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Deutsche UNESCO-kommission e.V: Jahresbericht 2008 Vorwort des Präsidenten Das 21. Jahrhundert ist erst wenige Jahre alt. Und doch wird bereits deutlich, dass die Zeitenwenden-Rhetorik, die den kalendarischen Übergang begleitete, vielleicht berechtigter war, als uns lieb sein kann. Die Neuverhandlung eines globalen Interessenausgleichs nach dem Ende des Kalten Kriegs hat zu erheblichen Verwerfungen geführt, deren Folgen uns noch lange beschäftigen werden. Zugleich verdichtet sich die besorgniserregende Datenlage zum globalen Klimawandel. Hinzu kommt nun eine dramatische Finanz- und Wirtschaftskrise, deren Ausmaße noch immer nicht absehbar sind. Der Philosoph Peter Sloterdijk beschrieb in einem Interview die gegenwärtige Situation mit der lakonischen Feststellung: „Wir müssen unser Leben entscheidend ändern, weil wir andernfalls an einem ökonomischen und ökologischen Selbstauslöschungsprogramm teilnehmen.“ Dies ist auf den Punkt gebracht auch die zentrale Botschaft der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung, die für die Jahre 2005-2014 ausgerufen wurde. Wir sind bereits in der Halbzeit dieser Dekade angekommen, die in Deutschland mit finanzieller Unterstützung des BMBF von der Deutschen UNESCO-Kommission koordiniert wird. Wir dürfen sagen, dass wir erfolgreich waren, da diese deutsche Umsetzung inzwischen weltweit als modellhaft gilt. Der Umstand, dass die große UNESCO- Weltkonferenz zur Halbzeit der Dekade in Bonn stattfinden konnte, ist auch eine Anerkennung der hier geleisteten Arbeit. Aber wir müssen sehr selbstkritisch sein bei der Antwort auf die Frage, was bisher wirklich erreicht wurde. Von der großen Bonner Konferenz gehen starke Impulse aus. Dennoch ist offensichtlich, dass wir den notwendigen Wandel unserer Gesellschaften noch viel energischer und wirkungsvoller vorantreiben müssen, als das bisher gelungen ist. Die ökonomische und ökologische Seite 5 Krise der Gegenwart sendet klare Signale, dass unsere Wertschöpfungsketten dabei sind, aus den Fugen zu geraten. Wie uns durch den zunehmenden Gebrauch der elektronischen Verortung durch GPS der Orientierungssinn in der realen Topographie abhanden kommt, so führt uns vielleicht die zunehmende Virtualität der digitalen Repräsentation des Wirklichen zusehends in die Irre. Wir brauchen einen neuen Wirklichkeitssinn für das, was den Menschen ausmacht: Sinn, Verstehen, soziale Bindung, Empfänglichkeit für die Würde der lebendigen Natur. Dies ist vielleicht die zentrale Herausforderung der Nachhaltigkeit. Politik muss, wie Sloterdijk zu Recht fordert, wieder die Fähigkeit für „luzide Langzeitprojekte“ entwickeln. Dies ist exakt der Ansatz, den die UNESCO verfolgt. Als zwischenstaatliches Forum von 193 Mitgliedstaaten entwickelt sie die Sicht für politische Projekte der „longue durée“. Die Universalität ihrer Mitgliedschaft verhilft ihr dabei zu einem globalen Mandat. Aber auch die UNESCO wird sich noch viel stärker als bisher darauf ausrichten müssen, Bildung, Kultur und wissenschaftliche Expertise zu bündeln, um auf die globalen Herausforderungen angemessene Antworten zu finden. Dabei muss das besondere Augenmerk der Jugend gelten, also denen, die unser eklatantes Defizit an Nachhaltigkeit am meisten betrifft. Es lohnt sich, dass wir uns in der gegenwärtigen Wertekrise unserer kostbaren philosophischen Traditionen erneut vergewissern. Philosophie ist die Arbeit des Menschen an kritischer Reflexion. Bildung für nachhaltige Entwicklung bedeutet in diesem Sinne, jungen Menschen Selbstbewusstsein und Kritikfähigkeit gegenüber den glänzenden technischen Oberflächen der digitalen Mediengesellschaft zu vermitteln. Wir verstehen unsere Publikation „Eine Schule der Freiheit
Seite 6 Deutsche UNESCO-kommission e.V: Jahresbericht 2008 – Philosophie in der Grundschule“ als einen Beitrag dazu. Es reicht heute nicht mehr, dass die Eule der Minerva in der Dämmerung zum Flug anhebt, wenn das Tagesgeschäft gelaufen ist. Vor diesem Hintergrund freue ich mich besonders, dass die Deutsche UNESCO-Kommission mit Förderung des Auswär tigen Amts das Projekt des internationalen Jugendfreiwilligendienstes „kulturweit“ umsetzen kann, das jungen Erwachsenen aus Deutschland die Möglichkeit gibt, über ein ehrenamtliches Engagement konkrete Erfahrungen in gelebtem Weltbürgertum zu machen. Dabei ist hervorzuheben, dass neben den bewährten Mittlern der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik auch die UNESCO-Kom missionen einer ganzen Reihe von Ländern junge Freiwillige aus Deutschland aufnehmen. Dies ist ein Beitrag zur Stärkung des einzigartigen Netzwerks von weltweit 196 nationalen UNESCO-Kommissionen. Die Deutsche UNESCO-Kommission genießt international einen ausgezeichneten Ruf, was mir immer wieder in Gesprächen mit Delegierten anderer Länder versichert wird. Die ehrenamtlichen Mitglieder leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur erfolgreichen Arbeit der Kommission. Dafür danke ich Ihnen. Bleiben Sie uns verbunden, wir setzen auch weiterhin auf Ihre vielfältige Unterstützung und Expertise. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sekretariat spreche ich für ihr großartiges Engagement und ihre erfolgreiche Arbeit meine Anerkennung aus. Auch wenn die Aufgaben, die vor uns liegen, immer größer zu werden scheinen, so geben uns die sichtbaren Erfolge Kraft für den weiteren Weg. Ihr Minister a.D. Walter Hirche Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission
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