Franziskaner Mission 03/06 - Neue Provinzleitung der Deutschen ...
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Diese Grundproblematik hatte sich<br />
auch Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre nicht<br />
geän<strong>der</strong>t. Im Frühjahr 1990 führte<br />
Walter Michler eine Auswertung <strong>der</strong><br />
ARD- und ZDF-Hauptnachrichten<br />
durch und kam dabei zu folgenden<br />
signifikanten Ergebnissen: Der<br />
Anteil <strong>der</strong> Berichterstattung »über«<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong> (etwa drei Viertel<br />
<strong>der</strong> Welt) betrug 4,5 Prozent. Von<br />
1.125 Minuten Gesamtnachrichten<br />
waren 1,7 Minuten = 0,15 Prozent<br />
Schwarzafrika gewidmet (heute<br />
46 Staaten mit 495 Millionen Einwohnern).<br />
Das heißt: Der Zuschauer<br />
erfährt praktisch nichts über das<br />
Geschehen in Schwarzafrika. Die<br />
Berichterstattung beschränkte sich<br />
auf 13 Staaten aus <strong>der</strong> Dritten Welt,<br />
das sind weniger als 10 Prozent<br />
aller Entwicklungslän<strong>der</strong>. An sieben<br />
von 31 Tagen erfolgte keinerlei<br />
Berichterstattung über die Dritte<br />
Welt. Über die zentralen Probleme<br />
Weltwirtschaftssystem, Verschuldung,<br />
Rohstoffpreisverfall und Nord-Süd-<br />
Konflikt wurde überhaupt nicht<br />
berichtet. Die Berichterstattung über<br />
gewaltsame Auseinan<strong>der</strong>setzungen,<br />
Unglücks- und Katastrophenfälle<br />
dominierte die Dritte-Welt-Nachrichten:<br />
30 von insgesamt 65 Meldungen<br />
– das sind 46 Prozent – entfielen auf<br />
diese Kategorie.<br />
Die Folgen charakterisierte<br />
Mekonnen Mesghena im Jahr 1995<br />
so: »Krisen in Afrika werden als<br />
Schlagzeilen vermittelt, als Paukenschläge<br />
aus einer dumpfen anarchi-<br />
schen Welt, die das Fernsehen in<br />
fiebern<strong>der</strong> Nervosität wach hält. Die<br />
Signalwärter, <strong>der</strong>en sich das Medium<br />
bedient, lauten immer wie<strong>der</strong><br />
›Massaker‹, ›Seuche‹, ›Hunger‹,<br />
›Aids‹, ›Korruption‹, ›Bevölkerungsexplosion‹<br />
o<strong>der</strong> ›Stammesfehde‹. Auf<br />
diese Katastrophen-Kaskaden hat sich<br />
<strong>der</strong> Zuschauer eingestellt, er erwartet<br />
im Zuge <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung kaum<br />
an<strong>der</strong>e Begriffe. Auf Gemetzel und<br />
Blutbad ist er eingerichtet, wenn<br />
aus Afrika berichtet wird, nicht auf<br />
Bewältigung von Krisen, Aufbau und<br />
positive Entwicklung.«<br />
Bei Zeitungsartikeln bestimmt<br />
bereits die Überschrift, die Schlagzeile<br />
die Interpretation des folgenden<br />
Artikels. Studien zu Artikeln<br />
über Afrika haben gezeigt, dass <strong>der</strong><br />
überwiegende Teil mit negativen<br />
Schlagzeilen betitelt war, durch die<br />
<strong>der</strong> Leser eine entsprechende Leseanleitung<br />
bekam, die den »Tunnelblick«<br />
(Wahome Mutahi) auf Afrika<br />
weiter verstärkt.<br />
Die Gesamtentwicklung <strong>der</strong><br />
Deutung von weltweiten Trends<br />
während <strong>der</strong> letzten drei Jahrzehnte<br />
lässt sich (vereinfachend) so beschreiben:<br />
In den 80er Jahren galten<br />
– medial gesehen – die meisten<br />
Konflikte als militärisch offene o<strong>der</strong><br />
verdeckte Konfrontation zwischen<br />
östlicher und westlicher Interessensphäre.<br />
In den 90er Jahren, nach<br />
Ende des Ost-West-Konfliktes, wurde<br />
vorwiegend das ethnische Argument<br />
als Erklärungsmuster für Konflikte –<br />
insbeson<strong>der</strong>e in Afrika und auf<br />
dem Balkan – herangezogen. Am<br />
Beginn des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts dominiert<br />
das religiöse Deutungsschema: Terror,<br />
Selbstmordattentate von Islamisten<br />
usw. Kritisch nachzufragen ist hier,<br />
ob <strong>der</strong>artige, oft vereinfachende<br />
Argumentationen nicht stereotype<br />
Deutungsmuster und mentale<br />
Bewusstseinsschranken verfestigen,<br />
statt sie aufzulösen. »Die ideologische<br />
Verkrustung, die damit einhergeht,<br />
dient nur zu oft <strong>der</strong> Verschleierung<br />
<strong>der</strong> tatsächlichen Ursachen für Krieg<br />
und Hunger, die weiterhin im nicht<br />
befriedeten Nord-Süd-Konflikt o<strong>der</strong><br />
in innerstaatlichen Problemen liegen<br />
können« (Christian Hörburger).<br />
Mediale Berichte tragen daher<br />
nicht automatisch zu einem besseren<br />
Verständnis und einer vertieften<br />
Sicht <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und Menschen <strong>der</strong><br />
so genannten »Dritten Welt« bei.<br />
Notwendig ist und bleibt eine kritische<br />
Gegenöffentlichkeit und das Interesse<br />
an <strong>der</strong> Nutzung »alternativer« Medien<br />
und Informationsquellen, um das oft<br />
einseitige Bild aufzubrechen und ein<br />
mehr-perspektivisches entstehen zu<br />
lassen.<br />
Stefan Fe<strong>der</strong>busch<br />
Br. Stefan Fe<strong>der</strong>busch ofm ist<br />
Schulseelsorger am <strong>Franziskaner</strong>-<br />
Gymnasium in Großkrotzenburg.<br />
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