Programmheft - Filmtage Tübingen
Programmheft - Filmtage Tübingen
Programmheft - Filmtage Tübingen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Der Militärputsch 1964 in Brasilien versetzte sämtlichen sozialen<br />
und kulturellen Bewegungen des Landes einen harten<br />
Schlag. Dennoch blieben die meisten Filmemacher des Cinema<br />
Novo im Land, verlegten sich auf einen<br />
metaphern- und anspielungsreichen »tropikalistischen«<br />
Stil, versteckten Kritik an den herrschenden<br />
Zuständen in Symbolismen, Allegorien<br />
und historischen Anspielungen.<br />
Ein Schlüsselwerk des Cinema Novo, das am<br />
stärksten die damalige Orientierungslosigkeit<br />
und abgrundtiefe Verzweiflung vieler Linker<br />
widerspiegelt, ist Terra em transe (1967). Eine<br />
Collage aus Erinnerungsfragmenten, die zwischen<br />
verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringen.<br />
Die Mischung aus Chaos und kunstvoller Diskontinuität,<br />
aus abgebrochenen Gedankengängen und vollendetem<br />
Pathos erinnert an Orson Welles’ Citizen Kane und<br />
übt zum eine harte (Selbst-)Kritik an der Handlungsblockade<br />
und Weltfremdheit vieler progressiver Intellektueller. Zum<br />
anderen ist der Film gleichzeitig eine Abrechnung mit der<br />
politischen Klasse, die nicht nur Brasilien, sondern ganz<br />
Lateinamerika fest im Griff hat. Die einzige Figur des Films,<br />
die innere Kohärenz und Integrität ausstrahlt, ist Sara, die das<br />
Realitätsprinzip verkörpert und eine gesunde Skepsis an den<br />
Tag legt, während die männlichen Protagonisten ständig<br />
falschen Propheten hinterherrennen.<br />
Rochas letzter Film A idade da terra (1980), den er kurz vor seinem<br />
frühen Tod 1981 fertig stellte, steckt voller faszinierender<br />
Bilder, Gedanken und Visionen und ist seine experimentellste<br />
Arbeit, die erneut zeigt, dass er ein kompromissloser Avantgardist<br />
und ein Kultregisseur für einen kleinen Kreis von Cineasten<br />
auf beiden Seiten des Atlantiks ist.<br />
Glauber Rocha, 1938 in Vitória da Conquista in Bahia, Brasilien,<br />
geboren, wächst in Salvador auf. Schon in seiner Jugend<br />
politisch stark aktiv begann er mit 16 Jahren freischaffend für<br />
eine lokale Zeitung zu schreiben und debütierte als Filmkritiker.<br />
1959 produzierte er seinen ersten Kurzfilm O pátio<br />
und verfolgte seitdem eine journalistische sowie filmschaffende<br />
Karriere. 1971, während der Militärdiktatur, verließ er<br />
Brasilien und ging freiwillig ins Exil. Er wohnte u. a. in Spanien,<br />
Chile und Portugal. Er kehrte erst wegen einer Lungeninfektion<br />
nach Rio de Janeiro zurück, wo er 1981 im Alter von<br />
43 Jahren verstarb. EH<br />
Glauber Rocha<br />
bei den Dreharbeiten zu<br />
Terra em transe<br />
Filmographie Glauber Rocha:<br />
1980 A idade da terra<br />
1979 Jorjamado no cinema<br />
1977 Di Cavalcanti (cm)<br />
1975 Claro<br />
1974 As armas e o povo<br />
1974 História do Brasil<br />
1972 Câncer<br />
1970 Cabeças cortadas<br />
1969 O leão de sete cabeças<br />
1969 O dragão da maldade<br />
contra o santo guerreiro<br />
(Antonio das Mortes)<br />
1967 Terra em transe<br />
1966 Maranhão 66 (cm)<br />
1965 Amazonas, Amazonas (cm)<br />
1964 Deus e o diabo na terra do sol<br />
1962 Barravento<br />
1959 Cruz na praça<br />
1958 O pátio (cm)<br />
Terra em transe<br />
57