Paraplegiker 3/2011
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Paraplegiker 3/2011
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Leistungssportler mit Behinderung:<br />
Helden zweiter Klasse?<br />
Sport hat auf die Akzeptanz Behinderter in<br />
der Gesellschaft einen positiven Nebeneffekt.<br />
Doch die Medien berichten jenseits der Paralympics<br />
sehr wenig und somit sind Behindertensportler<br />
für Sponsoren uninteressant.<br />
Nichtbehinderte Sportler können davon<br />
leben, behinderte können das nicht.<br />
Jahrelange Spitzenleistung: Holger Nikelis,<br />
Weltranglisten-Erster im Rollstuhl-Tischtennis.<br />
Sportwissenschaftler der Universität Jena verglichen Karrieren<br />
von behinderten und nicht behinderten Leistungssportlern. Bis<br />
an die Grenzen gehen – auch mit Behinderung. Dabei müssen<br />
hohe Hürden überwunden werden.<br />
Sie fahren mit einem Bein Rennrad, schlagen Golfbälle aus dem<br />
Rollstuhl 300 Meter weit, laufen Marathon und fahren halsbrecherisch<br />
die Skipiste herunter. Diese Menschen sind trotz ihres<br />
körperlichen Handikaps topfit. Mit starkem Willen und hartem<br />
Training haben sie sich an die Spitze gekämpft. Aufgeben stand<br />
nie zur Debatte. Viel Lebensqualität haben sie durch den Sport<br />
gewonnen. Ohne viel High Tech geht das nicht. Leichte Titan-<br />
Beinprothesen oder Spezialrollstühle unterstützen dabei Höchstleistungen<br />
zu erbringen. „Behindertensport ist extrem wichtig,<br />
denn was genutzt wird, entwickelt sich“, so Professor Froböse,<br />
Sporthochschule Köln. „Was ungenutzt wird, das verkümmert.<br />
Jedes Organ und jeder Muskel brauchen Reize, um sich zu stabilisieren<br />
und erhalten zu bleiben. Das geht nur mit Bewegung.“<br />
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PARAPLEGIKER 3/11<br />
Früher ließ man z.B. Querschnittgelähmte einfach im Bett liegen<br />
oder im Rollstuhl sitzen. Die Folge: Viele sind früh gestorben,<br />
weil der Körper förmlich verkümmert ist. Wird aber zum Beispiel<br />
die Muskulatur des Brustkorbs trainiert, funktioniert die lebensnotwendige<br />
Atmung besser. Der ganze Körper wird besser mit<br />
Sauerstoff versorgt. Mehr Leistung kann grundsätzlich helfen, die<br />
Behinderung besser zu kompensieren.<br />
Sie suchen Spaß und Grenzerfahrungen, wollen fit bleiben und<br />
ihre Kräfte messen. Gefragt, warum sie Sport treiben, nennen fast<br />
alle Leistungssportler diese Gründe. Ob dabei einem Behinderten<br />
oder Nichtbehinderten diese Frage gestellt wird, spielt dabei<br />
keine Rolle. So lautet eins der Forschungsergebnisse von PD Dr.<br />
Reinhild Kemper. Die Sportwissenschaftlerin von der Friedrich-<br />
Schiller-Universität Jena hat in ihrer Habilitation die Karrieren<br />
von körper- und sinnesbehinderten sowie nichtbehinderten<br />
Leistungssportlern untersucht – und dabei Motive, Selbstbilder<br />
und soziale Anerkennung der Athleten miteinander verglichen.<br />
Kemper spricht von fehlender Sensibilisierung für die Probleme<br />
behinderter Sportler „auf breiter Ebene“. Es sei noch fehlende Akzeptanz<br />
für Sportler mit einem Handikap feststellbar. So gebe es<br />
in Deutschland nur wenige hauptamtliche Trainer im Leistungssport<br />
der Behinderten.<br />
Die Probleme von Sportlern mit einer Behinderung beginnen bereits<br />
sehr früh. So haben Kemper und ihr Kollege Prof. Dr. Dieter<br />
Teipel festgestellt, dass Lehrer und Sportlehrer oftmals mit behinderten<br />
Schülern überfordert sind. Schnell würden personenspezifische<br />
Sportbefreiungen ausgesprochen. „Hinzu kommen<br />
die Ängste der Eltern, ihr Kind könnte durch den Sport weiteren<br />
Schaden nehmen“, sagt Kemper. Weitere Hindernisse liegen in<br />
der Form der körperlichen Beeinträchtigungen: So sind viele behinderte<br />
Sportler auf die Hilfe von Guides angewiesen, um ihren<br />
Sport ausüben zu können. Diese Guides wiederum benötigen<br />
Aufwandsentschädigungen und bei internationalen Wettkämpfen<br />
auch Freistellungen. Finanziell gefördert werden Athleten<br />
aber nur, wenn sie bestimmte Leistungsnormen erbringen und<br />
Kaderzugehörigkeit erlangen. Doch um nach „ganz oben“ zu<br />
kommen, bedarf es zum Beispiel spezieller Prothesen. „Fehlen<br />
den Sportlern die materiell-technischen Voraussetzungen, sind<br />
Höchstleistungen kaum erreichbar“, so Kempers Fazit.<br />
Dennoch haben die beiden Autoren Chancen im Behindertensport<br />
ausgemacht. So gebe es zahlreiche Sichtungen auf der Ebene<br />
von Förderschulen und integrativ ausgerichteten Schulen und<br />
in Abteilungen von Behindertensportvereinen. Die Deutsche