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Hartwig Weber Ein Auszug aus dem Buch die opfer des kolumbus<br />
Unterdrückung, d<strong>as</strong> ist zunächst der Haß des Unterdrückers gegen den Unterdrückten.<br />
Nur eins steht dessen leibhaftiger Vernichtung im Wege: der Kolonialismus selbst. Hier<br />
stößt der Kolonisator auf seine eigene Widersprüchlichkeit: mit dem Kolonisierten würde<br />
die Kolonialherrschaft verschwinden, der Kolonisator inbegriffen. Wo es kein<br />
Subproletariat mehr gibt, da gibt es keine Überausbeutung mehr: man würde in die<br />
gewöhnlichen Formen der kapitalistischen Ausbeutung zurücksinken; die Löhne und<br />
Preise würden sich nach denen des Mutterlandes richten: es wäre der Ruin. D<strong>as</strong> System<br />
erfordert gleichzeitig den Tod und die Vermehrung seiner Opfer; jede Veränderung träfe<br />
es tödlich: ob man die Eingeborenen <strong>as</strong>similiert oder m<strong>as</strong>sakriert, der Preis der<br />
Arbeitskraft wird fortwährend ansteigen. Die schwerfällige M<strong>as</strong>chine hält diejenigen, die<br />
gezwungen werden, sie in Gang zu halten, zwischen Leben und Tod - immer näher am<br />
Tod als am Leben; eine versteinerte Ideologie bemüht sich, Menschen als sprechende<br />
Tiere zu betrachten. Vergeblich: um ihnen Befehle geben zu können, und seien sie noch<br />
so hart, noch so beleidigend, muß man sie zuvor anerkennen; und da man sie nicht<br />
ununterbrochen bewachen kann, muß man sich wohl oder übel entschließen, ihnen zu<br />
vertrauen: niemand kann einen Menschen behandeln, wenn er ihn<br />
nicht zuvor als Menschen anerkannt hat. Die unmögliche Entmenschlichung des<br />
Unterdrückten verkehrt sich in die Selbstentfremdung des Unterdrückers: er ist es, er<br />
selber, der durch seine geringste Geste d<strong>as</strong> Menschsein wieder hervorruft, d<strong>as</strong> er<br />
zerstören möchte; und da er es bei den anderen verneint, begegnet er ihm überall wieder<br />
als feindlicher Kraft. Um dem zu entgehen, muß er sich selbst versteinern, muß die<br />
Trägheit und Undurchdringlichkeit eines Felsblocks annehmen, muß, kurzum, sich<br />
seinerseits . »<br />
(J. P. Sartre: Vorwort zu A. Memmi: Der Kolonisator und der Kolonisierte, Frankfurt am<br />
Main 1980, Syndikat)<br />
Der Gott der Weißen<br />
Die Entdeckung Amerik<strong>as</strong> mußte sich den Europäern als ein fant<strong>as</strong>tisches Wunder<br />
darstellen, Konsequenz und Lohn eines neuen Kreuzzuges, und zur Weihe der<br />
Eroberungen ließ sich die Kirche nicht zweimal bitten. Als bei der zweiten, insbesondere<br />
aber bei der dritten Reise des Kolumbus zu den «Indien» der sichtbare Erfolg bezüglich<br />
vorweisbarer Reichtümer und Schätze erheblich zu wünschen übrig ließ, blieb dem<br />
Admiral und VizeKönig nichts anderes übrig, als immer wieder und inbrünstig die<br />
Unterstützung und Geduld der Könige von Spanien nebst derjenigen Gottes anzuflehen.<br />
Aus einem Brief des Kolumbus an Luis de Santangel, den Verwalter der königlichen<br />
Privatschatulle:<br />
«Erlauchter Herr!<br />
Wohl wissend, daß Ihr Euch über den großen Sieg freuen werdet, den der liebe Herrgott<br />
mir auf meiner Fahrt hat zuteil werden l<strong>as</strong>sen, schreibe ich Euch den vorliegenden Brief<br />
...<br />
Dies bedeutet soviel, daß menschliche Tüchtigkeit und Menschenverstand dazu nicht<br />
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