Das Wichtige im Überblick - Anwalt-Suchservice
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Im Dezember 2002 stellte die Steuerfahndung fest, dass sich die<br />
Antragstellerin an einem betrügerischen europaweiten Umsatzsteuerkarussell<br />
beteiligt habe. Sie habe ihre Waren nahezu ausschließlich<br />
von der ebenfalls an dem Karussell beteiligten Firma<br />
H. bezogen und sie an weitere an dem Karussell beteiligte<br />
Firmen verkauft. Jedenfalls zehn Prozent der Waren habe die<br />
Antragstellerin mehrfach bezogen und weiterverkauft.<br />
<strong>Das</strong> Finanzamt vertrat daraufhin die Auffassung, dass die Antragstellerin<br />
in den Streitjahren nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt<br />
gewesen sei und erließ entsprechende Rückforderungsbescheide<br />
in Millionenhöhe. Es setzte zwar antragsgemäß die Vollziehung<br />
der Bescheide aus, verlangte hierfür aber eine Sicherheitsleistung,<br />
da die Antragstellerin ihre Geschäftstätigkeit inzwischen weitgehend<br />
eingestellt habe und ihre Kreditlinie ausgeschöpft sei. Der<br />
hiergegen gerichtete Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne<br />
Sicherheitsleistung hatte letztinstanzlich keinen Erfolg.<br />
Die Gründe:<br />
<strong>Das</strong> Finanzamt hat die Aussetzung der Vollziehung der Rückforderungsbescheide<br />
zu Recht von einer Sicherheitsleistung<br />
abhängig gemacht. Die Sicherheitsleistung ist geboten, weil die<br />
Antragstellerin sich in einer schlechten finanziellen Lage befindet<br />
und nicht mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit in<br />
der Hauptsache ein günstiger Prozessausgang für die Antragstellerin<br />
zu erwarten ist.<br />
Die Antragstellerin war in den Streitjahren an einem so genannten<br />
„Umsatzsteuer-Karussell“ beteiligt. Es ist zweifelhaft, ob<br />
Warenbewegungen innerhalb eines solchen „Karussells“ der<br />
Umsatzbesteuerung unterliegen.<br />
Dem EuGH liegen bereits mehrere Vorabentscheidungsersuchen<br />
vor, in denen zu entscheiden ist, ob Umsätze innerhalb eines solchen<br />
„Karussells“ als „wirtschaftliche Tätigkeit“ <strong>im</strong> Sinn der<br />
Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie und damit als steuerbare<br />
Tätigkeit <strong>im</strong> Sinn des UStG anzusehen sind. Sollte der EuGH<br />
zu dem Ergebnis kommen, dass Warenbewegungen innerhalb<br />
eines „Karussells“ keine „wirtschaftliche Tätigkeit“ darstellen,<br />
so scheidet ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen über die Warenbewegung<br />
aus.<br />
Der Hintergrund:<br />
Im Regelfall funktionieren die „Karusselle“ so, dass Waren aus<br />
einem anderen Mitgliederstaat an einen Erwerber <strong>im</strong> Inland steuerfrei<br />
veräußert werden. Der Erwerber veräußert die Waren mit<br />
einem Aufschlag an einen Abnehmer, der den in der Rechnung<br />
ausgewiesenen - aber tatsächlich nicht gezahlten - Steuerbetrag<br />
als Vorsteuer abzieht.<br />
Der Abnehmer veräußert die Waren mit Gewinnaufschlag an<br />
einen weiteren Abnehmer. Dieser zieht den Steuerbetrag als Vorsteuer<br />
ab und veräußert die Waren an einen Exporteur, der sie<br />
wieder steuerfrei in den Ausgangsmitgliedstaat verkauft und die<br />
ihm berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abzieht.<br />
Linkhinweis:<br />
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH<br />
veröffentlicht.<br />
Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
Die EU-Mitgliedstaaten dürfen nicht nur die<br />
in ihrem Land ausgeführten Forschungsarbeiten<br />
steuerlich begünstigen<br />
EuGH 10.3.2005, C-39/04<br />
Es verstößt gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit,<br />
wenn ein Mitgliedstaat (hier: Frankreich) nur <strong>im</strong> eigenen Land<br />
ausgeführte Forschungsarbeiten steuerlich begünstigt. Diese<br />
Ungleichbehandlung steht <strong>im</strong> direkten Gegensatz zum Ziel der<br />
Gemeinschaftspolitik, in diesem Bereich alle Hindernisse, die<br />
einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit entgegenstehen,<br />
zu beseitigen.<br />
Der Sachverhalt:<br />
<strong>Das</strong> französische Steuerrecht sieht eine Steuervergünstigung für<br />
Forschungsarbeiten vor, die ein in Frankreich ansässiges Unternehmen<br />
in Frankreich ausführen lässt. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens<br />
ist Firma mit Sitz in Frankreich, die Arzneispezialitäten herstellt<br />
und vertreibt. Sie vergab in den Streitjahren 1995 und 1996<br />
verschiedene Forschungsaufträge an in anderen Mitgliedstaaten<br />
niedergelassene Forschungszentren und machte für ihre Ausgaben<br />
die Steuervergünstigung für Forschungsarbeiten geltend.<br />
Die französische Steuerbehörde gewährte die Steuervergünstigung<br />
nicht, weil die Forschungsarbeiten nicht in Frankreich ausgeführt<br />
worden seien. Auf die gegen die entsprechenden Steuerbescheide<br />
gerichtete Klage setzte das mit der Sache befasste<br />
nationale Gericht das Verfahren aus und legte dem EuGH die<br />
Frage vor, ob die Beschränkung der Steuervergünstigung auf<br />
in Frankreich ausgeführte Forschungsarbeiten <strong>im</strong> Einklang mit<br />
dem EU-Recht steht. Der EuGH verneinte dies.<br />
Die Gründe:<br />
Die streitige Beschränkung der Steuervergünstigung auf in<br />
Frankreich ausgeführte Forschungsarbeiten verstößt gegen den<br />
Grundsatz der Dienstsleistungsfreiheit. Die Regelung macht die<br />
Begünstigung mittelbar vom Sitz des Erbringers der Forschungsleistungen<br />
abhängig und ist daher geeignet, dessen grenzüberschreitende<br />
Tätigkeiten zu behindern.<br />
Diese Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Forschungsleistungen<br />
ist nicht gerechtfertigt. Die Förderung der<br />
Forschung <strong>im</strong> eigenen Land ist zwar ein wichtiges Allgemeininteresse.<br />
Dieses Anliegen steht aber in direktem Gegensatz zu<br />
dem Ziel der Gemeinschaftspolitik, in diesem Bereich alle rechtlichen<br />
und steuerlichen Hindernisse, die einer grenzüberschreitenden<br />
Zusammenarbeit entgegenstehen, zu beseitigen.<br />
Die Ungleichbehandlung kann auch nicht aus Gründen der<br />
Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle gerechtfertigt werden.<br />
Die Mitgliedstaaten dürfen zwar Regelungen treffen, die eine<br />
klare und eindeutige Feststellung der in ihrem Land steuerlich<br />
abziehbaren Beträge erlauben. Die streitige Regelung geht aber<br />
weit über dieses Ziel hinaus, da sie nicht der Abgrenzung der in<br />
Frankreich als Forschungsausgaben abziehbaren Beträge dient,<br />
sondern die steuerliche Berücksichtigung von Ausgaben für Forschungsarbeiten,<br />
die ein in Frankreich ansässiges Unternehmen<br />
in einem anderen Mitgliedstaat ausführen lässt, von vornherein<br />
ausschließt.<br />
Linkhinweis:<br />
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH<br />
veröffentlicht.<br />
Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.<br />
11/2005 <strong>Anwalt</strong>swoche 43