Paraplegiker 3/2011
Paraplegiker 3/2011
Paraplegiker 3/2011
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unterwegs<br />
Berlin, Berlin<br />
– da will ich hin!<br />
Berlin ist bereits schon<br />
lange eine Reise wert und<br />
viele verbinden damit<br />
schöne Erinnerungen.<br />
Aber einmal im Leben<br />
wirklich problemlos das<br />
zu tun, was man spontan<br />
möchte und es besonders<br />
mit „Fußgängern“ Seite<br />
an Seite gemeinsam zu<br />
genießen, dies ist für<br />
Rollstuhlfahrer in Berlin<br />
noch nicht lange selbstverständlich.<br />
24<br />
Fahrstuhl zum Oberdeck<br />
der „Havel Queen“.<br />
PARAPLEGIKER 3/11<br />
Erst mit dem Umzug des Regierungssitzes verschwanden<br />
die Barrieren für behinderte Bewohner<br />
und Touristen. U- und S-Bahnstationen erhielten<br />
einen Aufzug, alte Gebäude barrierefreie<br />
Zugänge und Toilettenlagen. Neue Gebäude<br />
wurden barrierefrei geplant und gebaut.<br />
Der Neu- und Umbau der Museumsinsel z.B., ein<br />
riesiges Projekt, berücksichtigt in allen Details<br />
die Vorschriften für Barrierefreiheit, ebenso wie<br />
das neue 4-Sterne-Hotel „Scandic“ am Potsdamer<br />
Platz. Mit 60 barrierefreien Zimmern hat es<br />
zehn Prozent seiner Kapazitäten für Reisende<br />
und Gäste mit Behinderung vorgesehen.<br />
Und noch mehr verändert sich immer<br />
wieder zum Positiven in dieser<br />
pulsierenden Metropole Deutschlands,<br />
in der es keine Sperrzeiten<br />
gibt und die Lokale rund um die Uhr<br />
geöffnet sind. Die Touristikbranche<br />
hat nun auch den Marktwert behinderter<br />
Reisender erkannt und richtet<br />
sich darauf ein, Rollstuhlfahrer mit<br />
günstigen Gruppenreise-Angeboten<br />
zu locken.<br />
Ein beispielhaftes Unternehmen ist<br />
die Agentur „Berlin for all“. Durch<br />
ein durch und durch individuelles<br />
Betreuungsverhalten der Mitarbeiter<br />
für den Einzelnen ist sie nur zu<br />
empfehlen, wenn man mal eine erholsame<br />
Reise nach Berlin unternehmen<br />
will und in kurzer Zeit viel erleben<br />
möchte, egal ob in einer Gruppe<br />
oder auch als Individualtourist.<br />
Geschäftsführer der Agentur ist Felix Karsch,<br />
immer gerne bereit sich persönlich um den behinderten<br />
„Gast Berlins“ zu bemühen, spontane<br />
Wünsche zu erfüllen und Probleme zu beseitigen.<br />
Er betreute während dessen Aufenthaltes<br />
in Berlin auch Rijul Kochhar (23 Jahre alt), Tetra-<br />
Rijul Kochhar, Tetraplegiker und<br />
Soziologie-Student aus Neu Delhi.<br />
plegiker, Elektrorollstuhlfahrer und indischer Student<br />
der Soziologie an der Universität von Neu<br />
Delhi. Felix Karsch arrangierte für ihn das Treffen<br />
mit dem Autor. In einem Straßenkaffee Alt-Tegels<br />
trafen sich beide zu einem ausführlichen Informationsaustausch<br />
über die Lebensbedingungen<br />
Behinderter; der eine Rollstuhlfahrer aus Indien,<br />
der andere Rollstuhlfahrer aus Deutschland und<br />
Berlin-Kenner.<br />
Entwicklungsland Deutschland<br />
Während seines fünfwöchigen Aufenthaltes in<br />
Deutschland schreibt Rijul eine Studienarbeit<br />
zur Situation von Menschen mit körperlicher<br />
und geistiger Beeinträchtigung in Berlin und<br />
hat schon viele Interviewpartner gefunden. Rijul<br />
führte Interviews mit der Fürst Donnersmarck-<br />
Stiftung, dem Sozialverband, der Behindertenbeauftragten<br />
der BVG, mit Vertretern von Mobidat,<br />
dem Special Guide Frau Anja Winter (blind) und<br />
verschiedenen einzelnen Passanten auf der Straße.<br />
Darüber hinaus wurde ihm eine studentische<br />
Dolmetscherin von der Uni Potsdam zur Seite gestellt.<br />
Er wohnt in einem rolligerechten Ein-Zimmer-Apartment<br />
am Prenzlauer Berg. Er benutzte<br />
während seines Aufenthaltes ausschließlich öffentliche<br />
Verkehrsmittel der BVG und machte negative,<br />
aber auch viele positive Erfahrungen damit.<br />
Problematisch wurde es immer dann, wenn<br />
defekte Lifts den Zu- oder Ausgang einer Station<br />
unmöglich machten. Dann mussten Umwege in<br />
Kauf genommen werden.<br />
Vom Autor erfuhr er, dass in Deutschland seit<br />
dessen Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
im Jahre 2009 (Indien unterschrieb<br />
die Konvention bereits 2007!) das Thema<br />
der Umsetzung der Konvention in vielen<br />
Bundesländern und Kommunen zur „Chefsache“