2 - ADÜ Nord

Kritik
»Übersetzung – r/keine Glückssache«
nicht immer ganz glücklich formuliert
... findet Ragna Möller, Diplom-Übersetzerin aus Hamburg.
Dem letzten Infoblatt lag eine kleine, unter anderem vom
ADÜ Nord gesponserte Broschüre bei, die als Einkaufshilfe
für Übersetzungsdienstleistungen konzipiert ist. Sie
erschien mir gut durchdacht, jedoch sind mir beim
Durchlesen zwei Punkte negativ aufgefallen.
Unumstößliches Muttersprachenprinzip?
Zum einen ist das die Überschrift »Professionelle Übersetzer
übersetzen in ihre Muttersprache«. Dazu steht weiter
im Text: »Beachten Sie: Übersetzer, die diese Grundregel
missachten, nehmen es vermutlich auch mit anderen
Qualitätsfragen nicht sehr ernst.«
Im Folgenden wird diese Aussage zwar ein wenig relativiert,
jedoch hat diese Verallgemeinerung mich doch
etwas verärgert, da ich seit Jahren in meine erste Fremdsprache
übertrage und meine Arbeit sehr ernst nehme. Es
gibt natürlich Texte, die unbedingt von einem Muttersprachler
übersetzt oder zumindest Korrektur gelesen
werden sollten, wie beispielsweise Werbung und Veröffentlichungen.
Aber ich denke auch, dass man mit guter
Ausbildung und Erfahrung sehr wohl in der Lage ist,
gewisse Textsorten in eine Fremdsprache zu übertragen.
Und in Zweifelsfällen ist ein Nachfragen bei Muttersprachlern
(wovon in meinem Fall vor allem meine lieben
Kollegen Dieter Bromberg und Terry Oliver ein Lied singen
können ...!) immer zu empfehlen. Außerdem würde
ich auf Grund eigener Erfahrungen sagen, dass eine
Übersetzung in die Muttersprache nicht unbedingt leichter
von der Hand geht.
Absolutes Fachwissen?
Die zweite Textstelle, die mich stutzig machte, ist unter der
Überschrift »Fachwissen ist Macht« zu finden. Dort steht:
«Sprechen Sie mit Ihren Übersetzern. Sie sollten das
Fachgebiet, in dem sie übersetzen, in- und auswendig
kennen. Ist dies nicht der Fall, ist es vielleicht Zeit, den
Dienstleister zu wechseln. Außerdem sollten Übersetzer
sich ihr Fachwissen nicht auf Ihre Kosten aneignen, es sei
denn, es besteht eine entsprechende Vereinbarung.«
Selbstverständlich sollte man in den Fachgebieten, in
denen man Übersetzungen anfertigt, gute Kenntnisse
haben, jedoch nicht zwangsläufig so wie beispielsweise
ein Ingenieur, Anwalt oder Arzt. Dass ein Übersetzer eine
doppelte Ausbildung (wie Georgia Mais als Dipl.-Ing.
und Dipl.-Übers.) genossen hat, ist ja nun einmal sehr
selten.
Und schließlich kann man sich Wissen auch aneignen,
und zwar meines Erachtens durchaus mit Unterstützung
des Kunden. Dies ist auch in der Kundenbroschüre des
ADÜ Nord »Verstehen und verstanden werden« unter der
Überschrift »Welche Materialien kann ich dem Übersetzer/Dolmetscher
zur Verfügung stellen, die hilfreich für
seine Arbeit sind?« dargestellt.
Auch zu meinem ersten Kritikpunkt haben die Verfasser
von »Verstehen und verstanden werden« meiner Meinung
nach eine treffendere Formulierung gefunden. Dort steht
nämlich: »Professionelle Übersetzer und Dolmetscher
sind in der Lage, den Ausgangstext so zu übertragen,
dass er in der Zielsprache den gewünschten Zweck erfüllt
und sich so anfühlt, als ob ihn ein Muttersprachler
gesprochen oder geschrieben hätte.«
Insgesamt meine ich, dass die ADÜ-Nord-Broschüre aus
dem Jahr 2001 inhaltlich besser gelungen ist – auch
ohne Sponsoren ...
Nachtrag
Ich habe inzwischen per E-Mail mit der Autorin von
»Übersetzung - r/keine Glückssache« korrespondiert. Es
hat ihrer Beschreibung nach sehr unterschiedliche Resonanz
auf die Broschüre gegeben. Zur Zeit befasst sich
Chris Durban mit einer Überarbeitung des Textes und ist
auch für Anregungen offen, jedoch bezieht sich diese
Überarbeitung mehr auf kleine Korrekturen als auf größere
inhaltliche Änderungen.
10 ADÜ Nord · Infoblatt 2/2004