1/2013 - GdF Gewerkschaft der Flugsicherung eV
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Dieser Gebührenstreit sagt jedoch nichts über die Qualität<br />
und den Sicherheitsstandard Ryanairs aus. Allerdings haben<br />
sich in <strong>der</strong> letzten Zeit einige Zwischenfälle ereignet, die den<br />
irischen „Billigflieger“ in die Schlagzeilen brachten. Da war<br />
die „Fahrerflucht“ einer Ryanairbesatzung in Barcelona, als<br />
sie mit <strong>der</strong> rechten Tragfläche das Höhenru<strong>der</strong> einer B767<br />
touchiert hatte und trotz entsprechen<strong>der</strong> Hinweise ihrer Passagiere<br />
gestartet war (siehe „flugleiter“ 4/2012, S. 48/49)<br />
o<strong>der</strong> die Ereignisse vom 26. Juli 2012, als gleich drei Ryanairflüge<br />
Luftnotlage erklärten, nachdem sie wegen eines Unwetters<br />
über Madrid nach Valencia auswichen und dort Probleme<br />
mit <strong>der</strong> verbleibenden Spritmenge bekamen (siehe<br />
„flugleiter“ 5/2012, S. 18ff.). Schließlich sollten auch noch<br />
die Vorfälle von Memmingen und von Eindhoven erwähnt<br />
werden. In Eindhoven hatte sich eine Ryanair-Besatzung ohne<br />
Startfreigabe „vom Hof gemacht“. Dass sie zuvor auch<br />
noch eine an<strong>der</strong>e als die von ATC zugewiesene Rollbahn benutzte,<br />
ist dabei fast unerheblich. Und in Memmingen hatte<br />
eine B737-800 <strong>der</strong> irischen Airline beim Sichtanflug die Mindestflughöhe<br />
unterschritten. Ein Vorgang, auf welchen noch<br />
zurückzukommen ist.<br />
Nun unterlaufen auch Besatzungen an<strong>der</strong>er, durchaus renommierter<br />
und für ihren hohen Sicherheitsstandard bekannten<br />
Fluggesellschaften hin und wie<strong>der</strong> ein paar Arbeitsfehler. Was<br />
natürlich auch für Fluglotsen gilt. Schließlich sind wir Menschen<br />
fehlbare Wesen. Sicher ist schon mancher Pilot bei einem<br />
Sichtanflug etwas tiefer geraten als er dies eigentlich<br />
geplant hatte, o<strong>der</strong> ist – aus welchen Gründen auch immer –<br />
zur „falschen“ Höhe gesunken o<strong>der</strong> gestiegen. Der Verfasser<br />
dieser Zeilen kann sich noch an die Crew einer Condor B727<br />
erinnern, die sich ohne Startfreigabe in Richtung Kanaren aufmachte.<br />
Und auch die Besatzungen an<strong>der</strong>er Fluggesellschaften<br />
sahen sich schon mal gezwungen, aufgrund <strong>der</strong> verbleibenden<br />
Treibstoffmenge, Luftnotlage zu erklären („fuel<br />
emergency“). „Shit happens“. Die Frage dabei ist nur, wie<br />
damit umgegangen wird. Sowohl innerhalb <strong>der</strong> jeweiligen Airline<br />
bzw. Organisation als auch in <strong>der</strong> Öffentlichkeit, wenn ein<br />
<strong>der</strong>artiger Vorfall publik geworden ist. Es ist also eine Frage<br />
des „Safety Managements“ und <strong>der</strong> „Public Relation“.<br />
Wie gut (o<strong>der</strong> schlecht) das „Safety Management“ von Ryanair<br />
funktioniert bzw. welche Sicherheitskultur dort gepflegt<br />
wird, kann natürlich von Außenstehenden nicht beurteilt<br />
werden. Dies können letztlich nur die Piloten tun. Die haben<br />
einer Pressemeldung <strong>der</strong> Vereinigung Cockpit und des Luftfahrtnachrichtenportals<br />
„aero.de“ zufolge übrigens im November<br />
letzten Jahres mit <strong>der</strong> „Ryanair Pilot Group RPG“ eine<br />
eigene Organisation gegründet, um ihre Interessen hinsichtlich<br />
Sicherheit, Arbeitsbedingungen und Gehalt gegenüber<br />
dem Management zu artikulieren. 99,3% sämtlicher Piloten<br />
haben im Dezember die RPG beauftragt, ihre Interessen zu<br />
vertreten; 94,6% <strong>der</strong> Abstimmenden waren dafür, das „gegenwärtige<br />
System <strong>der</strong> Interessenvertretung durch das Management“<br />
zu beenden. Was darauf schließen lässt, dass bei<br />
Ryanair bisher vom Management mehr o<strong>der</strong> weniger in<br />
„Gutsherrnart“ entschieden wurde, was gut o<strong>der</strong> schlecht<br />
für das Personal ist.<br />
Airlines<br />
AIRLINES<br />
Die juristische Keule<br />
Sind irgendwelche mehr o<strong>der</strong> weniger gravierende Zwischenfälle<br />
in die Öffentlichkeit gelangt, dann reagieren Pressestellen<br />
erst einmal ausweichend, dementieren eventuell<br />
die ganze Angelegenheit und erklären <strong>der</strong> staunenden Öffentlichkeit,<br />
dass alles ganz an<strong>der</strong>s gewesen wäre als dies in<br />
den Medien dargestellt worden war. Das ist eine völlig normale<br />
Reaktion und weshalb sollte dies bei Ryanair auch an<strong>der</strong>s<br />
sein? Schließlich sind Pressestellen nicht unbedingt <strong>der</strong><br />
Wahrheit verpflichtet. Ihre Aufgabe liegt bekanntlich darin,<br />
ihre Firma so gut wie möglich zu verkaufen. Und mit <strong>der</strong><br />
Wahrheit nur scheibchenweise rauszurücken.<br />
Doch damit scheint es <strong>der</strong> irische Carrier nicht immer zu belassen.<br />
Nach dem Zwischenfall von Valencia hatten <strong>der</strong> spanische<br />
Pilotenverband SEPLA und die Vereinigung Cockpit<br />
kritisiert, dass Ryanair ihre Piloten unter ökonomischen<br />
Druck setze und sie auffor<strong>der</strong>e, für ihre Flüge so wenig Treibstoff<br />
wie möglich an Bord zu nehmen. Worauf Ryanair dem<br />
spanischen Verband mit einer Unterlassungsklage drohte,<br />
da ihre Äußerung dem guten Ruf <strong>der</strong> Fluggesellschaft schade<br />
(siehe auch „flugleiter“ 04/2012, S. 50).<br />
Ähnliche Erfahrung musste auch das Luftfahrtportal „The<br />
Aviation Herald“ machen. Dieses existiert seit mehr als vier<br />
Jahren und berichtet über kleinere und größere Zwischenfälle,<br />
über Unfälle und Ereignisse, bei denen ein Unfall gerade<br />
noch einmal verhin<strong>der</strong>t werden konnte. Da ist für jeden etwas<br />
darunter. Runway-in- und -excursions, Triebwerksausfälle,<br />
üble Gerüche im Cockpit, Verletzte durch Turbulenzen,<br />
„Non-Compliance“ mit <strong>Flugsicherung</strong>sverfahren und was<br />
sich sonst noch so ereignen kann. Und natürlich berichtet<br />
<strong>der</strong> Aviation Herald auch über Vorgänge, bei denen die <strong>Flugsicherung</strong><br />
eine Rolle gespielt hat. Mehr als 12 000 Meldungen<br />
haben die Herausgeber dieses Portals seitdem „gepostet“.<br />
Für interessierte Leser, die den Aviation Herald noch<br />
nicht kennen, aber wissen wollen, was sich täglich weltweit<br />
auf dem Gebiet <strong>der</strong> Zivilluftfahrt ereignet, dem sei dort ein<br />
Besuch empfohlen (www.avherald.com).<br />
✈ Beim Sichtanflug nach Memmingen zu tief gekommen<br />
– Ryanair B737-800 in Berlin-Schönefeld.<br />
Photo: Bianca Renz<br />
<strong>der</strong> flugleiter <strong>2013</strong>/01<br />
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