Franziskaner Mission 03/06 - Neue Provinzleitung der Deutschen ...

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16 Franziskaner Mission 3 | 2006 — Information oder Illusion – Medien verändern Wenn ich Sie richtig verstehe, gehören für Sie die Vermittlung von Wissen (Volksbildung) und die Bewusstseinsbildung über Gesundheit, Umwelt und Politik, die Kontrolle und Kritik der Regierung und die Evangelisierung zusammen? Können Sie uns das erläutern? Das stimmt. Das Programmraster des Bildungsradios variiert sehr. Verschiedenste Themen werden behandelt, wie zum Beispiel Gesundheit, Hygiene, Grundbildung, Menschenrechte, Sport, Informationen der Polizei und religiöse Inhalte. Was allen diesen Aspekten gemein ist – zumindest ist das unser Ziel – das ist die Grundinspiration, das Evangelium und was es ausmacht. Sie wollen kein ausschließlich frommes Programm machen: Aber welche Rolle spielen die Übertragung von Messen, die Ausstrahlung von Andachten und die geistlichen Worten des Erzbischofs? Interessant ist, dass wir in letzter Zeit ein wachsendes Interesse der Hörer an religiösen Themen verzeichnen. Der lateinamerikanische Theologe Pe. Libánio spricht vom »Aufkommen überschäumender Religiösität«. In diesem Moment, so sagt er, muss man falsche Wege vermeiden, beispielsweise Spiritualität mit geistlicher Emotion verwechseln. Das Bildungsradio hat immer von großen kirchlichen Ereignissen berichtet, sei es auf lokaler, überregionaler oder nationaler Ebene. In diesen Berichterstattungen versuchen wir, ein positives Bild der Kirche und ihrer Botschaften zu vermitteln. Inwieweit verstehen Sie sich dabei als Konkurrenz oder Korrektiv zu den Pentekostalen Kirchen, die den Umgang mit modernen Medien professionell vorantreiben? Wo sehen Sie den Unterschied zwischen den Botschaften unserer Kirche und denen dieser neuen geistlichen Bewegungen? Ich möchte noch einmal die Ideen von Pe. Libanio zitieren: »Modernität und Postmodernität – zum einen durch extreme Verweltlichung, zum anderen durch eine Übertreibung des Sakralen – sind für die Religion problematisch. Das Christentum findet sich darin in einer schwierigen Rolle wieder, weil es seine religiöse Dimension vertreten muss, sich aber auch mit antireligiösen Tendenzen auseinandersetzen muss. Die gegenwärtige übertriebene Frömmigkeit kann von der eigentlichen Mission des Christentums ablenken, indem sie ihm falsche Wege der Spiritualität zeigt. In der Theologie und der Pastoral müssen wir diese Situation ganz bewusst und weitsichtig angehen. Welche Rolle spielen die politischen Sendungen? Kommen Sie oft in Konflikt mit den Herrschenden? Kann ein Radio für mehr Gerechtigkeit sorgen? Das Bildungsradio will prinzipiell unparteiisch sein, jedoch nicht unpolitisch. In diesem Sinn gehen vor allem einige Programme auf die großen Fragen unseres Volkes ein, zum Beispiel Bürgerrechte und -pflichten, die Pflichten des Staates, aktuelle wirtschaftliche, soziale und politische Fragen. Manchmal, vor allem während der Wahlkämpfe, hatte unser Radio große Probleme mit Politikern. Das ging sogar so weit, dass der Sender eine Zeitlang außer Betrieb gesetzt wurde. Ich glaube – allerdings ohne große Illusionen – dass das Bildungsradio auch förderlich für andere Volksbewegungen sein kann, deren Ziel eine gerechteren Gesellschaft, basierend auf Gleichheit, ist. Was teilen Sie als Erzbischof den Menschen in Ihren Beiträgen und Botschaften gewöhnlich mit? Ich habe eine tägliche Sendezeit von 10 Minuten. Ausgehend vom Tagesevangelium, versuche ich den Hörern täglich eine »gute Nachricht« zu übermitteln. Wie viele Menschen erreichen Sie mit Ihrem Radio? Der Sender steht in Maranhão aufgrund der Einschaltquoten an zweiter Stelle. Man hört oft, dass er in Sachen Glaubwürdigkeit sogar ganz vorn liegt. Unser Bildungsradio erreicht den am dichtest besiedelten Teil von Maranhão. Das ist einmal die Inselstadt São Luis mit mehr als einer Million Einwohnern und der gesamte nördliche Teil des Bundesstaates. Es ist sicher nicht falsch, wenn wir sagen, dass der Sender wenigstens die Hälfte der Bewohner von Maranhão erreicht, also etwa 3 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Wie ist die Akzeptanz bei den Menschen Ihrer Diözese? Gibt es auch Kritik am Radio? Das Bildungsradio ist sehr beliebt, vor allem auch bei den armen Schichten. Es gibt natürlich auch Bedenken wegen einiger Programminhalte. Einige Stimmen der Kirche würden ein rein religiöses Programm vorziehen.
Gibt es Sendungen, bei denen sich die Hörer beteiligen? Wenn ja, welche und in welcher Form? Der größte Teil des Programms ist für die Beteiligung der Hörer offen. Da es hierzulande immer mehr Telefone gibt, können auch immer mehr Zuhörer das Programm mitgestalten. Darüber hinaus gibt es andere Formen des Mitmachens. So wird die wöchentliche Sendung der Basisgemeinden in der Regel direkt aus einer solchen Gemeinde übertragen. Gibt es auch in anderen Teilen Brasiliens ein solches Bildungs- und Volksradio, und gibt es eine Vernetzung der kirchlichen bzw. franziskanischen Radios? Es gibt viele andere solcher Radiostationen. Fast alle sind in den 60er Jahren entstanden. In den letzten Jahren kamen viele so genannte Bürgerradios dazu. Das sind UKW- Sender mit kurzer Reichweite, die sich bestimmten Themen oder spezifischen Gruppen widmen. Diese Radios mussten mit den gesetzlichen Vorschriften, die ja sehr streng sind, konform gehen, gerade weil sie ja alternativ senden wollten. Die nationale brasilianische Bischofskonferenz hat versucht, die verschiedensten Initiativen der Katholiken im Bereich der sozialen Kommunikation zu verbinden. Es gibt einige Sendernetze, unter ihnen das »Netz Katholischer Information oder Illusion – Medien verändern — Franziskaner Mission 3 | 2006 Radios«, die vom Radio der franziskanischen Minoriten (Konventualen) koordiniert werden. Welche Musik wird im Bildungsradio gespielt? Unser Sender spielt alle Musikrichtungen, vor allem populäre Lieder. Senden Sie rund um die Uhr? Ja, wobei wir uns von Mitternacht bis 5.55 Uhr in das »Netz Katholischer Radios« einschalten. Welche anderen Organisationen sind am Bildungsradio beteiligt? Mit wem arbeiten Sie zusammen? Das Bildungsradio arbeitet mit verschiedensten Organisationen zusammen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der kirchlichen Institutionen. Um nur einige zu nennen: die Gewerkschaften, die zweimal in der Woche eine halbe Stunde Programm haben; der Dachverband der Rechtsanwälte Brasiliens; der Zusammenschluss der katholischen Schulen, die Basisgemeinden, die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der Erzdiözse, dazu viele andere Bewegungen und pastorale kirchliche Gruppen. Wie können wir Sie in Europa bei Ihrer Arbeit unterstützen? Europa hilft unserem Sender schon sehr. Doch Unterstützung bei der Dom José Belisário besuchte Europa Seine erste Auslandsreise als Erzbischof von São Luis führte Dom José Belisário da Silva ofm nach Rom, wo er am 29. Juni 2006, dem Fest des Hl. Petrus und Paulus, zusammen mit 26 anderen neu ernannten Erzbischöfen aus den Händen von Papst Benedikt XVI. das Pallium, äußeres Zeichen der Würde des Erzbischofs, erhielt. Als Franziskanerbischof ließ es sich Dom Belisário, ehemaliger Bischof von Bacabal, nicht nehmen, neben verschiedenen Hilfswerken, Partnergemeinden und Klöstern auch die Franziskaner Mission in Dortmund zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit sprach er ausführlich von seiner Arbeit, seinen Hoffnungen, Plänen und Sorgen. Ein großes Anliegen des Erzbischofs ist die Konsolidierung des Senders »Radio Educadora«, wie aus unserem Interview hervorgeht. Erneuerung der Sendetechnik und der Ausbildung unserer Radiojournalisten wäre sehr willkommen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Radios? Unser Sender befindet sich gerade in einer recht schwierigen Phase. Bis jetzt hatte er die rechtliche Form einer Handelsgesellschaft, wobei 95 Prozent der Anteile in den Händen meines Vorgängers, Dom Paulo Ponte, lagen. Die Erzdiözese von São Luis hat nun die Stiftung »Dom José de Medeiros Delgado« ins Leben gerufen, deren Hauptziel die Förderung der Evangelisierung durch soziale Kommunikationsmittel ist. Diese Stiftung ist bereits Eigentümerin von zwei Verteilern katholischer TV-Sender: die »Rede Vida« und die »Rede Nazaré«. Wir möchten das Bildungsradio der Verantwortung dieser Stiftung übertragen. Dabei handelt es sich allerdings nicht nur um einen reinen Verwaltungsschritt, vielmehr müssen wir diese Gelegenheit nutzen und die Aktionslinien unserer Ortskirche bezüglich ihres Engagements in den sozialen Kommunikationsmitteln diskutieren und hinterfragen. Mit Dom Belisário sprach Thomas M. Schimmel, Leiter des Berliner Büros der Missionszentrale der Franziskaner. 17
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