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Schopenhauer und das Erkennen der Welt

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Objekt?, fragt <strong>Schopenhauer</strong> <strong>und</strong> sucht damit eine Antwort die Frage: was ist<br />

Materie? Und er erkennt, <strong>das</strong>s jedes materielle Objekt nur <strong>und</strong> ausschließlich<br />

im Kontext von Einwirkungen in Bezug auf ein an<strong>der</strong>es Objekt existiert <strong>und</strong><br />

somit eine Erscheinung im Netz von Ursache <strong>und</strong> Wirkung ist. Das, so folgert<br />

er weiter, ist <strong>das</strong> Wesen <strong>der</strong> Materie: sie ist Wirkung. Materie ist Wirkung.<br />

Und wir bezeichnen die Vorstellungen, die wir uns von den Wirkungen<br />

machen als "Materie".<br />

Die Realität <strong>der</strong> materiellen Wirklichkeit ist also Wirkung. Wir erfahren diese<br />

Wirkungen in Raum <strong>und</strong> Zeit. Beide, Raum <strong>und</strong> Zeit beruhen auf abstrakten<br />

Anschauungen. Denn <strong>das</strong>, was wir zeitlich als Vorher <strong>und</strong> Nachher, <strong>und</strong> was<br />

wir räumlich als ein Hier <strong>und</strong> ein Dort erkennen sind Abstraktionen des<br />

Subjekts; es sind Vorstellungen, mit <strong>der</strong>en Hilfe <strong>der</strong> Mensch die<br />

Erscheinungen betrachtet <strong>und</strong> ordnet. Für die intuitive <strong>und</strong> unmittelbare<br />

Anschauung existiert nur ein komplexes Netz von Hier <strong>und</strong> Jetzt. Erst die<br />

Vorstellung von Raum <strong>und</strong> Zeit führt zur Vorstellung von Materie. Das aber<br />

bedeutet, <strong>das</strong>s die Vorstellung von Materie ein sensorisches Erleben<br />

voraussetzt, <strong>das</strong> mit <strong>der</strong> abstrakten Vorstellung von Raum <strong>und</strong> Zeit verknüpft<br />

wird. Dieser Zusammenhang sagt uns im Umkehrschluss, <strong>das</strong>s die Materie<br />

ausschließlich im Kontext eines sensorisch erlebenden Subjekts erscheint, <strong>das</strong><br />

dieses Erleben in Verbindung seiner Anschauung von Raum <strong>und</strong> Zeit<br />

strukturiert.<br />

Für den philosophischen Realismus ist <strong>das</strong> Objekt die Ursache für <strong>das</strong><br />

Subjekt. Für den philosophischen Idealismus ist <strong>das</strong> Subjekt die Ursache für<br />

<strong>das</strong> Objekt. <strong>Schopenhauer</strong> sieht es so, <strong>das</strong>s Objekt <strong>und</strong> Subjekt zwei<br />

verschiedene <strong>und</strong> koexistente Seiten des Einen Willens sind. Im Licht dieser<br />

Betrachtung lässt sich ein Objekt ohne Subjekt nicht vorstellen; <strong>und</strong> <strong>das</strong><br />

bedeutet: die Objekte, die als materielle Formen erscheinen, bedürfen des<br />

Subjekts; <strong>und</strong> <strong>das</strong> Subjekt bedarf <strong>der</strong> Objekte, um sich erfahren zu können.<br />

Das Eine kann nicht ohne <strong>das</strong> An<strong>der</strong>e sein. Es gibt keine Erscheinung eines<br />

Objekts ohne Subjekt; <strong>und</strong> es gibt kein Subjekt, ohne die <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> Objekte.<br />

Copyright Atelier Edition Hanus, München 2007 11

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