Auf steigt das Gebet, hernieder steigt die Gnade. - Miteinander
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3/2012<br />
L E I T - G E D A N K E N<br />
von Wilhelm Müller<br />
Am Gar<strong>das</strong>ee steht ein Kreuz.<br />
Darauf ist der Satz zu lesen:<br />
„Ascendit oratio, descendit gratia<br />
– <strong>Auf</strong> <strong>steigt</strong> <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong>, <strong>hernieder</strong><br />
<strong>steigt</strong> <strong>die</strong> <strong>Gnade</strong>.“<br />
Die Inschrift steht nicht auf einer<br />
flatternden Fahne. Sie ist<br />
nicht in einen Stein gemeißelt. Sie ist nicht auf eine <strong>Gebet</strong>strommel<br />
geschrieben. Sie steht auf einem Kreuz. Sie will damit einiges<br />
ins Gedächtnis rufen. Leben ist Kreuz. Leben läuft nicht immer so,<br />
wie man möchte. Auch <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong> wird nicht so erhört, wie es <strong>die</strong><br />
Angst, <strong>die</strong> Sorge, <strong>die</strong> Not wünschen. Was wir <strong>Gnade</strong>, Zuneigung<br />
Gottes, nennen, zeigt sich selten so, wie wir es erhoffen. „Lass <strong>die</strong>sen<br />
Kelch an mir vorübergehen!“ Er ist nicht vorübergegangen.<br />
Er musste bis zum Ende geleert werden.<br />
Ist <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong> in <strong>das</strong> Nichts aufgestiegen? Hat es kein Ohr, kein<br />
Herz erreicht? „Warum hast du mich verlassen?“ Wo sind <strong>die</strong> Legionen<br />
Engel, <strong>die</strong> zu Hilfe kommen könnten, sollten? Ist der Satz<br />
vom vielgeliebten Sohn, an dem Gott sein Wohlgefallen hat, nur<br />
Einbildung, Überschätzung?<br />
„<strong>Auf</strong> <strong>steigt</strong> <strong>das</strong> <strong>Gebet</strong>, <strong>hernieder</strong> <strong>steigt</strong> <strong>die</strong> <strong>Gnade</strong>.“ Die <strong>Gnade</strong>, <strong>die</strong><br />
nieder<strong>steigt</strong>, ist nicht <strong>die</strong> <strong>Gnade</strong> der Schmerzfreiheit. Sie ist nicht<br />
<strong>die</strong> <strong>Gnade</strong> der Lebensverlängerung. Sie ist <strong>die</strong> <strong>Gnade</strong> eines neuen<br />
Lebens. Sie ist <strong>die</strong> <strong>Gnade</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Fülle des Lebens gibt – Erfüllung<br />
unserer besten Wünsche und Absichten, Vollendung aller Fähigkeiten<br />
der Hände, des Herzens, des Verstandes.<br />
Es geschieht durch <strong>das</strong> Kreuz. Es geschieht durch Jesus Christus,<br />
den Gekreuzigten und <strong>Auf</strong>erstandenen.<br />
(† 17. Januar 2012)<br />
A U F D E I N<br />
Ein Priester mit<br />
Am Dienstag, dem 17. Januar 2012,<br />
ist nach schwerem Leiden, aber dennoch<br />
unerwartet schnell, Prälat Wilhelm Müller<br />
gestorben.<br />
Mit Wilhelm Müller<br />
verliert <strong>die</strong> Erzdiözese Wien<br />
einen ihrer profiliertesten Priester<br />
und miteinander seinen langjährigen<br />
Chefredakteur.<br />
Wilhelm Müller wurde am 26. Mai 1937 in<br />
Kleinwolkersdorf in Niederösterreich geboren.<br />
1961 zum Priester geweiht, war er zunächst<br />
sechs Jahre Kaplan in der Pfarre St. Othmar<br />
in Mödling, von 1966 bis 1968 Stu<strong>die</strong>npräfekt<br />
im Wiener Priesterseminar und anschließend<br />
bis 2003 Pfarrer in Mödling-St. Othmar.<br />
Seinen letzten Seelsorgsposten versah er als<br />
Propstpfarrer in Wiener Neustadt, wo er 2010<br />
in den Ruhestand ging.<br />
Eine besondere Begabung<br />
Wilhelm Müller zeichnete vor allem eine besondere<br />
Begabung für <strong>die</strong> Verkündigung aus.<br />
Er war ein hervorragender Prediger und verstand<br />
es auch, mit den Entwicklungen der<br />
Me<strong>die</strong>n Schritt zu halten. Einen speziellen<br />
Namen machte er sich durch <strong>die</strong> Hörfunksendung<br />
„Einfach zum Nachdenken“, jeweils<br />
fünf Minuten vor Mitternacht. Er gehörte zu<br />
den ersten Priestern, <strong>die</strong> in der Fernsehreihe<br />
„Christ in der Zeit“ sprachen. Von 1978 bis<br />
1996 war er Geistlicher Assistent der Fernsehkommission<br />
in Österreich. Er hat damit nicht<br />
nur persönlich in gut verständlicher Weise,<br />
auf hohem theologischen Niveau <strong>die</strong> Zuseherinnen<br />
und Zuseher angesprochen, sondern<br />
auch seinen Einfluss auf <strong>die</strong> Öffentlichkeitsarbeit<br />
in Diözese und ORF wahrgenommen.<br />
Seine Ausdruckskunst konnte er in gleicher<br />
Weise auch zu Papier bringen. Er schrieb viele<br />
Artikel, zuletzt jahrelang als Chefredakteur<br />
<strong>die</strong> jeweilige Redaktionsglosse im miteinander,<br />
dem Organ des Canisiuswerkes. Er entwickelte<br />
dabei einen eigenen Stil, um einen sehr<br />
markanten Satz herum Variationen anzubringen,<br />
<strong>die</strong> den Inhalt völlig deutlich machten.<br />
Herausforderndes Beispiel<br />
Wilhelm Müller war ein herausforderndes Beispiel<br />
für heranwachsende Priester. Dies lernte<br />
und zeigte er schon als Stu<strong>die</strong>npräfekt im<br />
Wiener Priesterseminar. In den 34 Jahren als<br />
Pfarrer in Mödling wurden ihm Dutzende jun-