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Wenn wir aber die Preisbildung auf irgende<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen Markt nicht nur <strong>in</strong> groben Zügen<br />
im Zusammenhang e<strong>in</strong>er anderen Argumentation streifen, sondern genau betrachten wollten, so ist das<br />
Konkurrenzpreismodell sicher völlig ungenügend. Rothschild war wohl der erste, der betonte, dass wir<br />
bei e<strong>in</strong>er solchen Preisanalyse erkennen müssen, dass gerade das Oligopol die häufigste Marktform<br />
se<strong>in</strong> wird. Er war e<strong>in</strong>er der ersten, der betonte, im Oligopol sei „the most essential differentiat<strong>in</strong>g<br />
aspect: the oligopolists consciousness of their <strong>in</strong>terdependence“ (PO, S. 445). Dabei sei der Gedanke<br />
an die Möglichkeit e<strong>in</strong>es Preiskrieges, selbst wenn dieser tatsächlich nur selten vorkommt „a dom<strong>in</strong>ant<br />
feature“ (PO S. 461), immer im H<strong>in</strong>terkopf präsent als aktionsbestimmend bei den Oligopolisten. Das<br />
führt Rothschild zu se<strong>in</strong>em wohl wichtigsten Beitrag. Bisher hatte man immer nach verschiedenen<br />
Arten der Gew<strong>in</strong>nmaximierung unter verschiedenen Bed<strong>in</strong>gungen gefragt. Rothschild h<strong>in</strong>gegen<br />
arbeitete – ich glaube als erster – „the desire for secure profits“ (PO, S. 450), also die M<strong>in</strong>imierung der<br />
Gew<strong>in</strong>nvarianz als maßgebliches Entscheidungskriterium heraus. Daraus folgt „Price rigidity is an<br />
essential aspect of ‚normal‘ oligopolistic price strategy“ (PO, S. 455). Sweezy hatte hierfür nur e<strong>in</strong>en<br />
Grund geliefert. Es gäbe aber höchst vielfältige Gründe für oligopolistische Preisrigidität, so me<strong>in</strong>te<br />
Rothschild. Die allerneueste Literatur hat hier Rothschilds Intuition auf das glänzendste bestätigt. All<br />
das ersche<strong>in</strong>t uns heute selbstverständlich, geradezu e<strong>in</strong>e Summe von Platitüden. Umso größer daher<br />
der Verdienst desjenigen, der solche Gedanken erst zur Selbstverständlichkeit machte, das heute<br />
selbstverständliche erstmals betonte.<br />
Noch e<strong>in</strong> Aspekt kennzeichnet Rothschilds Oligopolbeitrag, wie alle Arbeiten von Rothschild.<br />
Nach jeder ökonomischen Analyse versuchte er den Ausblick auf weitere sozialwissenschaftilche<br />
Aspekte zu öffnen, <strong>in</strong> das Politische, <strong>in</strong> das Gesellschaftliche. So auch hier: „ The oligopolistic<br />
struggle for position and security <strong>in</strong>cludes politi<strong>ca</strong>l action of all sorts right up to imperialism“ (PO, S.<br />
463). Ökonomie ist nur re<strong>in</strong> künstlich herausgelöster Titel der Sozialwissenschaften. Das darf der<br />
Analytiker nie vergessen.<br />
Drei bemerkenswerte Gedankengänge <strong>in</strong> Rothschilds Lohntheorie möchte ich herausgreifen.<br />
Zuerst e<strong>in</strong>mal ist es <strong>in</strong>teressant zu sehen, dass Rothschild bereits ganz ausdrücklich wichtige<br />
Gedanken der Kaldorischen Verteilungstheorie wiedergibt. Das wäre als solches nicht besonders<br />
bemerkenswert, wenn Kaldor „se<strong>in</strong>e“ Verteilungstheorie nicht erst e<strong>in</strong> Jahr nach Rothschild<br />
veröffentlich hätte. Ähnliche Gedanken waren vorher von Kalecki geäußert worden. Die Theorie<br />
wurde also von zahlreichen Autoren gleichzeitig entwickelt. Zu denen Rothschild mit gehört; sie<br />
wurde lediglich von Kaldor besonders prägnant ausformuliert. Rothschild sagt „The whole question of<br />
labour’s barga<strong>in</strong><strong>in</strong>g power <strong>in</strong> a free enterprise economy boils down … to the quest<strong>in</strong>o how far it <strong>ca</strong>n<br />
make <strong>in</strong>roads <strong>in</strong>to <strong>ca</strong>pitalist consumption … if the marg<strong>in</strong>al propensity (scilicet: to consume of the<br />
<strong>ca</strong>pitalist class) is low it (d. h. labour’s barga<strong>in</strong><strong>in</strong>g power) will ultimately fail” (TW S. 110 ff.). Weil<br />
die Konsumneigung der Unternehmer heute ger<strong>in</strong>g ist, schließt Rothschild “the barga<strong>in</strong><strong>in</strong>g strength of<br />
labour is extremely weak” (TW S. 113).<br />
Nicht nur an dieser Stelle kl<strong>in</strong>gen zweitens Rotschilds Lohntheorie erstaunlich frühe<br />
sozialpartnerschaftliche Akkorde an; und das 1954, also noch etliche Jahre vor der Gründung der<br />
Paritätischen Kommission. Rothschild hält fest, dass die gefahrlose Erhaltung der Vollbeschäftigung<br />
vor allem e<strong>in</strong>mal erforderlich mache „important <strong>in</strong>stitutional and politi<strong>ca</strong>l changes which … will<br />
probably widen the function of trade unions.“ Wir erkennen mit ihm: Gerade weil die Gewerkschaften<br />
diesen ihren neuen politischen Aufgaben <strong>in</strong> Österreich gerecht wurden, gab es hier Vollbeschäftigung<br />
fast ohne Inflation. Die so frühe Erkenntnis dieses neuen Politikbedarfes bei Rothschild bleibt höchst<br />
beachtenswert.<br />
Ich weiß nicht, warum e<strong>in</strong>e Zeitschrift vor kurzem mich den „Sozialpartner“, Rothschild<br />
h<strong>in</strong>gegen – ich glaube – als den „Roten“ bezeichnete. Viellicht hätte sie vielmehr ihn als den<br />
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