Neolithische Grabenwerke in Mitteleuropa
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Michael Meyer & Dirk Raetzel-Fabian<br />
<strong>Neolithische</strong> Erdwerke im Überblick<br />
15. Dezember 2006<br />
1<br />
Jung- und Spätneolithikum 1<br />
Michelsberger Kultur<br />
Allgeme<strong>in</strong>es<br />
Mit dem Entstehen der Michelsberger Kultur (MK) setzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Raum, der sich von Ostfrankreich über das Rhe<strong>in</strong>land bis nach Westfalen,<br />
Südniedersachsen und Württemberg erstreckt, die Errichtung<br />
aufwändig konstruierter Graben- bzw. Erdwerke e<strong>in</strong>. Die neu<br />
errichteten Anlagen heben sich sowohl durch ihre Flächenausdehnung<br />
als auch durch den Umfang und die Länge der Grabensysteme<br />
vom Gros der alt- und mittelneolithischen Vorgängerbauten ab.<br />
Dieser Typus des „monumentalen” Erdwerks, provisorisch def<strong>in</strong>iert<br />
durch die Komb<strong>in</strong>ation von Gesamtfläche und Grabenlänge (Raetzel-Fabian<br />
1999), ist – was den Konstruktionszeitpunkt betrifft – nach<br />
momentanem Forschungsstand auf zwei relativ eng begrenzte Zeitabschnitte<br />
<strong>in</strong>nerhalb des Jungneolithikums beschränkt. E<strong>in</strong>e an die<br />
Errichtung anschließende, lang andauernde und z. T. Kulturen übergreifende<br />
Nutzung e<strong>in</strong>zelner Anlagen <strong>in</strong> der Folgezeit ist damit aber<br />
ke<strong>in</strong>esfalls ausgeschlossen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Fällen nachgewiesen.<br />
Nach der ersten Konstruktions„welle” (MK I/II; Stufen nach Lün<strong>in</strong>g<br />
1967; ca. 4200/4000 v. Chr.) ist e<strong>in</strong>e zweite mehrere Jahrhunderte<br />
später <strong>in</strong> der Endphase der MK fassbar (MK V; ca. 3700/3600 v. Chr.).<br />
Hiermit verbunden ist e<strong>in</strong>e deutliche Ostverlagerung der Bautätigkeit<br />
mit dem Schwerpunkt im nordhessischen (Calden), ostwestfälischen<br />
(Rimbeck), niedersächsischen (Beusterburg, Wittmar) und<br />
vor allem im mitteldeutschen Raum (Halle, Schiepzig, Wallendorf).<br />
Hier gehören die monumentalen Erdwerke bereits <strong>in</strong> den Kontext<br />
der partiell michelsbergisch geprägten Baalberger Kultur („Hutberg-<br />
Gruppe”, siehe S. 29; 31 Abschnitt Baalberger Kultur).<br />
Neben den monumentalen Anlagen werden während der gesamten<br />
Zeitdauer der MK weiterh<strong>in</strong> auch kle<strong>in</strong>ere und kle<strong>in</strong>ste Erdwerke<br />
errichtet, die <strong>in</strong> der Größe eher den alt- und mittelneolithischen Vorgängeranlagen<br />
entsprechen (Beispiele: Miel, Goldburghausen, Bergheim,<br />
Dauernheim usw.).<br />
Übersichten zum Forschungsstand f<strong>in</strong>den sich bei Matuschik<br />
(1991), Meyer (1995), Andersen (1997), Petrasch (1998) und Raetzel-<br />
Fabian (1999; 2000 a).<br />
Form<br />
Die Grundrisse der Michelsberger Erdwerke lassen <strong>in</strong> ihrer Gestaltung<br />
kaum normative E<strong>in</strong>flüsse erkennen. Neben unregelmäßig oder<br />
oval umschlossene Areale (Mayen, Miel) treten halbkreisförmig an<br />
Flussufer bzw. Steilhänge angelehnte Anlagen (Urmitz, Wiesbaden)<br />
und Abschnittsgräben (Dauernheim, Kl<strong>in</strong>genberg, Leonberg). E<strong>in</strong>e Reihe<br />
von Anlagen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem vollständigen, ursprünglichen Grundriss<br />
nicht rekonstruierbar (Koslar, Nottuln, Soest). Für das Erdwerk von Calden<br />
und möglicherweise auch für das teilzerstörte Oberntudorf kann<br />
dagegen die bewusste Konstruktion e<strong>in</strong>er möglichst e<strong>in</strong>drucksvoll<br />
gestalteten, lang gestreckten „Präsentationsseite” wahrsche<strong>in</strong>lich gemacht<br />
werden (Raetzel-Fabian 1999; 2000 a, 89 f.). Dieses sehr spezielle<br />
architektonische Merkmal ist nicht auf die MK beschränkt, sondern f<strong>in</strong>det<br />
sich auch im E<strong>in</strong>flussbereich der mitteldeutschen Baalberger Kultur<br />
(Wittmar) sowie an niederländischen und britischen Anlagen.<br />
Auch die Ausgestaltung der Umhegung unterscheidet sich von<br />
Erdwerk zu Erdwerk. Das Spektrum reicht von Anlagen mit e<strong>in</strong>em<br />
Graben (z. B. Mayen) bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Zahl von fünf Gräben (Oberntudorf),<br />
wobei mehr als zwei Gräben eher die Ausnahme bilden. In vielen<br />
Fällen ist e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Gräben und Palisadenanlagen zu<br />
beobachten, wobei die Palisade meist e<strong>in</strong>e trennende Funktion zwi-