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Hartwig Weber Ein Auszug aus dem Buch die opfer des kolumbus<br />

Die Missionare, die d<strong>as</strong> geistige Leben der Eingeborenen zerstörten, ahnten nicht, daß sie<br />

damit sie selbst fundamental bedrohten.<br />

«Unter dem Einfluß von Missionen und Schulsystem kommt es zu einer<br />

zunehmenden Abwendung von der traditionellen Religion. Dies führt zur Schwächung<br />

von Faktoren der inneren Sicherheit bei den Familien und dem einzelnen ... Die<br />

(bergende) Alleinheit des archaischen Weltbildes zerbricht ... Insofern steht der<br />

Kulturwandel ... unter dem Zeichen der Entwurzelung und damit unter dem der Angst.»<br />

(C. Staewen, F. Schönberg: Kulturwandel und Angstentwicklung bei den Joruba<br />

Westafrik<strong>as</strong>, München 1970) Der Verlust der traditionellen Religion, zum Beispiel der<br />

Verlust des Ahnenkultes, beraubte die Eingeborenen der Gewißheit ihrer Unsterblichkeit;<br />

gleichzeitig wurde die Bindung des einzelnen an die Familie aufgesprengt, seine soziale<br />

Sicherheit gefährdet. D<strong>as</strong> Christentum mit seiner Verheißung des ewigen Lebens und<br />

seiner familien- und gemeinschaftszersetzenden Aufspaltung der Menschen in Gläubige<br />

und Ungläubige konnte die traditionelle Religion nicht ersetzen. Dafür stellte es d<strong>as</strong><br />

einzelne Subjekt auf sich selbst, entwickelte sein Gefühl für Selbstverantwortung, für<br />

Schuld, für individuelle Leistung. So wurde es für die abhängige Produktion in der<br />

Industriegesellschaft trainiert.<br />

(Vgl. Hans Bosse: Diebe, Lügner, Faulenzer. Zur EthnoHermeneutik von Abhängigkeit<br />

und Verweigerung in der Dritten Welt, Frankfurt a. M. 1979, S. 89)<br />

Die kulturelle und religiöse Entwurzelung stürzte die Einheimischen in tiefe Depression.<br />

Damit wurde nachhaltig die B<strong>as</strong>is für die Entwicklung angemessener Beziehungen<br />

zwischen den Generationen zerstört. Die Bedingungen für ein harmonisches Aufwachsen<br />

der jüngeren Generationen waren nicht mehr gegeben. Die Kinder der Unterworfenen<br />

mußten sich einerseits mit ihren Eltern und andererseits mit den weißen Unterdrükkern<br />

identifizieren. Letzteres erforderte die Übernahme der Denkmuster und<br />

Wertorientierungen der Weißen. So führte die bikulturelle Identifikation zu einer in sich<br />

selbst tief gespaltenen Haltung. Haß gegenüber dem Aggressor und gleichzeitig Furcht<br />

vor seiner Überlegenheit zwangen die Eingeborenen in die kollektive Regression.<br />

Mit der eigenen Selbstentwertung ging die Aufwertung des Angreifers Hand in Hand. Als<br />

Folge bahnte sich die Übernahme seiner Vorstellungswelt, seiner Sprache, seines<br />

Denkens an. Die kollektive Anp<strong>as</strong>sung der unterworfenen Indiogesellschaften an die<br />

Kultur der Weißen, die nicht etwa in naturgegebener Anp<strong>as</strong>sungsbereitschaft der<br />

Einheimischen, sondern in der Realität der Gewalt und Unterdrückung begründet lag,<br />

mußte auf die Dauer bei den Überlebenden zu kultureller und persönlichkeitsspezifischer<br />

Verarmung führen.<br />

Über Jahrhunderte blieben die Indianer dem Gift der expandierenden westlichen<br />

Zivilisation ausgesetzt. Die Zerstörung griff immer weiter um sich. Wir können noch<br />

immer die Wirkungen dieser Krankheit in ihren verschiedenen Stadien beobachten. D<strong>as</strong><br />

Entsetzen, d<strong>as</strong> heute «wilde» Indianer bei der Berührung und Überfremdung mit der<br />

Zivilisation überkommt, dürfte mit demjenigen der vielen Millionen Eingeborenen zur<br />

Zeit ihrer «Entdeckung» vergleichbar sein. Deshalb gebe ich hier d<strong>as</strong> Gedicht eines Ache<br />

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