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Jüdischer bewaffneter Widerstand - Arbeit und Leben (DGB/VHS ...

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Die Europäische Union hat Vilnius zur Kulturhauptstadt Europas 2009 erkoren. Vilnius hat<br />

diese Ehre nicht verdient. Gewiss ist Litauens Hauptstadt reizvoll; die w<strong>und</strong>erschöne Altstadt<br />

zeugt von einer ehrwürdigen Geschichte. Kirche <strong>und</strong> Paläste werden fleißig restauriert, <strong>und</strong><br />

den Besucher begeistert die Postkartenidylle. Ihm dürfte verborgen bleiben, dass Litauen einen<br />

wesentlichen Teil seines kulturellen Erbes systematisch verleugnet <strong>und</strong> ein Maß an Intoleranz<br />

aufweist, das für ein neues EU-Mitglied nicht akzeptabel ist.<br />

Tausend Jahre lang lebten Juden in Litauen, <strong>und</strong> Vilnius – oder Wilna, wie man es auch nannte<br />

– war ein Zentrum jüdischen <strong>Leben</strong>s <strong>und</strong> jüdischer Gelehrsamkeit. Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert gab<br />

es in der Stadt so viele Jeschiwot <strong>und</strong> angesehene Rabbiner, dass sie als „Jerusalem Litauens“<br />

bekannt war. Zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts war ein Drittel ihrer Bevölkerung jüdisch <strong>und</strong><br />

die Stadt ein Weltzentrum jiddischer Kultur <strong>und</strong> Gelehrsamkeit.<br />

Der Holocaust machte all dem ein Ende. Mehr als 200.000 Juden – über 90 Prozent der jüdischen<br />

Bevölkerung – wurden von den Nazis ermordet, unter Beihilfe litauischer Kollaborateure.<br />

Heute ist die jüdische Gemeinde Litauens klein. Doch sie erholt sich <strong>und</strong> ist um die Rückgabe<br />

ehemals jüdischen Gemeindebesitzes bemüht, um jüdische Kulturdenkmäler restaurieren <strong>und</strong><br />

erhalten zu können <strong>und</strong> die eigenen bescheidenen religiösen <strong>und</strong> kulturellen Bedürfnisse zu<br />

erfüllen. Dabei folgt sie dem Beispiel der jüdischen Gemeinden in Polen, der Slowakei <strong>und</strong><br />

Tschechien, wo die Rückgabe von Gemeindebesitz schon vor Jahren vereinbart wurde.<br />

In Prag hat sich das restaurierte jüdische Viertel mit seinen acht Synagogen zum Touristenmagneten<br />

<strong>und</strong> Zentrum jüdischen <strong>Leben</strong>s entwickelt. Im Krakauer Viertel Kazimierz findet<br />

alljährlich ein jüdisches Kulturfestival statt, das 25.000 Menschen zusammenbringt: Eine<br />

Woche lang wird in Konzerten, Filmen <strong>und</strong> Vorträgen das reiche jüdische Erbe des Landes<br />

präsentiert. In der Slowakei hilft eine Regierungsstiftung – Teil eines Ausgleichs für im Holocaust<br />

geraubtes jüdisches Vermögen – bei der Versorgung alter Menschen sowie bei der Restaurierung<br />

von Friedhöfen <strong>und</strong> Synagogen. Nichts dergleichen aber geschieht in Litauen.<br />

Stattdessen hat die litauische Regierung jede denkbare Ausrede bemüht, um eine Vereinbarung<br />

über die Rückgabe von Gemeindebesitz hinauszuzögern. Seit sechs Jahren wird pausenlos<br />

„verhandelt“; die einzige Unterbrechung war die Parlamentswahl vor vier Jahren, weil<br />

man wohl der Meinung war, das Thema sei für ein Wahljahr zu kontrovers. Im Herbst wird<br />

erneut gewählt, die amtierende Regierung braucht die Angelegenheit also nur für ein paare<br />

weitere Monate auf die lange Bank zu schieben. In der Zwischenzeit wird ehemals jüdisches<br />

Eigentum privatisiert, fehlt der jüdischen Gemeinde selbst für elementarste Dinge wie Bildung<br />

<strong>und</strong> Wohlfahrt jedwede Unterstützung.<br />

Der jüdische Friedhof von Wilna war viele H<strong>und</strong>ert Jahre alt, aber das scherte Russen <strong>und</strong><br />

Sowjets kaum. Zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts errichtete die zaristische Armee auf der Stätte<br />

ein Kastell, in den 70er-Jahren bauten die Sowjets dort einen Sportpalast. Litauens postkommunistische<br />

Führung versprach, dass unter ihrer Aufsicht keine Gräber mehr geschändet würden,<br />

aber das erwies sich als leeres Versprechen. Das Land wurde privatisiert <strong>und</strong> an Investoren<br />

verkauft, unter Missachtung bestehender Bestimmungen wurde eine Baugenehmigung für<br />

Luxusapartments erteilt. Es ging das Gerücht um, der Bürgermeister von Vilnius sei selbst an<br />

dem Projekt beteiligt. Im September 2007 versprach der litauische Präsident öffentlich, die<br />

Bauarbeiten würden gestoppt. Sie dauern bis heute an.<br />

In Litauen wusste man lange Zeit sehr wenig über den Holocaust. Das Land wurde noch vor<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs von der Sowjetunion annektiert, bis zur Unabhängigkeit im Jahr<br />

1991 gab es keine Möglichkeit zur kritisch-objektiven Aufarbeitung. 1998 wurde per Erlass<br />

des Präsidenten eine internationale historische Kommission ins <strong>Leben</strong> gerufen, die über die<br />

Besatzung durch die Nazis <strong>und</strong> die Sowjets berichten sollte. Unter ihren prominenten Mitgliedern<br />

war auch Yitzak Arad, der Gründungsdirektor von Yad Vashem. Arad wurde in Litauen<br />

geboren, seine Familie wurde von den Nazis ermordet, er floh als Teenager in die Wäl-<br />

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