09.03.2013 Aufrufe

Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Volk glücklicher zu machen, und schon beginnen die Agenten und<br />

Analytiker eine neue Runde. Das Leben entscheidet in <strong>der</strong> Regel auch<br />

dann meist wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s, und alles geht, wie gehabt, seinen alten Gang.<br />

Vermutlich hat sich Karume, <strong>der</strong> von jungen sozialistischen<br />

Feuerkopfen unterschiedlicher Couleur umgebene Senior <strong>der</strong><br />

Revolutionäre auf Sansibar, mit <strong>der</strong> Erfahrung des durch die Schule <strong>der</strong><br />

britischen Trade Unions gegangenen Pragmatikers gesagt: Wenn schon<br />

Sozialismus, dann keinen, <strong>der</strong> uns in Konflikt mit den Großen stürzt.<br />

Dann lieber einen nach dem Beispiel <strong>der</strong> Deutschen mit ihrer preußischen<br />

Organisation und ihrer hochentwickelten Technik. Vielleicht spielten auch<br />

Reminiszenzen eine Rolle, bei denen die ehemaligen (137) deutschen<br />

Kolonialherren besser abschnitten als die britischen. Ein mit <strong>der</strong><br />

Revolution zum Bürgermeister <strong>der</strong> Stadt Sansibar aufgestiegener, recht<br />

betagter Herr und enger Freund des Präsidenten schwärmte noch immer<br />

von seinem Dienst unter dem deutschen Obersten Hoffmann. Er war in<br />

<strong>der</strong> kaiserlichen Schutztruppe des Generals von Lettow-Vorbeck<br />

dabeigewesen, die sich bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gegen die<br />

überlegenen britischen Streitkräfte behauptete. Zu den Feuerköpfen in<br />

<strong>der</strong> Umgebung Karumes zählten auch zwei <strong>der</strong> aktivsten jugendlichen<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Revolutionsrates, die in <strong>der</strong> Nahe von Berlin die Schule <strong>der</strong><br />

Freien Deutschen Jugend (FDJ), des sozialistischen Jugendverbandes <strong>der</strong><br />

DDR, besucht und unser Land als nachahmenswertes Beispiel empfunden<br />

hatten.<br />

Wie dem auch gewesen sein mag, die DDR war von Sansibar zur Hilfe<br />

aufgerufen und mußte handeln. Daran gab es für uns keinen Zweifel. Da<br />

zu dem Ersuchen um wirtschaftliche Unterstützung auch die Bitte um<br />

Beratung bei <strong>der</strong> Sicherung <strong>der</strong> jungen Staatsmacht gegen Angriffe von<br />

außen kam, wurde ich um meine Meinung gefragt. Jedes Rezept will erprobt<br />

sein, ob <strong>der</strong> Arzt dem Kranken eine Medizin verschreibt o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Koch den Gästen eine neue Mahlzeit vorsetzt. Für Afrika besaß ich kein<br />

Rezept. Der Kontinent war für mich noch ein Buch mit sieben Siegeln, die<br />

Erfahrungen meines Dienstes in <strong>der</strong> Dritten Welt waren gleich Null.<br />

Gegenüber <strong>der</strong> Arbeit am Schreibtisch, an den ich die meiste Zeit<br />

gebunden war, empfand ich eher eine innere Abwehr als Genugtuung. Viel<br />

mehr interessierte mich <strong>der</strong> lebendige Kontakt zu Menschen, die hinter<br />

wichtigen Ereignissen standen, insbeson<strong>der</strong>e zu jenen, mit denen mein<br />

Dienst auf oft ganz unterschiedliche Weise zu tun hatte. Mich beschäftigte,<br />

daß für uns wichtige Frauen und Männer hinter Bergen von Papier zu<br />

verschwinden drohten. Mit <strong>der</strong> Anfrage <strong>der</strong> Sansibars sah ich eine<br />

Chance, dem Schreibtisch für einige Zeit zu entfliehen.<br />

Kurzerhand schlug ich Minister Mielke vor, selbst einen kleinen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!