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Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

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ein Fernseher. Alles ist sauber, <strong>der</strong> Herd raucht und qualmt nicht, die<br />

Abzugshaube schützt vor unangenehmem Geruch.<br />

Als wir 1934 in Moskau ankamen, war unserem Vater vom<br />

Schriftstellerverband eine gerade fertiggestellte Zweiraumwohnung mit<br />

eigener <strong>Küche</strong> und Bad nahe dem Arbat zugewiesen worden. Das war<br />

damals ein riesiges Privileg. Denn in den unteren Stockwerken unseres<br />

Hauses hingen neben den Eingangstüren fünf bis sechs Namensschil<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Familien, die sich eine Einfamilienwohnung teilen mußten.<br />

Kommunalka, kommunale Wohnungen, wurden diese für das damalige<br />

Leben in Moskau charakteristischen Massenquartiere genannt. Ein Klo<br />

für sechs Familien, eine Herdplatte für sechs Hausfrauen. Das Warten am<br />

Herd konnte nur durch die auf dem <strong>Küche</strong>ntisch aufgereihten Kerosinkas,<br />

die Petroleumkocher, verkürzt o<strong>der</strong> umgangen werden. Kochte die Suppe<br />

auf dem Herd, mußte die Kascha auf dem Kocher gar werden. Nur so<br />

konnte ein Witz wie dieser geboren werden: Müde von <strong>der</strong> Arbeit nach<br />

Hause gekommen, löffelt <strong>der</strong> Ehemann seine Suppe. »Schmeckt die Suppe<br />

irgendwie nach Petroleum?« fragt er seine Frau. »Sicher hat die Manja<br />

Petroleum in den Topf gekippt«, antwortet die Frau. »Dann schütte ihr<br />

doch unsere Suppe in das Petroleum... «<br />

Blö<strong>der</strong> Witz. Aber was soll's? So wurden sie in den Kommunalkas<br />

erzählt. Natürlich konnten dort Nachbarn auch völlig normal<br />

zusammenleben. Dann wurde die gemeinsame <strong>Küche</strong> zu einer Hohen<br />

Schule <strong>der</strong> Gemeinschaft. In ihr erholte man sich von <strong>der</strong> Enge <strong>der</strong><br />

Wohnstuben und dem damit verbundenen Ärger, ja selbst Feiertage<br />

wurden dort gemeinsam begangen. Je<strong>der</strong> trug Speisen und Getränke bei.<br />

Der eine holte sein bestes goldumrandetes Geschirr, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e einen<br />

raffiniert gemischten Salat, <strong>der</strong> dritte brachte vielleicht seine Zimmertür,<br />

damit in <strong>der</strong> <strong>Küche</strong> eine richtige Festtagstafel angerichtet werden konnte.<br />

Wenn dabei Menschen unterschiedlicher Nationalität aufeinan<strong>der</strong>trafen,<br />

kam es zum Austausch von Erfahrungen, einer Voraussetzung <strong>der</strong> Meisterschaft<br />

beim Kochen. Auf diese Weise konnten in die russische (16)<br />

<strong>Küche</strong> <strong>der</strong> ukrainische Borstsch, jiddisches Zimmes, belorussische<br />

Dranniki (Kartoffelpuffer), usbekischer Plow o<strong>der</strong> <strong>der</strong> kaukasische<br />

Schaschlyk eindringen.<br />

Für den, <strong>der</strong> es sehr genau nimmt: Das Wort Schaschlyk kommt nicht<br />

aus dem Kaukasus. In Aserbaidschan heißt das Fleisch am Spieß Kebab,<br />

wie bei den meisten türkischen und arabischen Volkern. Die Georgier,<br />

denen das Gericht meist zugeschrieben wird, nennen es Mzwadi, die<br />

Armenier Chorowz. Das Wort Schaschlyk haben russische Soldaten von<br />

den Krim-Feldzugen im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t mitgebracht. Bei den Krim-<br />

Tataren gibt es das Wort Schisch für den Bratspieß. Schaschlyk wird also

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