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gpk SONDERAUSGABE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE Nr. 3/08 – November 2008 – Seite 34<br />
Patiententeilhabe außerhalb<br />
Deutschlands<br />
Systemarchitektur, Staatseinfluss und relative Freiheitsgrade<br />
in sozialen Gesundheitssystemen<br />
Von Günter Danner M. A., Ph.D.<br />
Teilhabe, verstanden als sozialrechtliche Begründung<br />
eines Rechtsanspruches auf adäquate medizinische<br />
Versorgung unabhängig von der eigenen wirtschaftlichen<br />
Leistungskraft, ist ein Kernelement des sozial<br />
organisierten Versorgungsgeschehens an den Gesundheitsmärkten<br />
der EU-Mitgliedstaaten. Sie beschreibt<br />
zunächst nur das – theoretische – Recht,<br />
meist niedergelegt in Verwaltungsvorschriften oder<br />
einer eigenen nationalrechtlichen Gesetzgebung.<br />
In der Praxis stellt sie sich angesichts der 27 völlig<br />
verschiedenen Gesundheitssysteme allerdings für die<br />
Bürger höchst unterschiedlich dar. In der aktuellen<br />
Diskussion über enger werdende Finanzierungsspielräume<br />
bei steigenden künftigen Ausgaben spielt das<br />
etablierte und tatsächlich erlangbare Recht auf Versorgung<br />
eine bedeutende Rolle.<br />
Im Unterschied zum abstrakten Vergleich sozialrechtlicher<br />
Anspruchsnormen ergeben sich jedoch – trotz<br />
wachsender makroökonomischer Tendenz zur Vergemeinschaftung<br />
in der EU – bei Betrachtung des am<br />
Ort jeweils Erlangbaren erhebliche Unterschiede. Diese<br />
wiederum sind verknüpft mit dem jeweils gültigen<br />
Ehrlichkeitsgrad des betreffenden Systems, bzw. dessen<br />
tatsächlichen Möglichkeiten, das auf dem Papier<br />
Versprochene auch nachhaltig zu liefern.<br />
Systemtypologie und Teilhabe<br />
Die derzeitigen Gesundheitssysteme der EU lassen<br />
sich grob in vier Typen untergliedern:<br />
1. Zum einen gibt es die klassischen „Staatsbewirkungsmodelle“<br />
skandinavisch-britischer Prägung.<br />
Diese Gesundheitsdienste sind ganz oder überwiegend<br />
mit Steuermitteln finanziert und zeichnen sich<br />
durch staatsabhängig bzw. staatsunmittelbar beschäftigte<br />
Leistungserbringer aus. Der Staat steht hier<br />
in einer nahezu allmächtigen Position als Herr des<br />
Steuergeschehens, der Verteilung der Steuermittel<br />
und Dienstgeber der an der unmittelbaren Versorgung<br />
beteiligten Einrichtungen. Großbritannien, Mutterland<br />
dieses Modells, Dänemark, Irland, Schweden, Finnland,<br />
Portugal, Italien und Griechenland kennen Varianten<br />
dieses Systemtyps. Wenn die Strukturunterschiede<br />
zwischen diesen Modellen auch hoch sind,<br />
so ist ihnen neben der Steuerfinanzierung insbesondere<br />
der Umstand gemein, dass keine ihrer nationalen<br />
Spielarten ohne beachtliche und regelhafte Wartelisten<br />
in der Versorgung auskommt. Weiterhin ist die<br />
aktive Mitwirkung der Patienten, etwa in Gestalt von<br />
Wahlmöglichkeiten oder direktem Systemeinfluss,<br />
stark begrenzt. Mehr als der jeweilige Hausarzt, oft<br />
auch der in einer Poliklinik, kann nicht frei gewählt<br />
werden. Enge Vorgaben bestehen vielfach hinsichtlich<br />
der Behandlungspfade bzw. der dem Behandler eingeräumten<br />
therapeutischen Freiheiten.<br />
2. Bürgerversicherungsmodelle mit Sozialversicherungscharakter<br />
ohne Wettbewerb bestehen in den<br />
westeuropäischen Mitgliedstaaten in Frankreich, Österreich<br />
und Luxemburg. Hier besteht zwar üblicherweise<br />
keine Wahl zwischen den <strong>Kosten</strong>trägern, jedoch<br />
können mit der Sozialversicherung kooperierende<br />
Ärzte im Rahmen der sozialrechtlichen Vorgaben<br />
ausgewählt werden. Auffällig ist die Tendenz zur Einengung<br />
des Patientenwillens, etwa durch das neue<br />
französische Hausarztmodell. Im Gegensatz zu den<br />
Erwartungen von massiven <strong>Kosten</strong>reduktionen, konnte<br />
diese Tendenz dort bislang noch nicht bestätigt<br />
werden. Solchen Modellen wohnt eine nicht eben<br />
geringe Staatsnähe inne.<br />
3. Sozialversicherungsmodelle mit wettbewerblichem<br />
Charakter existieren in Belgien, Deutschland<br />
und den Niederlanden, wenngleich mit erheblichen<br />
Unterschieden. Gerade das deutsche Modell, daheim