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film ><br />
Dokumentiertes<br />
Dilemma<br />
Die Proteste gegen Kinderschänder Karl D. in der Doku „Auf Teufel komm raus“.<br />
Bundesweit sorgten die Ereignisse um den Kinderschänder<br />
Karl D. zwei Jahre lang für Schlagzeilen. Der Mann war<br />
1984 wegen der Vergewaltigung eines Mädchens zu fünfeinhalb<br />
Jahren Haft verurteilt worden. 1994 vergewaltigte<br />
und folterte er dann zwei jugendliche Anhalterinnen. Als<br />
er 2009 nach 14 Jahren Haft entlassen wird, obwohl Gutachter<br />
ihn immer noch als gefährlich einschätzen, nimmt<br />
sein Bruder Helmut ihn in seinem Haus in Randerath im<br />
Kreis Heinsberg auf, wo er rund um die Uhr polizeilich<br />
überwacht wird. Das wird durch Politik und Medien öffentlich<br />
und schnell gibt es regelmäßige Proteste, die in einem<br />
Kleinkrieg zwischen der Familie des Bruders, den Behörden<br />
und den Demonstranten gipfeln.<br />
In „Auf Teufel komm raus“ kommen<br />
die Demonstranten ebenso zu Wort<br />
wie Helmut und Karl D.<br />
Die beiden Dokumentarfilmerinnen Mareille Klein<br />
(*1979 in Köln) und Julie Kreuzer (*1981 in München), die<br />
an der Hochschule für Fernsehen und Film München studieren,<br />
haben die Situation in Randerath mit ihrer Kamera festgehalten.<br />
In „Auf Teufel komm raus“ kommen die Demons-<br />
tranten ebenso zu Wort wie Helmut und Karl D. Dabei überlassen<br />
die Regisseurinnen das Urteil über das, was ihre Protagonisten<br />
sagen und tun, dem Zuschauer. Kopfschütteln<br />
über vulgäre Drohanrufe von Demonstranten gegen Mitstreiter,<br />
die mit der Filmcrew zusammenarbeiten, macht<br />
sich dabei ebenso breit wie Mitleid oder Unverständnis<br />
mit Helmut D., der dem Dilemma nicht gewachsen ist, sowie<br />
Wut und Entsetzen über die problematische Gesetzeslage<br />
und einen Sexualverbrecher, der seine schlimmste Tat<br />
bis heute als Blackout abtut. Karl D. hat Randerath übrigens<br />
im März verlassen. Nachdem verschiedene Versuche,<br />
eine neue Bleibe zu finden, scheiterten, hat er sich in die<br />
Sozialtherapeutische Anstalt der JVA Gelsenkirchen begeben,<br />
um doch noch eine Therapie anzutreten. Freiwillig –<br />
mehr oder weniger. /// Peter Hoch<br />
„Auf Teufel komm raus“<br />
D <strong>2011</strong> // R: Mareille Klein, Julie Kreuzer<br />
Start: 12.5.<br />
12.5.<br />
„Kino im Dialog“ (mit beiden Regisseurinnen)<br />
19.45 Uhr, Apollo<br />
nachgefragt<br />
Mareille Klein und Julie Kreuzer<br />
über ihren Film<br />
Was war der Anlass für Sie, nicht nur<br />
die Seite der Demonstranten, sondern<br />
auch die von Helmut und Karl D. zeigen<br />
zu wollen?<br />
JK: Vor allem am Anfang hat uns sogar die<br />
Situation von Helmut D. am meisten interessiert<br />
– er hat seinen Bruder aus Nächstenliebe,<br />
oder einfach, weil er sein Bruder<br />
ist, aufgenommen, dadurch aber sein<br />
ganzes Leben und das seiner Familie auf<br />
den Kopf gestellt. Sie waren ständiger<br />
Belagerung ausgesetzt. Insgesamt war es<br />
uns aber wichtig, das Dilemma auf beiden<br />
Seiten zu zeigen.<br />
Wie ist es Ihnen gelungen, Kontakt zu<br />
beiden Seiten aufzunehmen und wie<br />
hat dieser sich im Laufe des Drehs entwickelt?<br />
MK: Zuerst hatten wir Kontakt zu den<br />
Demonstranten, die ja jeden Abend um<br />
18 Uhr vor dem Haus standen. Später ist<br />
es uns auch gelungen, mit Familie D. zu<br />
sprechen und im Haus zu drehen. Für die<br />
Protagonisten war es immer wieder eine<br />
Überwindung, uns zu vertrauen. Die<br />
Hauptarbeit war, beiden Seiten klar zu machen,<br />
dass wir, nur weil wir auch mit der<br />
jeweiligen Gegenseite drehen, nicht auch<br />
auf irgendeiner Seite stehen.<br />
JK: Die Demonstranten, die dann im Film<br />
zu sehen sind, konnten wir davon überzeugen.<br />
Die anderen haben sich zurückgezogen<br />
und wollten nicht mehr beteiligt sein.<br />
Sie lassen auch Karl D. selbst zu Wort<br />
kommen – wie begegnen Sie Stimmen,<br />
die fordern, jemand wie er habe kein<br />
Wortrecht verdient?<br />
MK: In der Verweigerung, auch ihm zuzuhören,<br />
steckt eine große Angst, sich mit<br />
dem Thema auseinanderzusetzen, und<br />
auch eine gewisse Intoleranz.<br />
JK: Wenn man den Konflikt begreifen<br />
möchte, muss man alle zu Wort kommen<br />
lassen. Wir wollten ja auch Beobachter,<br />
keine Richter sein. Und selbst ein Richter<br />
lässt den Angeklagten zu Wort kommen. ///<br />
16 <strong>Klenkes</strong> Mai <strong>2011</strong> Wertung: top lohnt ganz gut lohnt nicht geht gar nicht