2 - ADÜ Nord
2 - ADÜ Nord
2 - ADÜ Nord
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Rezension<br />
Köbler: Rechtstschechisch<br />
Die Reihe »Rechtswörterbücher für jedermann« vom Vahlen-Verlag wird um eine neue Sprache erweitert. Eine Rezension<br />
von Milka Miluše Vagadayová, Übersetzerin und Dolmetscherin aus Hamburg.<br />
Das Wörterbuch<br />
Gerhard Köbler, Rechtstschechisch, Deutsch-tschechisches<br />
und tschechisch-deutsches Rechtswörterbuch für<br />
jedermann, Verlag Franz Vahlen, München 2003,<br />
ISBN 3-8006-2873-2, 324 Seiten, 17 €.<br />
Der vorliegende Band von Gerhard Köbler ist ein weiterer<br />
Schritt bei der Verwirklichung seines Plans, »mit Hilfe<br />
mehrsprachiger Mitarbeiter zweisprachige Übersichten<br />
über den gegenwärtigen Grundwortschatz wichtiger<br />
Fremdsprachen herzustellen.« Dass nach den bereits veröffentlichten<br />
Rechtswörterbüchern in vielen Sprachen nun<br />
auch das Tschechische zu den wichtigen Fremdsprachen<br />
gezählt wird, ist aus der Sicht des »kleinen Nachbarn«<br />
sicher zu begrüßen, zumal es auf dem deutschen Büchermarkt<br />
kein vergleichbares Werk gibt.<br />
Zielgruppe<br />
Der Autor benennt seine Zielgruppe bereits auf dem<br />
Umschlag: »Rechtswörterbuch für jedermann«, der Verlag<br />
möchte unter den Nutzern »Juristen, Dolmetscher,<br />
Journalisten, Mitarbeiter in Unternehmen und Industrieund<br />
Handelskammern« wissen. Es ist allerdings davon<br />
auszugehen, dass diese Nutzergruppen nicht unbedingt<br />
zum selben Nachschlagewerk greifen und dass die Profis<br />
unter ihnen sich lieber mit der entsprechenden Fachliteratur<br />
aus Tschechien versorgen.<br />
Als Übersetzerin kenne ich die meisten Situationen, in<br />
denen ein deutscher »Jedermann« Hilfe beim Verstehen<br />
tschechischer Rechtstexte (Polizeiprotokolle, Gerichtsurteile,<br />
Behördenbenachrichtigungen) benötigt: Häufig<br />
geht es gar nicht darum, eine genaue Übersetzung zu<br />
bekommen, sondern lediglich darum, eine vage Vorstellung<br />
über den Inhalt zu erhalten: »Hat die Polizei den<br />
Dieb gefasst und bekomme ich mein geklautes Auto<br />
zurück oder nicht?«, »Ist das Verfahren eingestellt?«,<br />
»Muss ich zahlen?«. Und genau hier könnte und sollte ein<br />
Rechtswörterbuch gute Dienste leisten.<br />
Einführung<br />
Die Einführung ist in vier Teile gegliedert: Geschichte,<br />
Sprache, Recht, Juristen. Die Teile sind sowohl in ihrer<br />
Ausführlichkeit als auch in der Körnigkeit der getroffenen<br />
Aussagen sehr unterschiedlich und reichen von Gemeinplätzen<br />
bis hin zur detaillierten Beschreibung tschechischer<br />
Sonderzeichen. Dabei gelingt es dem Autor leider<br />
nicht, einen ausgewogenen Eindruck zu hinterlassen.<br />
Der Abschnitt »Geschichte« müsste eigentlich »Rechtsgeschichte«<br />
heißen. Die Zeit bis zur Gründung der tschechoslowakischen<br />
Republik wird auf zwei Seiten abgehandelt.<br />
Logisch, dass das meiste fehlt und dass das, was Eingang<br />
gefunden hat, nach sehr subjektiven Kriterien ausgesucht<br />
wurde. Die dem zwanzigsten Jahrhundert gewidmete Passage<br />
erwähnt einige Aspekte des deutsch-tschechischen<br />
Verhältnisses; ein Viertel des Platzes nimmt die Aufzählung<br />
der Beneš-Dekrete ein. So, wie die geschichtlichen Daten<br />
ausgewählt und zusammengetragen wurden, könnte man<br />
auf dieses Kapitel getrost verzichten.<br />
Der Abschnitt »Sprache« ist absolut indiskutabel. Er<br />
besteht aus 25 Zeilen und ist laut Literaturangabe mit<br />
Hilfe eines sprachgeschichtlichen Werks entstanden. Was<br />
aber soll man mit Sätzen anfangen, die uns mitteilen,<br />
dass »das Tschechische (...) sich vom Spätwesturslawischen<br />
(z. B. durch Denasalisierung nasalierter urslawischer<br />
Vokale und durch Ausfall bzw. Vokalisierung halbvokalischer<br />
Laute zu e) abspaltet« – vorausgesetzt, man<br />
versteht sie überhaupt! Viel wichtiger und nützlicher wäre<br />
es, hier einen verständlichen Überblick über die Struktur<br />
und die wichtigsten Aspekte der tschechischen Sprache<br />
der Gegenwart, insbesondere der Grammatik, zu geben,<br />
denn der Benutzer des Wörterbuchs wird kaum über<br />
Tschechisch-Kenntnisse verfügen, und die eben kritisierte<br />
Passage wird ihm auch nicht weiterhelfen.<br />
Es wäre auch eine Überlegung wert, ob man dem Wörterbuch<br />
nicht einen Abschnitt mit den gängigsten tschechischen<br />
Phrasen und Redewendungen beifügt, denen<br />
man in tschechischen Rechtstexten immer wieder begegnet.<br />
Man kann sie meistens auch mit Hilfe eines Wörterbuchs<br />
nicht entschlüsseln, denn für ein ungeübtes Auge<br />
verändert die tschechische Flexion die im Lexikon gefundenen<br />
Grundformen bis zur Unkenntlichkeit.<br />
Der Abschnitt »Recht« gibt einen guten Einblick in die einzelnen<br />
Rechtsgebiete; der abschließende Abschnitt »Juristen«<br />
über die juristische Ausbildung in Tschechien ist<br />
sinnvoll, leider aber zu kurz ausgefallen – er beträgt<br />
ganze sieben Zeilen. Er sollte unbedingt etwas ausführlicher<br />
formuliert werden.<br />
Vokabular<br />
Das Vokabular, vom Verfasser treffend als »zweisprachige<br />
Übersicht« bezeichnet, besteht aus einem deutsch-tschechischen<br />
und einem tschechisch-deutschen Teil. Bei der<br />
Erstellung ging man laut Autor analog zu den bereits vorgelegten<br />
Wörterbüchern vor: Dem ermittelten deutschen<br />
Grundwortschatz von rund 10 500 Stichwörtern stehen<br />
etwa 11 100 tschechische Entsprechungen gegenüber.<br />
Aus beiden sind dann ungefähr 16 500 »beidseitig<br />
begehbare Übersetzungsgleichungen entstanden«.<br />
Und genau hier liegt ein großes Problem, denn Übersetzungsgleichungen<br />
entstehen nur dort, wo dem deutschen<br />
Begriff zwei oder drei tatsächlich synonyme tschechische<br />
16 <strong>ADÜ</strong> <strong>Nord</strong> · Infoblatt 2/2004