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Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

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unseren Hochzeitstag gefeiert hatten. Das Alpenland kannte ich auch von<br />

an<strong>der</strong>en Reisen, die mit (37) meiner früheren Tätigkeit zu tun hatten.<br />

Doch dieses Mal war alles an<strong>der</strong>s. Kein Dienst stand hinter mir, <strong>der</strong> alle<br />

Etappen, jede Bewegung des Chefs, sorgfaltig geplant und vorbereitet<br />

hatte, kein in <strong>der</strong> Praxis des Handwerks geschulter Mitarbeiter nahm die<br />

vielen notwendigen Vorkehrungen für den sicheren Aufenthalt ab.<br />

Plötzlich hatte <strong>der</strong> Generaloberst a.D. an alles selbst zu denken, nur<br />

Andrea, die geliebte Frau an <strong>der</strong> Seite, treu und zuverlässig, aber in diesen<br />

Dingen völlig unerfahren.<br />

Gleich nach dem 3. Oktober erschien mein Konterfei fast täglich im<br />

Fernsehen und in den Zeitungen. Unter diesen Umstanden mußte je<strong>der</strong><br />

Schritt, je<strong>der</strong> Kontakt genau durchdacht sein. Wir empfanden beide<br />

dieses Abenteuer unterschiedlich. Andrea konnte die Fahrten durch das<br />

ihr bis dahin unbekannte Osterreich, dessen Sehenswürdigkeiten ich ihr<br />

zeigen wollte, überhaupt nicht genießen. Sie hatte einfach Angst um mich.<br />

Ich fürchtete mehr die scheinbare Normalität, in <strong>der</strong> die Wachsamkeit<br />

und die Aufmerksamkeit für jedes Detail nachlassen. Dann kann eine<br />

Situation eintreten, in <strong>der</strong> es auch dem Profi kalt über den Rucken lauft.<br />

An einer bestimmten Stelle <strong>der</strong> Alpen erinnerte ich mich <strong>der</strong> Begegnung<br />

mit einer wichtigen Quelle. Es war ein stets umsichtiger, in<br />

nachrichtendienstlichen Belangen erfahrener und erfindungsreicher<br />

Mann. Er hatte ein eigenes, originelles System zur Übermittlung<br />

chiffrierter Nachrichten über den »heißen Draht«, d. h. das Telefon,<br />

ausgearbeitet, über das beraten werden mußte. Dazu sollte das in<br />

Osterreich vorgesehene Treffen dienen. Eine etwas abgelegene Alm war<br />

ausgesucht, <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> Quelle dorthin bis in die letzte Einzelheit<br />

durchgecheckt, <strong>der</strong> letzte Teil unter Kontrolle des zuständigen<br />

Mitarbeiters festgelegt. Als <strong>der</strong> Treffpartner im Taxi eintraf, war klar,<br />

daß ihm keine Beobachtung gefolgt war. Nachdem, wie üblich, zur<br />

Begrüßung ein Glaschen geleert und das einleitende »Wie geht's, wie<br />

steht's?« beendet war, sollte das Gespräch »zur Sache« übergehen. Doch<br />

da kam <strong>der</strong> Schreck, bei dem einem die Haare zu Berge stehen. Gut haben<br />

es da nur die Kahlköpfigen, denen das nicht passieren kann. Die Tasche<br />

unseres Mannes war verschwunden. Und mit ihr (38) sämtliche, auf<br />

kleinen Zetteln notierte Informationen und Stichworte mit <strong>der</strong><br />

Erläuterung des von ihm erdachten Verbindungssystems. In Moskau hätte<br />

je<strong>der</strong> gedacht: geklaut. Aber in Österreich ? Am schnellsten konnte <strong>der</strong><br />

Jüngste in diesem Kreis wie<strong>der</strong> einen klaren Gedanken fassen. Er rief bei<br />

<strong>der</strong> Taxizentrale an, und nach zwei Stunden bangen Wartens war das<br />

brisante Corpus delicti wie<strong>der</strong> in den Händen seines Besitzers.<br />

Ich weiß nicht warum, doch an dieses Vorkommnis mußte ich denken,

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