute werde ich<br />
mit größter Sorgfalt<br />
auf mein <strong>Auf</strong>treten achten. Ich werde<br />
niemanden kritisieren, werde nicht<br />
danach streben, <strong>die</strong> anderen<br />
zu korrigieren oder zu<br />
verbessern.<br />
“<br />
Nur mich selbst.<br />
2. Gebot<br />
„Dekalog der Gelassenheit“ von Johannes XXIII.<br />
verbreitung. Mit einer besonders heiklen Angelegenheit<br />
wurde Monsignore Roncalli im<br />
Jahre 1925 betraut. Der Papst, inzwischen<br />
Pius XI., schickte ihn als Apostolischen Visitator<br />
nach Bulgarien, in ein Land, in dem<br />
nicht nur politisch eine brisante Situation<br />
herrschte, sondern auch unter den Anhängern<br />
der dort vertretenen Glaubensgemeinschaften<br />
– wie der römisch-katholischen Kirche,<br />
der bulgarisch-orthodoxen Kirche und den<br />
Moslems. Es war ein diplomatischer Hochseilakt,<br />
den der aus <strong>die</strong>sem Anlass zum Erzbischof<br />
geweihte (1925) Angelo Roncalli hier<br />
zwischen 1925 und 1934 vollbrachte, der ihm<br />
in Bulgarien große persönliche Achtung einbrachte,<br />
aber von der Kurie in Rom kaum bedankt<br />
wurde.<br />
A<br />
Angelo Roncalli schrieb mit großer Begeisterung<br />
Briefe, für ihn eine „Form gegenseitiger<br />
Tröstung und eine Übung der Nächstenliebe“.<br />
Viele Briefe aus dem bulgarischen „Exil“, wo<br />
er sich schon von Rom vergessen wähnte,<br />
richtete er an seine Familie. Er nimmt darin<br />
trotz der Entfernung intensiv am Familienalltag<br />
teil, gibt Ratschläge, macht sich darin<br />
aber auch über unangenehme Dinge Luft. So<br />
schreibt er 1928 an seine Schwestern Ancilla<br />
und Maria, <strong>das</strong>s er gerne aus Rom weggegangen<br />
sei, denn „… es verdross mich, dort <strong>die</strong><br />
vielen kleinen menschlichen Erbärmlichkeiten<br />
mit ansehen zu müssen. Jeder sucht seinen Posten<br />
zu erhalten und Karriere zu machen und ist<br />
mit dem Geschwätz darüber beschäftigt“.<br />
I<br />
Im Jahre 1934 wurde Erzbischof Roncalli zum<br />
Apostolischen Delegaten für <strong>die</strong> Türkei und<br />
Griechenland ernannt. In <strong>die</strong>sen sowohl auf<br />
der politischen wie auch kirchlichen Ebene<br />
miteinander verfeindeten Ländern, in denen<br />
<strong>die</strong> römisch-katholischen Christen eine kleine<br />
Minderheit bildeten, war sein diplomatisches<br />
Geschick wieder besonders gefordert. Sicherlich<br />
wurde davon auch seine Haltung in der<br />
Frage einer Annäherung der christlichen Konfessionen<br />
entscheidend geprägt.