01.06.2012 Aufrufe

Opferschutz

Opferschutz

Opferschutz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vortrag Dr. Albin Dearing „Grundsätze des Gewaltenschutzgesetzes“<br />

Tendenzen gegenüber hat die klare Botschaft an den Täter, dass er Unrecht begangen und<br />

dieses auch selbst zu verantworten hat, eine wichtige spezialpräventive Funktion.<br />

Freilich kann die Polizei diese Funktion nur vorläufig erfüllen, der Schwerpunkt ihres<br />

Handelns liegt auf der Gefahrenabwehr, nicht auf der Beurteilung des Geschehens. Dafür ist<br />

primär die Strafjustiz zuständig. Die Frage ist also, welchen Beitrag die Strafjustiz zur<br />

Umsetzung der Reform in Österreich leistet. Die Antwort ist leider sehr ernüchternd.<br />

Bei der Erarbeitung der Reform hat es neben jenen drei Arbeitsgruppen, die an den<br />

genannten drei Säulen gearbeitet haben, noch eine vierte, nämlich strafrechtliche Gruppe<br />

gegeben, die jedoch in wesentlichen Fragen keinen Konsens erzielen konnte.<br />

Dies ist nicht erstaunlich. Denn auf Österreich hatte der Opfer-Rechte-Diskurs zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht übergegriffen. Dieser hatte zwar im Jahre 1985 sowohl zu einer<br />

grundlegenden Deklaration der UN als auch zu einer wichtigen Resolution des Europarates<br />

geführt. Doch waren diese Dokumente von der österreichischen Fachöffentlichkeit kaum<br />

wahrgenommen worden und jedenfalls ohne jede Wirkung geblieben. Der dringend<br />

erforderliche grundsätzliche Umdenkprozess der österreichischen Strafjustiz hat damals<br />

nicht stattgefunden und steht in Wahrheit bis heute aus.<br />

Strafrecht und Menschenrechte. Im Kern geht es um die Frage, was eine Straftat ist.<br />

Dem überkommenen Strafrechtsverständnis gilt eine Straftat als die Missachtung einer<br />

staatlichen Norm durch einen Straftäter. Es gilt, also die staatliche Rechtsordnung gegen<br />

ihre Missachtung zu bestätigen. Der Strafprozess ist dann die Durchsetzung eines<br />

staatlichen Strafanspruchs gegen den Täter. Wegen dieser grundlegenden Annahme, dass<br />

die Strafjustiz staatliche Ansprüche zu verwirklichen habe, werde ich diese Auffassung als<br />

etatistisch bezeichnen.<br />

Hingegen ist in der menschrechtlichen Perspektive eine Straftat eine Missachtung der<br />

Rechte des Opfers. Diese Perspektive macht also nicht bei der staatlichen Rechtsordnung<br />

Halt, sondern sieht diese als ein bloßes Mittel zum Schutz der subjektiven Rechte der in der<br />

Rechtsgemeinschaft lebenden Individuen. Auf eine knappe Formel gebracht, geht es in<br />

dieser Sicht nicht um das Recht im objektiven Sinne der abstrakten Normenordnung,<br />

sondern um das mit der Straftat missachtete Recht des Opfers auf Würde und auf die<br />

Integrität seiner Rechtssphäre. Aus dieser Beeinträchtigung erwächst dem Opfer ein<br />

doppelter Anspruch, nämlich auf die möglichste Begrenzung seiner Beeinträchtigung und auf<br />

einen fairen Ausgleich für die Schädigung.<br />

10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!