Programmheft - Filmtage Tübingen
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GLAUBER ROCHA<br />
56<br />
O dragão da maldade<br />
contra o santo guerreiro<br />
(Antonio das Mortes)<br />
Deus e o diabo na<br />
terra do sol<br />
Glauber Rocha und seine Ȁsthetik des<br />
Hungers«: Ein Kinorevolutionär in Trance<br />
Um keinen anderen Regisseur des brasilianischen Cinema<br />
Novo ranken sich so viele Mythen, keiner hat mit seinen Werken<br />
so provoziert und polarisiert wie der 1981 im Alter von<br />
nur 43 Jahren verstorbene Glauber Rocha. Er war der kreativste,<br />
bild- und wortgewaltigste Visionär und innovativste<br />
Regisseur des Cinema Novo – jener Bewegung junger brasilianischer<br />
Filmemacher, die sich seit Ende der 1950er daran<br />
machten, ein radikales, gesellschaftskritisches Kino in die Tat<br />
umzusetzen.<br />
Ziel des Cinema Novo war die »Entkolonisierung der Köpfe«.<br />
Glauber Rocha proklamierte ein visuell und politisch radikales<br />
Kino, eine »Ästhetik des Hungers«, der Wut, der Gewalt.<br />
Bereits in seinem ersten Spielfilm Barravento (1962) thematisierte<br />
er das Elend<br />
der Fischer in seiner<br />
Heimatprovinz Bahia.<br />
Ähnlich wie viele seiner<br />
Kollegen vom<br />
Cinema Novo zog es<br />
Rocha immer wieder<br />
in den Sertão, den<br />
bitterarmen Nordosten<br />
Brasiliens. Dort drehte<br />
er Filme wie Deus e o<br />
diabo na terra do sol<br />
(1964) oder O dragão<br />
da maldade contra o<br />
santo guerreiro (Antonio das Mortes) (1969). Im Gegensatz zu<br />
Regisseuren wie Nelson Pereira dos Santos oder Ruy Guerra<br />
hatten bei Glauber Rocha alle Figuren etwas<br />
Übersteigertes, waren symbolisch aufgeladene<br />
Akteure eines Dramas, das wie ein atavistischer<br />
Kampf anmutete. Hier ging es nicht nur darum,<br />
soziale Ungerechtigkeiten anzuklagen. Hier war<br />
jemand am Werke, der auch die Bildsprache des<br />
Kinos revolutionieren wollte. In dieser Hinsicht<br />
gab es eine Seelenverwandtschaft zwischen<br />
Glauber Rocha und der Avantgarde des europäischen<br />
Autorenkinos à la Jean-Luc Godard, von<br />
welchem er fasziniert war. Gleichzeitig fühlte<br />
Glauber Rocha sich, ebenso wie seine Mitstreiter vom Cinema<br />
Novo, als Avantgarde einer internationalistischen Bewegung,<br />
die eines Tages Filmemacher aus ganz Lateinamerika sowie<br />
aus den anderen Ländern des Südens umfassen sollte.