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Hartwig Weber Ein Auszug aus dem Buch die opfer des kolumbus<br />

Die Moral der Geistlichkeit<br />

Die «solicitacion en la confesion», die Verführung der weiblichen Beichtkinder, war eine<br />

weitverbreitete Praxis unter den Geistlichen. Die Inquisition, die mit der Verfolgung<br />

dieser Verbrechen beauftragt wurde, meldete, daß dies «sehr häufig hierzulande und für<br />

viele Beichtväter nichts als eine Bagatelle» sei. Der Franziskaner Fray Juan de Saldana<br />

war Guardian (Vorstand) des Klosters von Suchipila und Beichtvater der Nonnen. Drei<br />

Schwestern des Klosters gehörten zu den von ihm Verführten, außerdem Töchter des<br />

Encomendero (Gutsverwalters), Indianerinnen, Mestizinnen und Kreolinnen. Die<br />

Geistlichen erklärten ihren Beichtkindern, Frauen und Mädchen, Unzucht und Beischlaf<br />

seien keine Sünde, wenn sie mit ihnen und in der Kirche vollzogen würden. Die Jesuiten<br />

beschäftigten zur Beaufsichtigung und Prüfung der Beichtväter ihres Ordens eine Art<br />

weibliche agents provocateurs, die die Patres reizen sollten, um ihre Sittsamkeit zu testen.<br />

(Vgl. G. Friederici: Der Charakter der Entdeckung, Band 1, S. 543).<br />

Der Kolonisierungsprozeß galt den Spaniern als Teil des göttlichen Heilswerks. Gegen<br />

alle Widrigkeiten wurde Gottes Beständigkeit als Bedingung seines Fortgangs und auch<br />

unternehmerischen Willens hochstilisiert. Gott hat die Macht über alles, über die ganze<br />

Welt, und er hat sie «uns», den Spaniern, den Europäern, delegiert. Kolumbus sah sich<br />

durchaus als Auserwählter, Erleuchteter und als Werkzeug in einem noch nicht<br />

durchschaubaren, aber sich in Konturen schon abzeichnenden göttlichen Plan, der gewiß<br />

einst in einer reichen Ernte für die Beharrenden und Vertrauenden gipfelte. Und diese<br />

Ernte war ja nicht nur zeitlich in klingenden Münzen auszumachen; es winkte auch der<br />

ewige Verdienst dafür, die Ausbreitung des Christentums und die Rettung unzähliger<br />

Seelen bewerkstelligt zu haben. Gott selbst war es, der in «Gold und Benefizien» sowie<br />

in Sklaven zahlte. «Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit», so Kolumbus (Briefandie<br />

Könige von 1498, zitiert bei J. Moebus: Über die Bestimmung des Wilden und die<br />

Entwicklung des Verwertungsstandpunktes bei Kolumbus, in: D<strong>as</strong> Argument. Zeitschrift<br />

für Philosophie und Sozialwissenschaften, 1973, S. 273 ff.), könnte man «ebensoviele<br />

Sklaven zum Versand bringen, die man daraufhin verkaufen kann, wie Br<strong>as</strong>ilholz».<br />

Die Äußerungen des Kolumbus geben in ihrer brutalen und zutiefst barbarischen<br />

Einschätzung der Vermarktungschancen von Indiosklaven ein Bild vom<br />

Bewußtseinsstand der Europäer und ihrer Könige, in dem politisches und ökonomisches<br />

Kalkül und theologieverbrämte Ideologie sich gegenseitig abstützten. In der Folgezeit<br />

ging denn auch der Auf- und Ausbau einer funktionierenden und stabilen<br />

Ausbeutungsstruktur in der Neuen Welt mit der Stabilisierung eines kirchlichen und<br />

juristischen Unterdrückungsapparates Hand in Hand. Nahm d<strong>as</strong> Zerstörungswerk der<br />

Europäer seinen Fortgang, so schien ihnen der Sieg als «Gnade» des Gottes, auf dessen<br />

Direktiven und Vorbestimmung hin sie die Welt eroberten und sich die Erde untertan<br />

machten. Der Herr gab den Sieg, die Soldaten erschlugen die Eingeborenen, die<br />

Katholischen Könige strichen den Tribut ein. Die Neue Welt machte die Europäer zu<br />

Barbaren und erwies deren Bewußtsein und Glauben als Glaube und Bewußtsein von<br />

Barbaren.<br />

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