DIE GEMEINDE
DIE GEMEINDE
DIE GEMEINDE
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
BWGZ 1/2009 R ECHTSPRECHUNG<br />
den Beiträge in einem exakten Verhältnis zu ihren tatsächlich aus dem<br />
Fremdenverkehr gezogenen Vorteilen steht, sondern genügt eine angenäherte<br />
Verhältnismäßigkeit.<br />
Bei der Wahl eines solchen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs stehen der<br />
Gemeinde grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Sie kann<br />
zum einen die dem einzelnen Unternehmer durch den Fremdenverkehr<br />
erwachsenden Vorteile anhand der individuellen Gegebenheiten, also<br />
etwa nach dem Umsatz oder dem durch die jeweilige unternehmerische<br />
Tätigkeit erwirtschafteten Gewinn, bemessen oder zum anderen pauschalierende<br />
Maßstäbe zugrunde legen, indem an bestimmte betriebliche<br />
Realgrößen angeknüpft, Kategorien von Beitragspflichtigen gebildet<br />
und durch die Schaffung eines ausgewogenen Verhältnisses sowohl<br />
innerhalb dieser Kategorien wie auch zwischen diesen Kategorien ein<br />
Bemessungssystem geschaffen wird. Sowohl eine individuelle als auch<br />
eine pauschalierte Vorteilsbestimmung sind grundsätzlich zulässig und<br />
halten sich innerhalb des dem Satzungsgeber eröffneten Ermessensspielraums<br />
(Urteil des Senats vom 25.8.2003 – 2 S 2192/02 – NVwZ<br />
2003, 1403; Gössl, a.a.O., § 44 Anm. 3.2, S. 9).<br />
Individuelle oder pauschalierte Vorteilsbestimmung<br />
Die Antragsgegnerin hat sich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung<br />
für eine pauschalierte Vorteilsbestimmung entschieden. Nach der<br />
Konzeption der Satzung erfolgt die Ermittlung des Beitrags in mehreren<br />
Rechenschritten. Als Bemessungsgrundlage dienen nach § 3 Abs. 3<br />
FVBS die Reineinnahmen, zu deren Ermittlung der Gesamtumsatz ohne<br />
Umsatzsteuer, der im Erhebungszeitraum in B.B. erzielt wurde, mit dem<br />
sich aus der Anlage ergebenden Richtsatz (Reingewinnsatz) multipliziert<br />
wird. Durch Multiplikation der so bestimmten Reineinnahmen mit<br />
dem sich ebenfalls aus der Anlage ergebenden Vorteilsatz ist der Messbetrag<br />
zu ermitteln (§ 4 Abs. 2 FVBS). In einem dritten Schritt ist dann<br />
der Messbetrag mit dem in § 4 Abs. 1 und 4 FVBS festgelegten Beitragssatz<br />
in Höhe von 3 v.H. (Beitragszone I) bzw. 1,2 v.H. (Beitragszone II)<br />
zu multiplizieren.<br />
Gegen dieses Berechnungssystem bestehen entgegen der Ansicht der<br />
Antragstellerin keine Bedenken. Die von der Antragsgegnerin gewählte<br />
Bemessungsgrundlage ist zunächst nicht deshalb zu beanstanden, weil<br />
sie zur Folge hat, dass auch Unternehmer beitragspflichtig sind, die<br />
keine Gewinne erzielen oder sogar Verluste erwirtschaften. Der Fremdenverkehrsbeitrag<br />
ist eine Gegenleistung des Beitragspflichtigen für<br />
spezielle Leistungen der Gemeinde, nämlich für die Aufwendungen, die<br />
der Gemeinde im Zusammenhang mit der Förderung des Kurbetriebs<br />
und/oder des Fremdenverkehrs entstehen. Zur Finanzierung dieser Aufwendungen<br />
sollen diejenigen Personen durch die Zahlung eines Beitrags<br />
herangezogen werden, die aus ihnen besondere wirtschaftliche Vorteile<br />
ziehen.<br />
Diese Vorteile bestehen, wie bereits angesprochen, in den erhöhten Verdienst-<br />
und Gewinnmöglichkeiten, die dem Beitragspflichtigen aus dem<br />
Fremdenverkehr oder dem Kurbetrieb erwachsen. Es genügt dabei die<br />
objektive Möglichkeit höherer Gewinne, der die Chance gleichsteht,<br />
Verluste aus dem Geschäftsbetrieb zu verringern. Das Entstehen von<br />
Vorteilen aus dem Fremdenverkehr wird daher nicht dadurch ausgeschlossen,<br />
dass ein Unternehmer tatsächlich keine Gewinne erzielt oder<br />
sogar Verluste macht (vgl. Gössl, a.a.O., § 44 Anm. 3.1, S. 6 und Anm.<br />
3.2, S. 9). Es bedarf im Übrigen keiner Begründung, dass ein höherer<br />
Umsatz typischerweise auch einen höheren Gewinn indiziert.<br />
Die in der Satzung vorgesehene Bemessungsgrundlage verstößt auch<br />
nicht deshalb gegen höherrangiges Recht, weil sie es nicht ermöglicht,<br />
die Investitions- und Kapitaleinsatzkosten bei der Ermittlung der Reineinnahmen<br />
Beitrags mindernd zu berücksichtigen. Das von der Antragsgegnerin<br />
gewählte Berechnungssystem stellt auf die Reineinnahmen ab,<br />
die mit Hilfe pauschaler Größen und nicht anhand der individuellen<br />
Gegebenheiten ermittelt werden, und beruht daher auf einer – grundsätzlich<br />
zulässigen – pauschalierten Vorteilsbestimmung.<br />
Die von der Antragstellerin zitierten Empfehlungen des Gemeindetags<br />
Baden-Württemberg beziehen sich dagegen auf Fälle, in denen die Reineinnahmen<br />
anhand der individuellen Gegebenheiten des Einzelfalls aus<br />
der Differenz zwischen Umsatz und Betriebsausgaben errechnet werden.<br />
In diesem Zusammenhang wird in den Empfehlungen darauf hingewiesen,<br />
dass Aufwendungen zur Tilgung von Schulden, die auf das<br />
Anlagevermögen bezogenen Kapitaleinsatzkosten (insbesondere Zinsen<br />
und Disagio) sowie Abschreibungen nicht als Betriebsausgaben gelten<br />
und daher nicht vom Umsatz abgezogen werden dürfen. Gegen eine<br />
Regelung, nach der die Investitions- und Kapitaleinsatzkosten teilweise<br />
(z.B. bis zu 50 Prozent) berücksichtigt würden, bestünden aber rein<br />
beitragsrechtlich keine Bedenken. Einwendungen gegen das von der<br />
Antragsgegnerin gewählte, einem anderen Ansatz folgende System lassen<br />
sich daraus nicht herleiten.<br />
Bezugnahme auf Richtsatzsammlung zulässig<br />
2. Unbedenklich ist ebenfalls, dass die in der Satzung festgesetzten und<br />
zur Ermittlung der Reineinnahmen mit dem Gesamtumsatz zu multiplizierenden<br />
„Reingewinnsätze“ sich an der Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums<br />
für das Kalenderjahr 2004 orientieren.<br />
Wie es in Nr. 1 der Vorbemerkungen zu der Richtsatzsammlung heißt,<br />
sind die in der Sammlung aufgeführten Richtsätze ein Hilfsmittel für die<br />
Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden „zu<br />
verproben“ und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen gemäß<br />
§ 162 AO zu schätzen. Die Richtsätze werden für die einzelnen Gewerbeklassen<br />
auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter<br />
Unternehmen ermittelt, die nach Art und Größe den Betrieben<br />
entsprechen, auf die sie angewandt werden sollen (Nr. 2 der Vorbemerkungen).<br />
Die Richtsätze bestehen aus einem oberen und einem unteren Rahmensatz<br />
sowie einem – dem gewogenen Mittel aus den Einzelergebnissen<br />
der geprüften Betriebe einer Gewerbeklasse entsprechenden – Mittelsatz<br />
(Nr. 6 der Vorbemerkungen). Die Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums<br />
kann danach unbedenklich als Grundlage eines typisierenden<br />
und pauschalierenden Bemessungssystems dienen, wie es von der<br />
Antragsgegnerin im vorliegenden Fall gewählt wurde. Hiervon ist der<br />
Senat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgegangen (vgl.<br />
Urteil vom 10.8.1998 – 2 S 2753/97 – MedR 1999, 377 und Urteil vom<br />
9.12.1996 – 2 S 2728/95 –; ebenso OVG Schleswig, Urteile vom<br />
23.8.2000 – 2 L 226/98 – NordÖR 2001, 221; VG Freiburg, Urteil vom<br />
19.2.2008 – 4 K 1123/06 – Juris; Gössl, a.a.O., § 44 Anm. 3.2.4,<br />
S. 11).<br />
Die von der Antragstellerin hiergegen erhobenen Einwendungen rechtfertigen<br />
keine andere Beurteilung. Die Antragstellerin macht zwar zu<br />
Recht geltend, dass es sich bei der Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums<br />
nur um ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung mit<br />
der bereits erwähnten Zielsetzung handelt. Die Antragstellerin weist<br />
ferner zutreffend daraufhin, dass die Richtsätze auf die Verhältnisse eines<br />
durchschnittlichen Betriebs der betreffenden Branche abstellen. Der<br />
Verwendung der Richtsatzsammlung als Grundlage eines pauschalierten<br />
Bemessungssystems steht jedoch weder das eine noch das andere entgegen.<br />
Der Umstand, dass die Richtsätze von der Finanzverwaltung jährlich<br />
neu herausgegeben werden, während die in der Satzung der Antragsgegnerin<br />
festgesetzten Reingewinnsätze nicht nur für das Jahr 2006,<br />
sondern auch für die Folgejahre Gültigkeit beanspruchen, ist ebenfalls<br />
unschädlich.<br />
In diesem Zusammenhang stellt sich zwar die Frage, ob die Antragsgegnerin<br />
gehalten ist, die in der Satzung festgesetzten Reingewinnsätze neu<br />
festzusetzen, falls sich zukünftig in dem der Satzung zugrundeliegenden<br />
Bezugssystem durch eine Neufassung der Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums<br />
eine grundlegende Änderung ergibt. Das bedarf<br />
jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Vertiefung, da<br />
sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht ergibt, dass die Richt-<br />
<strong>GEMEINDE</strong>TAG BADEN-WÜRTTEMBERG 61