Entwicklungsverzögerte Heimkinder? - BSCW
Entwicklungsverzögerte Heimkinder? - BSCW
Entwicklungsverzögerte Heimkinder? - BSCW
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Theoretische Überlegungen und Fragestellungen – Entwicklungstheoretische Aspekte 26<br />
Largo, 2010).<br />
Ebenfalls verinnerlichen Kinder erfahrene Beziehungen zu ihren Bezugspersonen sowie zu<br />
Gleichaltrigen. Diese Erfahrungen zeigen sich dann wieder in der Gestaltung von zukünftigen<br />
Interaktionen (vgl. Schmidt-Denter, 2005).<br />
Die soziale Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit den emotionalen Fähigkeiten<br />
eines Kindes. Um sozial interagieren zu können, ist es notwendig, seine eigenen Gefühle<br />
bewusst wahrzunehmen und reflektieren zu können. Zudem spielt hierbei die „Theory of<br />
Mind“ eine wichtige Rolle (siehe Kapitel 2.3.3). Sie ermöglicht dem Kind, sich in andere Menschen<br />
hineinzuversetzen und deren Gedanken nachzuvollziehen (vgl. Largo, 2010).<br />
Regelmässiger Kontakt zu anderen Kindern ist sehr bedeutend für die soziale Entwicklung,<br />
denn dabei werden soziale Verhaltensweisen entwickelt. Es handelt sich dabei beispielsweise<br />
um die Kooperations- und Kompromissbereitschaft und um das Durchsetzungsvermögen<br />
(vgl. Kasten, 2005).<br />
Frühe Freundschaften können als Experimentierfeld für soziales Verhalten dienen. Im Umgang<br />
mit Gleichaltrigen können unterschiedliche soziale Verhaltensweisen ausprobiert werden.<br />
So lernen Kinder beispielsweise sich auf den anderen zu verlassen, gemeinsam<br />
Schwierigkeiten und Streitigkeiten zu meistern. Zudem können Kinder in einer Freundschaft<br />
lernen, zu verzichten oder dem Freund einen Gefallen zu erweisen (ebd.).<br />
Die Waisenkinder von Theresienstadt, die Anna Freud und Diana Burlingham beobachteten,<br />
stellen ein exemplarisches Beispiel dar, wie Kinder zueinander Beziehungen eingehen können.<br />
Bei den beobachteten Kinder handelt es sich um elternlose Kinder, die sich zuvor in einem<br />
tschechischen Konzentrationslager befanden und schliesslich in ein Kinderheim in England<br />
gebracht wurden. Sie zeigten untereinander eine besondere Nähe und Vertrautheit. Das<br />
gemeinsame Schicksal führte dazu, dass die Kinder untereinander sehr enge, geschwisterähnliche<br />
Beziehungen entwickelten (ebd.).<br />
Aus den Beobachtungen der Waisenkinder von Theresienstadt kann die These abgeleitet<br />
werden, dass Geschwister, die mit den gleichen, ungünstigen familiären Gegebenheiten<br />
konfrontiert wurden, später eine sehr enge und liebevolle Geschwisterbeziehung aufweisen.<br />
Dies können wir später bei einem Geschwisterpaar im Monikaheim beobachten.<br />
Des Weiteren kann aus diesen theoretischen Überlegungen die Hypothese abgeleitet werden,<br />
dass <strong>Heimkinder</strong>, die in ihrer frühen Kindheit über längere Zeit keine tragfähigen Bindungen<br />
erfahren haben, später vermehrt Mühe im sozialen Bereich haben. Dies sollte sich<br />
also auch bei den Kindern im Monikaheim bestätigen. Mit dem standardisierten Testverfahren<br />
WET wird der sozial-emotionale Entwicklungsstand aufgezeigt.