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Auf steigt das Gebet, hernieder steigt die Gnade. - Miteinander

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<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Ordensleben vor allem<br />

eine authentische und existentielle<br />

Gottsuche und Gotterfahrenheit<br />

repräsentieren muss. Die gemeinschaftliche<br />

Lebensweise sollte<br />

es möglich machen, Räume zu<br />

schaffen, in denen Gott als jemand<br />

erfahrbar wird, der den Menschen<br />

bejaht und in ihm Lebendigkeit<br />

freisetzt. Dies gilt für kontemplative<br />

wie auch für aktive Formen<br />

des Ordenslebens: Kirchen, Liturgie<br />

und <strong>die</strong> Sorge um Kranke können<br />

in gleicher Weise zu solchen<br />

Orten werden.<br />

Hingabe<br />

als erfülltes Leben<br />

Westliche Gesellschaften sind derzeit<br />

durch eine hochgradige Individualisierung<br />

geprägt, <strong>die</strong> von der<br />

G A S T K O M M E N T A R<br />

Warum braucht <strong>die</strong><br />

Gesellschaft <strong>die</strong> Orden?<br />

Moraltheologe DDr. Walter Schaupp<br />

Kirche oft als bedrohlich wahrgenommen<br />

wird. Positiv liegt in ihr<br />

jedoch <strong>die</strong> Herausforderung, jeden<br />

einzelnen Menschen mit seinen<br />

unverwechselbaren Erfahrungen<br />

und seiner Suche nach einem<br />

geglückten Leben ernst zu<br />

nehmen. Die Biografien der Menschen<br />

werden in ihrer Heterogenität<br />

und in ihrer Verschlungenheit<br />

zu Orten, wo sich Heilsgeschichte<br />

immer wieder neu ereignet.<br />

Dies setzt eine tiefe Achtung<br />

vor jedem Menschen voraus.<br />

Gleichzeitig haben <strong>die</strong> Menschen<br />

der heutigen Zeit ein waches Gespür<br />

dafür, ob ein religiöses Leben<br />

auch wirklich ein menschlich<br />

erfülltes Leben ist. Das Zeugnis<br />

christlichen Lebens liegt in<br />

einer Form der Hingabe, in der<br />

der Mensch sich zugleich selbst<br />

findet. Für <strong>die</strong> Orden erfordert<br />

<strong>die</strong>s ein neues Nachdenken darüber,<br />

was christliche Vollkommenheit<br />

wirklich ausmacht. Nur so<br />

wird sich ein wirksamer Gegenakzent<br />

zu den heute dominierenden<br />

innerweltlichen und körperbezogenen<br />

Perfektionismen setzen<br />

lassen.<br />

Alternative Werte<br />

Die gegenwärtige Gesellschaft ist<br />

durch eine Ökonomisierung gekennzeichnet,<br />

<strong>die</strong> immer mehr<br />

menschliche Lebensbereiche erfasst<br />

und Unruhe auslöst, ohne<br />

<strong>das</strong>s es gelingt, wirksam gegenzusteuern.<br />

In der Logik des Mark-<br />

tes geht es um <strong>die</strong> Produktion<br />

austauschbarer Waren sowie um<br />

Profitmaximierung, wobei <strong>das</strong><br />

jeweils Produzierte in immer rascheren<br />

Zyklen durch Neues ersetzt<br />

wird. Zweifellos müssen<br />

auch Ordensgemeinschaften zunächst<br />

ihre ökonomische Basis<br />

sichern. Ihre <strong>Auf</strong>gabe besteht jedoch<br />

darin, innere Werte sowie<br />

<strong>die</strong> Dimension des Umsonst und<br />

des Geschenkhaften sichtbar zu<br />

machen, <strong>die</strong> zum Menschsein dazugehören.<br />

Menschenwürde in<br />

einer globalen Welt<br />

Die heutige Welt ist schließlich<br />

durch ein weltweites Zusammenrücken<br />

der Menschen und Ereignisse<br />

sowie durch ein wachsendes<br />

globales Bewusstsein gekennzeichnet.<br />

Gleichzeitig erleben wir<br />

ständig neu aufbrechende kulturelle<br />

und religiöse Konflikte, <strong>das</strong><br />

<strong>Auf</strong>richten von Mauern und Tendenzen<br />

der Entsolidarisierung. Vielen<br />

erscheint es angesichts <strong>die</strong>ser<br />

Entwicklungen utopisch, weiter<br />

an weltweite Gerechtigkeit oder<br />

an eine universale menschliche<br />

Würde zu glauben. Ordensgemeinschaften<br />

sind heute oft selbst<br />

multikulturell verankert, und <strong>die</strong><br />

Zentren ihrer Vitalität wandern<br />

von einem Kontinent in einen anderen.<br />

Sie könnten für <strong>die</strong> heutige<br />

Welt ein Beispiel sein, wie man<br />

an der Idee eines gemeinsamen<br />

Menschseins in Würde festhält,<br />

3/2012<br />

ohne gleichzeitig <strong>die</strong> legitime Pluralität<br />

individueller und kultureller<br />

Vielfalt zu unterdrücken; oder<br />

auch dafür, wie man trennende<br />

historische Erfahrungen aufarbeitet.<br />

Religionssoziologen, wie etwa<br />

Friedrich Wilhelm Graf, sprechen<br />

von einer gegenwärtigen Wiederkehr<br />

einer „harten“ Religiosität<br />

mit einem Trend zu aggressiver<br />

Identitätsbildung und dem Willen,<br />

Gräben und Konflikte im Namen<br />

des Religiösen bewusst zu<br />

verschärfen (vgl. Die Wiederkehr<br />

der Götter. Religion in der modernen<br />

Kultur, München 2007).<br />

Gerade christliche Ordensgemeinschaften<br />

sind hier herausgefordert,<br />

eine „starke“ Identität zu leben,<br />

<strong>die</strong> gleichzeitig jedoch radikal<br />

gewaltlos ist und <strong>die</strong> nicht zu<br />

einer Abwertung und Ausgrenzung<br />

des anderen führt, sondern<br />

aus der tiefen Überzeugung heraus<br />

lebt und handelt, in einer<br />

globalisierten Welt in jedem anderen<br />

Menschen einem „Abbild<br />

Gottes“ zu begegnen.<br />

Walter Schaupp ■<br />

DDr. Walter Schaupp ist Universitätsprofessor<br />

für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen<br />

Fakultät der Universität<br />

Graz.<br />

Gastkommentare geben <strong>die</strong> Meinung<br />

der Autoren wieder.<br />

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