Leitfaden Nachhaltige Chemikalien - Umweltbundesamt
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Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass durch die Abfallphase<br />
zusätzliche Belastungen von Mensch und Umwelt<br />
entstehen können. Daher ist die Abfallphase bei der<br />
Beurteilung der Nachhaltigkeit von Stoffen von weitreichender<br />
Bedeutung und sorgfältig zu berücksichtigen.<br />
Treffen einer oder mehrere der Spiegelstriche der<br />
Kombinationen von Entsorgungstechniken und Stoffeigenschaften<br />
auf einen Stoff zu, so ist dieser als kritisch<br />
im Sinne der Nachhaltigkeit des Stoffes bzw. seiner<br />
Verwendung anzusehen.<br />
2.2.5. Die Substituierbarkeit des Stoffes<br />
Die Substituierbarkeit eines Stoffes oder eines Gemisches<br />
ist ein Kriterium, das weniger den (nicht nachhaltigen)<br />
Stoff oder das Gemisch selbst betrifft, sondern<br />
die Möglichkeit, die Verwendung zu vermeiden. Sind<br />
Substitute verfügbar, oder kann der Stoff oder das<br />
Gemisch durch andere Maßnahmen ersetzt werden,<br />
z. B. verändertes Produktdesign oder eine Prozessumstellung?<br />
Ist dies technisch wie ökonomisch möglich,<br />
so verstärkt die prinzipielle Substituierbarkeit eine<br />
negative Bewertung allein dadurch, dass der Einsatz<br />
des Stoffes oder das Gemisch vermieden werden könnte.<br />
Sind keine Alternativen verfügbar, so ist eine Weiternutzung<br />
(und nach Möglichkeit der Implementierung von<br />
Maßnahmen zur Minderung nicht nachhaltiger Aspekte<br />
des Stoffes/des Gemisches) zunächst unabdingbar. Eine<br />
negative Nachhaltigkeitsbewertung wird entsprechend<br />
relativiert. Allerdings sollte die Verfügbarkeit von Alternativen<br />
regelmäßig geprüft werden.<br />
Substitution ist ein komplexer Prozess und im Rahmen<br />
dieses <strong>Leitfaden</strong>s kann nur die Aufmerksamkeit auf<br />
dieses Thema gerichtet werden; konkrete Substitutionsszenarien<br />
werden hier nicht dargelegt. Eine Übersicht<br />
zum Thema findet sich in der Veröffentlichung von Lißner<br />
und Lohse 2006. Eine „Anleitung zur Substitution“<br />
bietet z. B. der <strong>Leitfaden</strong>, der von der Bundesanstalt für<br />
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht worden<br />
ist als Technische Regel Gefahrstoffe (TRGS) 60045 . Im<br />
Anhang 7 werden einige grundlegende Überlegungen<br />
zur Substitution dargestellt, die zu einer ersten Bewertung<br />
ausreichen. In diesem Kapitel werden Leitsätze für<br />
die wichtigsten, die Substitutionsentscheidung beeinflussenden<br />
Faktoren aufgeführt:<br />
> Durch eine Substitution sollte die Produktqualität<br />
erhalten oder verbessert werden.<br />
> Eine Substitution sollte keine Risiken für Mensch und<br />
Umwelt verschieben oder erhöhen, insgesamt sollten<br />
sich die Risiken (für alle Schutzgüter) verringern.<br />
> Substitution kann nur dann funktionieren, wenn<br />
sowohl im eigenen Betrieb, als auch beim Kunden<br />
die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Das<br />
heißt z. B., dass Prozesse nicht auf den zu ersetzenden<br />
Stoff abgestimmt sein dürfen.<br />
> Substitution ist nur dann eine nachhaltige Lösung für<br />
ein stoffbezogenes Problem, wenn sowohl gesellschaftlich,<br />
als auch betrieblich die Kosten für den<br />
Ersatz die Kosten für mögliche oder tatsächliche<br />
Schäden unterschreiten.<br />
Relevanz in Bezug auf stoffbezogene Kriterien<br />
Die Substituierbarkeit wirkt sich auf die Bewertung aller<br />
stoffbezogenen Kriterien aus.<br />
Anwendbarkeit des Kriteriums<br />
Grundsätzlich kann für jeden Stoff und jedes Gemisch<br />
geprüft werden, ob die Verwendung vermieden werden<br />
kann und sollte. Vor diesem Hintergrund ist das Kriterium<br />
auf alle Stoffherstellungen und -verwendungen<br />
anwendbar. Die Substitutionsmöglichkeiten werden oft<br />
weniger und komplizierter, je spezifischer die Funktionalität<br />
eines Stoffes oder eines Gemisches, bzw. je<br />
essenzieller er für ein Produkt oder einen Prozess ist.<br />
Zugrunde liegende Informationen<br />
Die Informationen zur Prüfung von Alternativen (Substitution)<br />
sind vielfältiger Art und beinhalten v. a.:<br />
> betriebswirtschaftlichen Quellen zur Bewertung der<br />
finanziellen Machbarkeit einer Substitution,<br />
> Aussagen von Kunden zur Produkt- oder Prozessqualität,<br />
> Datenbanken (z. B. im Internet) zu Alternativen,<br />
> Informationen zu Stoffeigenschaften, Verwendungen<br />
und möglichen Expositionen bzw. Risiken und<br />
> technische Substitutionserfahrungen.<br />
Bewertung<br />
Jedes Unternehmen muss im Einzelfall entscheiden,<br />
ob die Nachhaltigkeitsbewertung eines Stoffes oder<br />
eines Gemisches eine Substitution erforderlich macht<br />
(rechtfertigt) oder nicht. Je „einfacher“ und kostengünstiger<br />
eine Substitution möglich ist, desto höher ist die<br />
Substituierbarkeit des Stoffes / des Gemisches und desto<br />
mehr fällt eine negative Bewertung der Nachhaltigkeit<br />
aufgrund der stoffbezogenen Kriterien in das Gewicht.<br />
Diese Bewertung ist nicht standardisierbar und deshalb<br />
können keine Bewertungsmaßstäbe angegeben werden.<br />
2.2.6. Das Nutzenpotential des Stoffes<br />
Das Nutzenpotential setzt sich aus der Qualität der<br />
(End-) Produkte, dem gesellschaftlichen Nutzen, dem<br />
Nutzen für die Umwelt sowie dem betriebswirtschaftlichen<br />
Nutzen zusammen.<br />
Stoffe können sehr unterschiedliche Funktionen haben,<br />
sowohl in Gemischen, als auch in Erzeugnissen, in die<br />
sie eingebracht werden. Um das Nutzenpotential zu<br />
ermitteln, ist jeweils die Relevanz des Stoffes für die<br />
Funktionsfähigkeit oder die entsprechende Qualität des<br />
Endproduktes zu ermitteln. Die Funktionen von Stoffen<br />
für die Endprodukte können unterschiedlichen Bereichen<br />
zugeordnet werden. Eine mögliche Unterteilung<br />
<strong>Leitfaden</strong> nachhaLtige chemikaLien<br />
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