Opferschutz
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Vortrag Dr. Albin Dearing „Grundsätze des Gewaltenschutzgesetzes“<br />
Verhinderung von Gewalt in der Privatsphäre zweifeln. Ihre frühere Zurückhaltung war ja aus<br />
der Annahme gespeist, dass es nicht wirklich die Polizei angehe, was sich in Familien<br />
abspielt, und dass im Übrigen die Polizei auch gar nicht die Mittel habe, um in Familien zu<br />
intervenieren. Demgegenüber ist heute allen in der Polizei klar, dass Gewalt auch dann eine<br />
öffentliche Angelegenheit ist, wenn sie sich in der Privatsphäre abspielt.<br />
Natürlich hat sich der Staat an sich nicht dafür zu interessieren, wie Menschen zusammen<br />
leben und wohnen. Dieser Anspruch der Privatsphäre, der Familie und der Wohnsphäre auf<br />
staatliche Non-Intervention findet jedoch dort eine klare Grenze, wo es der staatlichen<br />
Intervention bedarf, um Menschen vor Gewalt zu schützen, um mithin das Recht jedes<br />
Menschen auf Sicherheit zu gewährleisten.<br />
Dieses Recht auf Sicherheit ist schwerer einzulösen und verlangt eine längere<br />
Intervention, wenn es um eine Gewaltbeziehung geht, mithin um eine relativ stabile<br />
Beziehung, in der einem Menschen die Gewalt eines anderen droht. Solange eine solche<br />
Beziehung besteht, droht weiterhin Gewalt. Die neue Routine unterscheidet sich von der<br />
alten Geschichte durch einen weiteren Zeithorizont. Es geht nun nicht mehr darum, dass es<br />
in dieser Nacht nicht wieder zur Gewalt kommt, sondern auch noch um die nächsten<br />
Wochen und Monate. Deshalb ist damit, dass die Situation kurzfristig beruhigt wird, gar<br />
nichts gewonnen. Vielmehr braucht es längerfristige Interventionen, um der Frau einen<br />
Ausstieg aus der Gewaltbeziehung zu ermöglichen und dem Täter die Chance zu geben, das<br />
Unrecht seines Verhaltens einzusehen und dafür die Verantwortung zu übernehmen.<br />
Dieses Ziel kann die Polizei allerdings nicht aus eigenem verwirklichen; es bedarf zwar<br />
unbedingt der Polizei, um den Kreislauf der Gewaltbeziehung erst einmal zu unterbrechen;<br />
dann jedoch müssen andere Institutionen nachfolgen, um längerfristig das entstandene<br />
Machtungleichgewicht zu mildern, indem die Position der Frau gestärkt und der Gefährder<br />
wirksam in seine Schranken gewiesen wird.<br />
Kriminelles Verhalten. Der nächste Unterschied besteht darin, dass die neue Routine<br />
Gewalt als Gewalt behandelt, also damit aufhört, Gewalt dann, wenn sie sich in der<br />
Wohnsphäre ereignet, als Familienstreitigkeit, als eheliche Auseinandersetzung oder als<br />
einen privaten Konflikt herunterzuspielen. Diese Verharmlosung beginnt allemal bei der<br />
Sprache, die das Problem definiert und dabei so zurichtet, wie es zur anschließenden<br />
Intervention passt. Der Streit verlangt nach Schlichtung, der Konflikt nach Deeskalation.<br />
Gewalt braucht hingegen eine klare Missbilligung, am besten durch ein Strafgericht. Die<br />
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