Treffpunkt 02/2005 - Ministerium für Integration, Familie, Kinder ...
Treffpunkt 02/2005 - Ministerium für Integration, Familie, Kinder ...
Treffpunkt 02/2005 - Ministerium für Integration, Familie, Kinder ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Bunte Jugend, vielfältige Biografien: Gruppe junger Menschen, oft als „mit Migrationshintergrund“ umschrieben<br />
Die Verschiedenheit dominiert<br />
Der Begriff „Jugendlicher mit Migrationshintergrund“ hat Karriere gemacht. Aber er<br />
kann als distanzierende Kategorie destruktiv wirken und legitimiert häufig nur die<br />
Ungleichbehandlung. Von Professor Franz Hamburger<br />
Mit Worten, Begriffen und Bezeichnungen<br />
ordnen wir die Welt. Dabei schaffen<br />
wir eine Ordnung unserer Welt – und oft<br />
sagt die Ordnung mehr über die Perspektive,<br />
aus der wir als Einzelne oder gemeinsam<br />
die Welt sehen, als über die Wirklichkeit.<br />
In der sozialen Welt ist dieser Umstand<br />
umso wichtiger, als sie wesentlich<br />
aus Konstruktionen besteht, die wir entwickeln,<br />
die Bestand haben und dann wieder<br />
auf uns wirken.<br />
In der Zeit der Gastarbeiterbeschäftigung<br />
war die Welt noch in Ordnung. Die<br />
Ausländer waren Gäste, außerdem fleißig<br />
und überwiegend so brav, dass sie im Falle<br />
von konjunkturellen Krisen wieder nach<br />
Hause gegangen sind. Der Begriff „Ausländer“<br />
war selbstverständlich, er war rechtlich<br />
korrekt und deckte auch die soziale<br />
Konstellation ab. Mit dem Wandel der<br />
ausländischen Wohnbevölkerung sind<br />
Veränderungen eingetreten, die weitreichend<br />
sind. Wie kein anderer hat Max<br />
Frisch diesen Wandel gekennzeichnet: Wir<br />
haben Arbeitskräfte gerufen und es kamen<br />
Menschen. Zu diesen zählen auch die Jugendlichen.<br />
Sie wanderten mit oder nach ihren Eltern,<br />
lebten in Deutschland oder in ihrer<br />
Heimat mit einem Elternteil oder bei den<br />
Großeltern, pendelten gelegentlich hin und<br />
her. In der Schule wurden sie als Seiteneinsteiger<br />
definiert und manchmal auch gefördert.<br />
Im Laufe der Zeit wuchsen immer<br />
mehr <strong>Kinder</strong> und Jugendliche in<br />
Deutschland auf, viele wurden und werden<br />
hier geboren und sie erwerben dann<br />
neuerdings auch gleich die deutsche Staats-<br />
angehörigkeit. Aber die Migration der Arbeitskräfte<br />
hält an, mit ihnen auch die der<br />
<strong>Familie</strong>n. Geschichte, Wandel und Kontinuität<br />
der Migration hat die Lebenslage<br />
von Jugendlichen sehr unterschiedlich ausgestaltet.<br />
Migrationstheoretisch gibt es schon<br />
auf den zweiten Blick eine weitere Differenzierung:<br />
Arbeitsmigration ist nur eine<br />
Form der Mobilität; Aussiedler und Flüchtlinge<br />
sind zwei weitere große Gruppen.<br />
Auch sie setzen sich aus allen Generationen<br />
zusammen. Die <strong>Kinder</strong> der russischen<br />
Deutschen und der ehemals jugoslawischen<br />
Bürgerkriegsflüchtlinge sind nach<br />
Deutschland gekommen – fremd ist ihnen<br />
vor allem die eigene Geschichte, ist sie<br />
doch über sie hereingebrochen. Dass sie<br />
dann auch noch als Eindringlinge behan-<br />
³3<br />
MICHAEL SEIFERT