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Kind sein heute

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Das Potenzial der frühen Jahre<br />

„Generell nehmen Eltern und Erzieher <strong>heute</strong> das Potenzial der frü-<br />

hen Jahre viel deutlicher wahr“, beobachtet die Münchener <strong>Kind</strong>-<br />

heitsforscherin Dr. Donata Elschenbroich. Diese Entwicklung sei<br />

durchaus positiv, sagt sie, denn „früher wurden <strong>Kind</strong>er häufig<br />

unterschätzt. <strong>Kind</strong>er wollen von sich aus Aufgaben lösen. Auf diesen<br />

Wissensdurst gehen Eltern <strong>heute</strong> viel häufiger ein. Insgesamt<br />

ist das Bildungsbewusst<strong>sein</strong> gestiegen.“<br />

Hinter der Förderung steckt aber noch ein anderes Motiv. Laut<br />

der Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung „Eltern unter Druck“<br />

von 2008 ist der Alltag vieler Eltern <strong>heute</strong> geprägt von Zeit- und<br />

Leistungsdruck. Ein Drittel fühlt sich im Erziehungsalltag häufig<br />

gestresst, knapp die Hälfte gelegentlich. Die Angst vor dem<br />

sozialen Abstieg ist allgegenwärtig. Ständige Weiterentwicklung<br />

steht auf dem Programm, um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen.<br />

Erwachsene übertragen den Druck auf ihre <strong>Kind</strong>er. Die Folge: Für<br />

einfaches <strong>Kind</strong>-Sein bleibt häufig keine Zeit mehr, – viele <strong>Kind</strong>er<br />

haben einen Terminkalender wie ein Manager.<br />

Dabei sind sich viele Eltern bewusst, dass sie ihre <strong>Kind</strong>er überfordern<br />

könnten. Bei einer Online-Umfrage auf www.eltern.de antworten<br />

rund 90 Prozent der 141 Teilnehmer auf die Frage „Finden<br />

Sie, dass wir es mit der Förderung unserer <strong>Kind</strong>er mittlerweile<br />

übertreiben?“ mit „Ja“. Auch Dr. Elschenbroich sieht die Gefahr:<br />

„Überforderung entsteht, wenn Eltern ihre <strong>Kind</strong>er ständig bespielen.<br />

Der Alltag ist schon so vielfältig – wie eine Kulturgeschichte<br />

im Zeitraffer: Messer, Gabel, Farben an der Ampel oder ein Magnet<br />

bieten gehaltvolle Bildungserlebnisse. Eltern müssen das nicht<br />

durch zusätzlich geplante Kurse toppen“, betont sie.<br />

t i t E l 13<br />

Die <strong>Kind</strong>heitsexpertin sieht teure Kurse durchaus skeptisch: „Viel<br />

wichtiger ist, was in den <strong>Kind</strong>ergärten passiert. Dort verbringen<br />

die <strong>Kind</strong>er einen Großteil ihrer Zeit.“ Aktuell findet in Deutschland<br />

der Aufbau zahlreicher Bachelor-Studiengänge im Bereich der<br />

Pädagogik der frühen <strong>Kind</strong>heit statt. Elschenbroich begrüßt diese<br />

Entwicklung: „Erzieher müssen ein großes Wissen mitbringen und<br />

gleichzeitig sehr kommunikativ <strong>sein</strong>. Es ist absolut richtig, dass die<br />

Ausbildung verbessert wird. Es ist fast schon ungeheuerlich, dass<br />

das jetzt erst passiert. Immerhin werden unsere <strong>Kind</strong>er im <strong>Kind</strong>ergarten<br />

für das ganze Leben geprägt.“<br />

Grundschüler unter Druck<br />

Auch in der Grundschule ist der Übergang zwischen Förderung und<br />

Überforderung fließend. „Ich erlebe, dass auf vielen <strong>Kind</strong>ern ein<br />

hoher Leistungsdruck lastet“, sagt Irma Wüller (42), Leiterin der<br />

Domsingschule in Aachen. Die katholische Grundschule hat einen<br />

guten Ruf, weil wenig Unterricht ausfällt und die <strong>Kind</strong>er zusätzlich<br />

Musikunterricht und Chorproben erhalten. „Gerade daher erwarten<br />

viele Eltern, dass ihr <strong>Kind</strong> nach dem Besuch unserer Schule auf<br />

das Gymnasium geht“, sagt Irma Wüller und stellt fest: „Lernen<br />

fällt <strong>Kind</strong>ern unterschiedlich leicht oder schwer. Eltern verstehen<br />

das nicht immer.“<br />

Die Expertin<br />

Die Münchener <strong>Kind</strong>heitsforscherin und Buchautorin<br />

Dr. Donata Elschenbroich (65) arbeitete am Deutschen<br />

Jugendinstitut und gilt als Expertin für Bildung<br />

in frühen Jahren. Ihr aktuelles Buch „Die Dinge.<br />

Expeditionen zu den Gegenständen des täglichen<br />

Lebens“ ist erschienen im Verlag Antje Kunstmann.

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