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Kurt Rotschilds oligopol- und<br />

verteilungstheoretische Ansätze<br />

Erich Streissler, Wien<br />

Ich weiß nicht, ob Kurt Rothschild e<strong>in</strong> durch und durch fortschrittsgläubiger Mensch ist. E<strong>in</strong><br />

bisschen Hoffen auf e<strong>in</strong>e bessere, e<strong>in</strong>e auch im Materiellen bequemere zukünftige Welt ist se<strong>in</strong>es<br />

Denkens gekennzeichnet, so me<strong>in</strong>e ich, Fortschrittsgläubigkeit Kurt Rothschild nicht. Zu oft habe ich<br />

ihn über hochtrabende wissenschaftliche Ansprüche lachen gehört. Lachen ist vielleicht die beste<br />

Methode, um e<strong>in</strong>en manchmal bis <strong>in</strong>s Inhumane umschlagenden Fortschrittsglauben zu bekämpfen.<br />

Und auf alle Fälle ist Lachen die beste <strong>in</strong>dividuelle Verarbeitung all der Tausenden enttäuschter<br />

Hoffnungen auf e<strong>in</strong> gutes menschliches Zusammenleben.<br />

Ich weiß, wie gesagt, nicht, ob Kurt Rotschild <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Grundpr<strong>in</strong>zipien fortschrittsgläubig<br />

ist. Aber ich weiß aus der Lektüre zweier se<strong>in</strong>er bedeutendsten Jugendarbeiten, dass er jeder l<strong>in</strong>earen<br />

Fortschrittsidee <strong>in</strong> der Politischen Ökonomie skeptisch gegenübersteht. Die beiden Arbeiten, mit<br />

denen ich mich hier beschäftigen möchte, s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong> bahnbrechender Artikel aus 1947, „Price Theory<br />

and Oligopoly“ (EJ LVII)*) und se<strong>in</strong> erstes großes Buch, „The Theory of Wages“ aus 1954 (Basil<br />

Blackwell, Oxford).**) Und <strong>in</strong> der „Theory of Wages“ f<strong>in</strong>det sich die Satzfolge: „The development of<br />

… theory is not so much a progress from doctr<strong>in</strong>es which are less ‚true‘ to those which are more so; to<br />

a great extent it consists of replac<strong>in</strong>g one theory by another be<strong>ca</strong>use certa<strong>in</strong> assumptions which may<br />

have been reasonably important <strong>in</strong> one period have become irrelevant or mean<strong>in</strong>gless <strong>in</strong> the next one.<br />

Thus dis<strong>ca</strong>rd<strong>in</strong>g of one theory and its replacement by a new one … is very often not the advance from<br />

less ‘truth’ to more ‘truth’, but rather from one ‘truth’ to another, a new one.” (TW, S. 2 f.) Rothschild<br />

betont, “the relative character of all wage theory”, relative gesperrt gedruckt, ebenso wie “truth”<br />

immer <strong>in</strong> Anführungszeichen steht. Dieser Theorierelativismus ist erstaunlich für jemanden, der, wie<br />

Kurt Rothschild, so stark vom Marxismus bee<strong>in</strong>flusst ist. Aber Rothschild ist eben sicher ke<strong>in</strong><br />

orthodoxer Marxist. Dazu fehlt ihm die Unbed<strong>in</strong>gtheit, dazu sieht er viel zu sehr den Klassenkampf im<br />

Kapitalismus vor allem nur als „an attempt to shift the basic supply and demand conditions <strong>in</strong> the<br />

labour market“ (TW, S. 172). Noch viel weniger ist Rothschild natürlich e<strong>in</strong> orthodoxer Neoklassiker.<br />

Dazu fehlt ihm zu sehr der Glaube an die Fruchtbarkeit der Gleichgewichtsvorstellung. Ja er ist nicht<br />

e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> orthodoxer Keynesianer. Denn dazu hat er viel zu sehr <strong>in</strong> bahnbrechender Weise<br />

mikroökonomisch gearbeitet, wie unter anderem die beiden, hier zu bedenkenden Arbeiten zeigen. Für<br />

jede Art von Orthodoxie fehlt Kurt Rothschild das ausschließlich-ausschließende Engagement und<br />

besitzt er viel zu sehr e<strong>in</strong>e wache, stets kritische Vernunft. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche methodische Konsequenz<br />

kennzeichnet se<strong>in</strong>e Arbeiten nicht, wohl aber gesunder „commonsense“.<br />

Ich stimmte mit Kurt Rothschild ganz und gar dar<strong>in</strong> übere<strong>in</strong>, dass es ke<strong>in</strong>en l<strong>in</strong>earen<br />

Fortschritt im wirtschaftswissenschaftlichen Denken gibt; und auch dar<strong>in</strong>, dass Theorien viel mit den<br />

wandelbaren gesellschaftlichen Umständen der Zeit und der Länder zu tun haben, <strong>in</strong> denen sie<br />

entstanden. Ich würde freilich nicht so weit gehen, zu me<strong>in</strong>en, Theorien würden die Umstände ihrer<br />

Zeit typischerweise richtig widerspiegeln. Insbesondere halte ich es als Wirtschaftshistoriker für nicht<br />

richtig zu glauben, das Konkurrenzmodell der Preisbildung sei e<strong>in</strong> „satisfactory approach to an<br />

explanation … of (the) mid n<strong>in</strong>eteenth century market“, (PO, S. 441 f.). Es gab vielmehr nie e<strong>in</strong>e Zeit<br />

während der Periode unternehmerischer Markwirtschaft, geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> Kapitalismus genannt, <strong>in</strong> der<br />

kle<strong>in</strong>e Unternehmen die Marktstruktur auf den wichtigsten Märkten bestimmten. Immer dom<strong>in</strong>ierten<br />

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