DIE GEMEINDE
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BWGZ 1/2009 R ECHTSPRECHUNG<br />
höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts<br />
belässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.8.2008 – 9 B<br />
40.08 – Juris mwN.). An dieser Voraussetzung für eine bloße Teilnichtigkeit<br />
fehlt es im vorliegenden Fall, da die Regelungen über den Kreis<br />
der Beitragsschuldner nicht von dem übrigen Inhalt der Satzung abgetrennt<br />
werden können.<br />
6. Die Berechtigung der von der Antragstellerin erhobenen weiteren<br />
Einwendungen gegen die angefochtene Satzung kann danach dahin stehen.<br />
Zur Vermeidung eines möglichen weiteren Rechtsstreits ist zu diesen<br />
Einwendungen jedoch Folgendes zu bemerken:<br />
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Reingewinnsatz für Kaufhäuser<br />
in der Satzung zu Unrecht auf 12 v.H. festgesetzt worden sei. Da<br />
in der erwähnten Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung kein Richtsatz<br />
für Kaufhäuser genannt wird, hat die Antragsgegnerin den in der<br />
Satzung festsetzten Reingewinnsatz anhand der Richtsätze gebildet, die<br />
für die üblicherweise in einem Kaufhaus vorhandenen Gewerbezweige<br />
gelten. Das stößt entgegen der Ansicht der Antragstellerin trotz der nicht<br />
zu bestreitenden Unterschiede, die zwischen Kaufhäusern mit Fachabteilungen<br />
einerseits sowie Fachgeschäften andererseits bestehen, auf<br />
keine grundsätzlichen Bedenken.<br />
Eine andere, besser geeignete Methode zur Ermittlung eines Richtsatzes<br />
für Kaufhäuser wird von der Antragstellerin nicht genannt. Der Einwand<br />
der Antragstellerin, dass das von ihr betriebene Kaufhaus weder über<br />
eine Schmuck- noch über eine Haushaltswarenabteilung verfüge, stellt<br />
die Angemessenheit des in der Satzung festgesetzten Richtsatzes ebenfalls<br />
nicht in Frage, da dieser nicht allein für das Unternehmen der Antragstellerin<br />
in seinem derzeitigen Zuschnitt Gültigkeit beansprucht,<br />
sondern ein allgemein für Kaufhäuser geltender Wert ist.<br />
Die von der Antragstellerin ferner kritisierten Richtsätze für Buchhandlungen,<br />
Juweliere und Spielwarengeschäfte entsprechen den in der<br />
Richtsatzsammlung der Finanzverwaltung 2004 genannten Werten und<br />
erscheinen deshalb ebenfalls unbedenklich. Ob das Gleiche auch für den<br />
für Spielbanken geltenden Reingewinnsatz von nur 3 v.H. gilt, lässt der<br />
Senat offen.<br />
Bildung von Beitragszonen zulässig<br />
b) Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die der Beitragspflicht<br />
unterliegenden Gewerbe- und Berufsarten nicht in gleichem Maß vom<br />
Fremdenverkehr profitieren, hat die Antragsgegnerin die verschiedenen<br />
Branchen aufgrund einer Schätzung in sechs Gruppen eingeteilt und<br />
jeder dieser Gruppen einen bestimmten Vorteilssatz zugeordnet. Im Hinblick<br />
auf den Umstand, dass die fremdenverkehrsbedingten Vorteile bei<br />
Betrieben in der Innenstadt größer sind als bei außerhalb gelegenen<br />
Betrieben, hat die Antragsgegnerin ferner zwei verschiedene Beitragszonen<br />
gebildet. Für Betriebe in der die Innenstadt umfassenden Beitragszone<br />
I gilt ein Beitragssatz von 3 v.H., für Betriebe in der Beitragszone<br />
II, zu der das übrige Stadtgebiet gehört, ein Beitragssatz von 1,2<br />
v.H.<br />
Diese Vorgehensweise ist angesichts der Grenzen, die bei der gerichtlichen<br />
Überprüfung der vom Satzungsgeber vorgenommenen Vorteilseinschätzung<br />
zu beachten sind, nicht zu beanstanden. Das Vorteilsprinzip<br />
und die sich daraus ergebende Forderung, alle Pflichtigen ihren Vorteilen<br />
entsprechend gleichmäßig zu belasten, zwingt die Gemeinde nicht,<br />
die Vorteile eines jeden Abgabepflichtigen genau zu ermitteln und jeder<br />
Verschiedenheit in den wirtschaftlichen Auswirkungen des Fremdenverkehrs<br />
Rechnung zu tragen. Dies wäre auch nicht möglich, da der dem<br />
einzelnen Abgabepflichtigen entstehende fremdenverkehrsbedingte<br />
Vorteil nicht exakt messbar ist.<br />
Der Gemeinde steht daher sowohl bei der Zusammenfassung bestimmter<br />
Branchen zu einer Gruppe als auch bei der Frage, welche Vorteile diesen<br />
Gruppen bei pauschalierender Betrachtungsweise typischerweise zuzurechnen<br />
sind, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurtei-<br />
lungsspielraum zu. Ihren Spielraum überschreitet die Gemeinde erst<br />
dann, wenn die festgelegten Vorteilssätze nicht mehr „in sich stimmig“<br />
sind, weil eine gravierende, sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Unausgewogenheit<br />
zwischen den einzelnen Vorteilssätzen besteht oder der<br />
Grundsatz der Systemgerechtigkeit ohne plausible und nachvollziehbare<br />
Gründe durchbrochen wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom<br />
25.8.2003 – 2 S 2192/02 – NVwZ 2003, 1403; OVG Schleswig, Urteile<br />
vom 23.8.2000 – 2 L 226/98 – NordÖR 2001, 221, und 4.10.1995 – 2 L<br />
220/95 – ZKF 1997, 40; OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.12.2006<br />
– 9 KN 180/04 – NVwZ-RR 2007, 277; Urteil vom 13.11.1990 –<br />
9 K 11/89 – a.a.O.; Lichtenfeld, a.a.O., § 11 KAG Rn. 115).<br />
d) Die gegen die Festsetzung des Beitragsatzes erhobenen Einwendungen<br />
der Antragstellerin sind unbegründet. Richtig ist zwar, dass es für<br />
die Höhe dieses Satzes keine schlüssige Begründung gibt. Das ist jedoch<br />
unschädlich. Die Bestimmung des Beitragssatzes steht, wie die Antragsgegnerin<br />
zutreffend bemerkt, in ihrem Ermessen, sofern die Bestimmung<br />
dieses Satzes nicht dazu führt, dass das Beitragsaufkommen die<br />
– anderweitig nicht gedeckten und um einen angemessenen Eigenanteil<br />
der Gemeinde zu verringernden – Aufwendungen der Gemeinde zur<br />
Förderung des Fremdenverkehrs überschreitet (Gössl, a.a.O., § 44 Anm.<br />
3.3.1, S. 13).<br />
Von einem solchen Verstoß gegen das auch bei der Erhebung eines<br />
Fremdenverkehrsbeitrag zu beachtende Verbot der Kostenüberdeckung<br />
kann im vorliegenden Fall offensichtlich keine Rede sein. Das von der<br />
Antragsgegnerin prognostizierte Aufkommen aus der Erhebung eines<br />
Fremdenverkehrsbeitrags beträgt zirka 350.000 Euro, das Aufkommen<br />
aus der Erhebung der Kurtaxe etwa 1.420.000 Euro. Die Aufwendungen<br />
für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken<br />
bereit gestellten Einrichtungen und der für diesen Zweck durchgeführten<br />
Veranstaltungen werden von der Antragsgegnerin mit 8.616.906<br />
Euro beziffert. Mit der Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags und<br />
einer Kurtaxe wird somit nur ein kleiner Teil der Aufwendungen gedeckt,<br />
die der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Förderung<br />
des Kurbetriebs und des Fremdenverkehrs entstehen.<br />
BWGZ Nr. 1 vom 15.1.2009 Az. 792.07<br />
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