09.03.2013 Aufrufe

Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

Markus Wolf Geheimnisse der russischen Küche

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Knochen lösen, kleinschneiden und zur Brühe geben, dazu den<br />

kleingehackten o<strong>der</strong> ausgepreßten Knoblauch und die restlichen Gewürze.<br />

15 Minuten kochen. Bei Bedarf salzen und mit gemahlenem Pfeffer<br />

abschmecken.<br />

Das Fleisch gleichmäßig in flache Schusseln verteilen, mit Eierscheiben<br />

und verschieden ausgeschnittenen Mohrenscheiben verzieren. Die Brühe<br />

darübergießen und abkühlen lassen. Die Sülze muß (auch ohne Gelatine)<br />

fest werden. Mit Meerrettich o<strong>der</strong> Senf servieren.<br />

Manner können sich auch bei den Iwanows ungestört am besten in <strong>der</strong><br />

<strong>Küche</strong> unterhalten.<br />

»Mischa, weißt Du, was Champagner auf Hausmacherart ist?« fragt<br />

mich Viktor bevor das Essen aufgetragen wird.<br />

»...?«<br />

»Das wäre, wenn wir beide Wodka trinken und unsere Frauen<br />

zischen...«<br />

Wie Verschwörer stoßen wir bei Tisch an, naschen schnell etwas vom<br />

Hering und den eingelegten Pilzen, bevor Lilly mit <strong>der</strong> Sülze erscheint,<br />

dem ersten kulinarischen Höhepunkt des Abends. Dieses bei den Iwanows<br />

gezauberte Gericht, ein echtes Stilleben, muß bewun<strong>der</strong>t werden, bevor es<br />

in einzelne Portionen zerlegt wird. Je<strong>der</strong> Gast erhalt unbedingt ein Stück<br />

mit einer kleinen Sonne aus Ei und einer Mohrensommersprosse.<br />

Man kann viel über das Essen reden, die gekonnte Zubereitung ist aber<br />

etwas ganz an<strong>der</strong>es. Fast je<strong>der</strong> kann schnell irgend etwas zum Essen<br />

brutzeln, ohne dabei Qualen des Schöpfertums zu erleiden. Derartige<br />

Speisen sind aber niemals mit unserem Mahl zu vergleichen, das mit einer<br />

echten Sakuska beginnt.<br />

Der für Gäste gedeckte russische Tisch ist stets ein festlicher! Und wenn<br />

<strong>der</strong> teure Gast, bereits gesättigt von <strong>der</strong> Sakuska, tief durchatmet und<br />

»Endlich geschafft!« seufzt, beginnt erst das eigentliche Essen: Die Suppe<br />

wird aufgetragen, dann das erste Hauptgericht, danach das zweite.<br />

Schließlich tritt eine Pause zur Entspannung ein, in <strong>der</strong> Erinnerungen<br />

gründlich ausgetauscht werden können, bis <strong>der</strong> (50) Tee kocht und <strong>der</strong><br />

Abend in seine letzte geruhsamere Phase tritt.<br />

Jede Stadt hat tausend Gesichter und tausend <strong>Geheimnisse</strong>. Das gilt für<br />

New York ebenso wie für Moskau, Berlin o<strong>der</strong> Wien... Für den<br />

Neuankömmling sind sie schwer zu entschlüsseln. Um diese Rätsel zu<br />

entschlüsseln, braucht er Freunde. Und nicht irgendwelche Freunde, die<br />

auf die Schnelle aus Neugier o<strong>der</strong> eines Vorteils wegen zugewachsen sind.<br />

Bei echten Freunden wird er sich nie als Auslän<strong>der</strong> fühlen, selbst wenn <strong>der</strong><br />

Besucher ihre Sprache nicht beherrscht. Wohlgemeinte Aufrichtigkeit<br />

bedarf keiner Dolmetscher.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!